krankheitsbedingte Kündigung sowie BEM und das Integrationsamt

„Impfung macht frei“ – fristlose Kündigung
fristlose Kündigung wegen Kritik an Corona-Maßnahmen
Corona-Kündigungen beschäftigen immer mehr die Arbeitsgerichte. Zum einen geht es um Kündigungen wegen nicht vorgenommener Impfung in der Pflege – und Gesundheitsbranche (Imppflicht) und zum anderen auch im Arbeitgeberkündigungen aus Anlass von Äußerungen im Zusammenhang mit Corona. Eine aktuelle Entscheidung des Arbeitsgericht Berlin beschäftigt sich mit dem Thema der Meinungsäußerung zu den Corona-Maßnahmen.
Meinungsfreiheit und Grenzen bei Corona-Kritik
Die Corona-Maßnahmen des Bundes und der Länder wurden immer stark kritisiert. Kritik ist hier grundsätzlich auch angebracht und in einer Demokratie sinnvoll und diese auch auch durch die Meinungsfreiheit geschützt. Hier gibt es aber auch rechtliche Grenzen, die – nicht nur – für Arbeitnehmer zu beachten sind. Dort, wo Äußerungen eine strafrechtliche Relevanz haben, stößt die Meinungsfreiheit auf ihre Grenzen. Das Strafrecht ist aber nicht die alleinige Grenze der Meinungsfreiheit.
Kündigung – immer Interessenabwägung
Die Abgrenzung ist nicht immer ganz einfach. Auch spielen bei der Frage der Wirksamkeit der Kündigung viele weitere Faktoren eine Rolle.
So ist vor allen erheblich, wie lange der Arbeitnehmer bereits beschäftigt ist, wie sein Verhalten nach der Äußerung war, also ,ob er sich entschuldigt hat oder nicht. Weiter spielt auch eine Rolle, im welchen Zusammenhang die Äußerung getroffen wurde, zum Beispiel auf Arbeit oder in der Freizeit. Auch ist erheblich, ob es sich um einen normalen Arbeitnehmer in der Privatwirtschaft handelt oder um eine Person, die zum Beispiel in einem besonderen Gewaltverhältnis tätig (öffentlicher Dienst/ Beamte) ist.
Meinungsäußerung zu Corona
Auch das Arbeitsgericht Berlin hatte sich nun mit einem solchen Fall zu beschäftigen.
der Fall des Arbeitsgerichts Berlin
Was war passiert?
Ein Berliner Lehrer hatte ein YouTube-Video unter dem Titel „Sie machen Tempo! Und Ich denke…“ veröffentlicht. Am Anfang seines Videos wird für etwa 3 Sekunden ein Bild eingeblendet, auf dem das Tor eines Konzentrationslagers abgebildet ist, wobei der Originalschriftzug des Tores „ARBEIT MACHT FREI“ wurde durch den Text „IMPFUNG MACHT FREI“ ersetzt wurde.
Weiter folgte dann ebenfalls eine etwa 3 Sekunden lange Einblendung eines Tweets des bayrischen Ministerpräsidenten Markus Söder, der eine Ausweitung der Impfangebote ankündigt und in dem er die Aussage „Impfen ist der Weg zur Freiheit“ trifft.
Die Einblendungen zu Beginn des Videos des Lehrers wurden weder durch Text noch durch mündliche Erklärungen näher erläutert.
fristlose Kündigung durch das Land Berlin
Das Land Berlin hatte daraufhin den Lehrer unter anderem wegen der Veröffentlichung dieses Videos fristlos, hilfsweise fristgemäß gekündigt.
Der Lehrer erhob daraufhin eine Kündigungsschutzklage gegen die Kündigungen und führte dazu aus, dass kein Grund für die Kündigung des Arbeitsverhältnisses vorliegt und Er habe mit dem privaten Video ausschließlich scharfe Kritik an der Äußerung des bayrischen Ministerpräsidenten üben und deutlich machen wollen, dass diese der menschen- und rechtsverachtenden Polemik des Nationalsozialismus nahekomme. Weiter meinte der Lehrer, dass das Video durch das Grundrecht auf Meinungsäußerung und Kunstfreiheit gedeckt sei.
Das Bundesland Berlin meinte, dass der Lehrer in dem Video das staatliche Werben um eine Impfbereitschaft in der Pandemie mit der Unrechtsherrschaft und dem System der Konzentrationslager gleichsetzen würde. Damit würde er die Unrechtstaten der Nationalsozialisten verharmlosen.
Darüber hinaus habe der Lehrer seine Schüler aufgefordert, seinen außerdienstlichen Aktivitäten im Internet zu folgen und sich in anderen Videos auch als Lehrer des Landes Berlin vorgestellt.
Urteil – Arbeitsgericht Berlin
Das Arbeitsgericht Berlin (Urteil vom 12. September 2022, Az. 22 Ca 223/22) wies die Kündigungsschutzklage des Lehrers ab und führte dazu in seiner Pressemitteilung Nr. 23/22 vom 14.09.2022 aus:
Eine Auslegung des Inhalts des Videos ergebe nicht nur eine Kritik an der Äußerung des bayrischen Ministerpräsidenten, sondern auch an der allgemeinen, auch vom Land Berlin und der Schulsenatorin, getragenen Impfpolitik. Dabei überschreite der Lehrer durch den Vergleich des Bildes mit dem Text „IMPFUNG MACHT FREI“ mit der Impfpolitik das Maß der zulässigen Kritik. Die Kritik des Lehrers sei nicht mehr durch die Grundrechte der Meinungsfreiheit oder Kunstfreiheit gedeckt, sondern stelle eine unzulässige Verharmlosung des Holocausts dar. Eine Weiterbeschäftigung des Lehrers sei aus diesem Grund unzumutbar.
Anmerkung:
Der Lehrer hat hier seine Meinung kundgetan, aber maßlos übertrieben. Ob dies eine fristlose Kündigung rechtfertigt, darüber kann man streiten. Eine ordentliche Kündigung dürfte aber auch vor dem LAG Berlin-Brandenburg bestand haben. Auch die Meinungsfreiheit hat ihre Grenzen und so auch die Kritik an bestimmen Maßnahmen der Politik.
Rechtsanwalt Andreas Martin – Fachanwalt für Arbeitsrecht

Frist für außerordentliche Kündigung – was ist zu beachten?
Frist für außerordentliche Kündigung – welche Fristen laufen?
Auch für eine außerordentliche Kündigung gilt eine Frist, obwohl die außerordentliche Kündigung im Normalfall fristlos erklärt werden kann.
Dies hört sie zunächst etwas widersprüchlich an, allerdings ist es so, dass diese Frist, die hier für die fristlose Kündigung gilt, keine Kündigungsfrist ist, sondern eine Frist innerhalb derer der Arbeitgeber die außerordentliche Kündigung erklären muss. Diese Frist nennt man Kündigungserklärungsfrist. Geregelt ist diese in § 626 Abs. 2 BGB.
gesetzliche Regelung der Erklärungsfrist bei der fristlosen Kündigung
Dort heißt es:
(2) Die Kündigung kann nur innerhalb von zwei Wochen erfolgen. Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem der Kündigungsberechtigte von den für die Kündigung maßgebenden Tatsachen Kenntnis erlangt. Der Kündigende muss dem anderen Teil auf Verlangen den Kündigungsgrund unverzüglich schriftlich mitteilen.
2 Wochenfrist
Faktisch heißt dies, dass der Arbeitgeber, der von einem wichtigen Kündigungsgrund erfährt, nur zwei Wochen Zeit hat um die außerordentliche Kündigung gegenüber dem Arbeitnehmer auszusprechen. Die Kündigung muss schriftlich erfolgen. Die Zweiwochenfrist beginnt also vor dem Ausspruch der Kündigung und fängt dann an zu laufen, wenn der Arbeitgeber vom Kündigungssachverhalt Kenntnis erlangt. Auch wenn hier immer von einer Arbeitgeberkündigung die Rede ist, gilt die Norm auch für die außerordentliche Kündigung des Arbeitnehmers.
Sinn und Zweck der Regelung
Die kurze Frist des § 626 II BGB dient dem Gebot der Rechtssicherheit und Rechtsklarheit. Nach dem Willen des Gesetzgebers darf es nicht unangemessen lange ungewiss bleiben, ob ein bestimmter Sachverhalt zur Kündigung führt oder nicht.
Probleme in der Praxis
Dies hört sie zunächst recht einfach an, ist in der Praxis aber alles andere als einfach. Es ist nämlich nicht immer so, dass der Arbeitgeber den Arbeitnehmer zum Beispiel auf frischer Tat bei einer Straftat ertappt und hierfür auch noch Zeugen zur Verfügung stehen. Dann beginnt die Frist unproblematisch zu laufen und der Arbeitgeber hatte zwei Wochen Zeit um die Kündigung gegenüber dem Arbeitnehmer zu erklären. Der Arbeitgeber muss umfassende positive Kenntnis von den relevanten Kündigungstatsachen haben.
unsicherer Sachverhalt
Oft ist es nämlich so, dass der Arbeitgeber zum Beispiel von dritter Seite einen wichtigen Grund für eine Kündigung erfährt und dann sich fragt, ob außerordentlich kündigen kann. Die Umstände/Tatsachen sind oft nicht sicher und der Arbeitgeber muss entsprechend erst noch nachforschen, um zu schauen, ob tatsächlich die Vorwürfe zutreffend sind. Hier kann die Frist nicht sofort zu laufen beginnen, ansonsten wäre eine Kündigung, die auf entsprechenden belastbaren Tatsachen beruht, gar nicht möglich.
Beispiel: Der Arbeitgeber erfährt von einem Arbeitnehmer, dass der Kollege X auf Arbeit eine Bohrmaschine entwendet haben soll. Der Arbeitgeber darf hier Nachforschungen anstellen, ob dies tatsächlich so geschehen ist.
Wenn die Tatsachen klar sind, dann beginnt die Frist aber sofort zu laufen.
Beispiel: Wie im obigen Fall, allerdings geht Arbeitgeber daraufhin zum Arbeitnehmer und fragt diesem, ob er tatsächlich den Diebstahl begangen hat und der Arbeitnehmer gibt dies sofort zu. Hier beginnt die Frist an diesem Tag zu laufen.
außerordentliche Kündigung und Kündigungsgrund
Allerdings nochmals kurz, wann der Arbeitgeber überhaupt außerordentlich (fristlos) kündigen kann:
Zunächst braucht der Arbeitgeber einen außerordentlichen Kündigungsgrund. Auch dies ist im § 626 BGB – im Absatz 1 – geregelt. Dort ist die Rede von einem wichtigen Grund.
(1) Das Dienstverhältnis kann von jedem Vertragsteil aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, auf Grund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Dienstverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zu der vereinbarten Beendigung des Dienstverhältnisses nicht zugemutet werden kann.
keine absoluten Kündigungsgründe
Es gibt aber keine absoluten Kündigungsgründe. Dies heißt, dass man nicht sagen, wenn der Arbeitnehmer eine bestimmte Pflichtverletzung begeht, dass immer eine außerordentliche Kündigung möglich ist. Es findet immer eine Interessenabwägung statt und es kommt immer auf den Einzelfall an.
Straftaten gegenüber dem Arbeitgeber
Im Allgemeinen kann man aber sagen, dass der Arbeitgeber-auch ohne Abmahnung-bei schweren bzw. schwersten Pflichtverletzungen des Arbeitnehmers das Arbeitsverhältnis aus wichtigen Grund kündigen kann. Der Kündigungsgrund ist dann „wichtig“ was zum Beispiel der Fall ist, wenn der Arbeitnehmer Straftaten gegenüber dem Arbeitgeber, wie zum Beispiel Betrug, Diebstahl oder Unterschlagung begeht.
Wenn der Arbeitgeber also sichere Kenntnis von diesen Kündigungsgrund hat, dann beginnt die Frist des § 626 Abs. 2 BGB zu laufen. Der Arbeitgeber hat dann 14 Tage Zeit, um diese Kündigung gegenüber dem Arbeitnehmer zu erklären.
Fristbeginn der 2-Wochenfrist
Die Zweiwochenfrist beginnt sobald der Kündigungsberechtigte zuverlässige und möglichst vollständige positive Kenntnis (BAG NZA 19, 1415) aller kündigungsrelevanten Tatsachen hat (Bundesarbeitsgericht Urteil vom 27.06.2019 – 2 ABR 2/19). Dies ist zum Beispiel bei einem Geständnis des Arbeitnehmers der
Fall. Soweit Ermittlungen erforderlich sind, hat der Arbeitgeber sie mit der gebotenen Eile durchzuführen (BAG Urteil vom 01.02.2007 – 2 AZR 333/06). Deshalb genügt erst die vollständige positive Kenntnis der für die Kündigung maßgebenden Tatsachen, um die Kündigungserklärungfrist in Gang zu setzen.
Fristende
Das Ende der Kündigungserklärungsfrist ist der Zugang der Kündigung beim Arbeitnehmer. Zugang heißt, dass der Arbeitnehmer die Kündigungserklärung „erhält“. Diese Definition ist juristisch nicht ganz richtig, aber soll veranschaulichen, dass im Normalfall der Zugang mit dem Erhalt gleichzusetzen ist.
Wenn zum Beispiel der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer die Kündigung übergibt, dann geht die Kündigung zu diesem Zeitpunkt dem Arbeitnehmer zu. Beim Einwurf in den Briefkasten geht die Kündigung dem Arbeitnehmer in der Regel am gleichen Tag zu, es sei der Einwurf erfolgt erst spät abends. Rechtlich bedeutet Zugang nämlich, dass bei gewöhnlichen Verlauf mit der Möglichkeit der Kenntnisnahme zu rechnen ist. Wenn der Arbeitgeber die Kündigungserklärung erst um 20:00 Uhr den Briefkasten des Arbeitnehmers einwirft, wird man in der Regel nicht davon ausgehen, dass der Arbeitnehmer die Kündigung noch am gleichen Tag/Abend zur Kenntnis nimmt.
Rechtsanwalt Andreas Martin

Easyjet-Kündigungen von Arbeitnehmer am BER
betriebsbedingte Kündigungen am BER
An vielen Flughäfen in der Bundespolitik Deutschland, insbesondere auch am Flughafen in Berlin, sind die Auswirkungen der Corona-Krise immer noch spürbar. Zum einen fehlt geeignetes Personal und zum anderen scheint auch die Organisation des Flugbetriebes nicht optimal zu laufen. Ein Grund dafür, weshalb viele Flüge verspätet sind, könnte auch der sein, dass viele Fluggesellschaften während der Hochzeit der Corona-Krise Personal entlassen haben und nun keine geeignetes Personal mehr finden.
2 Kündigungswellen durch Easyjet
Das Arbeitsgericht Cottbus und das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg (Berufungsinstanz) hatte nun über betriebsbedingte Kündigungen der Fluggesellschaft Easyjet zu entscheiden und zwar, ob diese rechtmäßig erfolgt sind. Die Fluggesellschaft hatte nämlich diverse Arbeitnehmer in zwei Kündigungswellen entlassen.
Das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg hat nun entschieden, dass die Kündigung der ersten Kündigungswelle wirksam sind und die der zweiten Kündigungswelle aber nicht.
Sachverhalt nach dem LAG Berlin-Brandenburg (verkürzt)
Die Fluggesellschaft Easyjet hatte in Folge einer Reduzierung der am Flughafen Berlin-Brandenburg stationierten Flugzeuge mehrere betriebsbedingte Kündigungen ausgesprochen.
Die Fluggesellschaft wollte im November 2020 zunächst 418 Arbeitsplätze abzubauen (1. Kündigungswelle) und dann im Juni 2021 ggfs. weitere 320 Arbeitsplätzen (2. Kündigungswelle). Die Kündigungen erfolgen aus betriebsbedingten Gründen aufgrund der Reduzierung der Flugzeuge am Standort Berlin (BER).
Bei der Fluggesellschaft war in der Zeit von April 2020 bis Juni 2021 Kurzarbeit angeordnet worden.
Gegen diese Kündigungen klagten einige Arbeitnehmer (beider Kündigungswellen) der Fluggesellschaft. Die Kündigungsschutzklage sind zunächst vom Arbeitsgericht Cottbus (1. Instanz) und dann in der Berufungsinstanz vom LAG Berlin-Brandenburg entschieden worden.
Entscheidung der 5. Kammer des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg
Die 5. Kammer des LAG Berlin-Brandenburg (Urteil vom 12.05.2022, Aktenzeichen 5 Sa 1584/21) hatte über die Kündigungen der ersten Welle zu entscheiden und hielt diese aus betriebsbedingten Gründen für gerechtfertigt und führte dazu in der Pressemitteilung Nr. 18/22 vom 10.08.2022 aus:
„Es sei aufgrund der unternehmerischen Entscheidung zur Reduzierung der am BER stationierten bzw. der als „Flugzeugkontingent“ dem BER zugeordneten Anzahl von Flugzeugen von 34 auf 18 von einem voraussichtlich dauerhaften Wegfall des Beschäftigungsbedarfes auszugehen. Die Beklagte habe schlüssig dargelegt, mit welcher Anzahl von Beschäftigten sie den verbleibenden Bestand an Flugzeugen vom BER aus betreiben wolle. Zwar sei die angeordnete Kurzarbeit ein Indiz für einen nur vorübergehenden Arbeitsmangel, Anlass der Kündigung sei jedoch nicht der vorübergehende Arbeitsmangel, sondern die ab Juni 2020 geplante und ab Dezember 2020 umgesetzte Reduzierung des Flugzeugkontingents.“
Entscheidung der 7. Kammer des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg
Die 7. Kammer des LAG Berlin-Brandenburg (Urteil vom 17.06.2022, Aktenzeichen 9 Sa 1637/21) hatte über die Kündigungen der zweiten Welle zu entscheiden und hielt diese für nicht wirksam und führte dazu in der Pressemitteilung Nr. 18/22 vom 10.08.2022 aus:
„Nach Vortrag der Fluggesellschaft habe mit der unternehmerischen Entscheidung im Oktober 2020 nur der Abbau von 418 Positionen festgestanden. Entsprechend hätten sich die zunächst nicht gekündigten Beschäftigten auch weiterhin in Kurzarbeit befunden. Da Kurzarbeit und der Bezug von Kurzarbeitergeld einen vorübergehenden Arbeitsmangel voraussetze, spreche dies für die Annahme eines nur vorübergehenden Arbeitsmangels hinsichtlich des verbleibenden Personals. Eine behauptete weitere, nicht schriftlich abgefasste unternehmerische Entscheidung bleibe vage, ein dauerhafter Wegfall von Arbeitsplätzen lasse sich auf dieser Grundlage nicht feststellen. Zudem könne allein die Reduzierung der Zahl der dem BER zugeordneten Flugzeuge die Kündigung auch deshalb nicht rechtfertigen, weil es um einen Abbau von mehr Arbeitsplätzen gehe, als dies rechnerisch der Reduzierung der Flugzeuge entspreche. Die damit vorliegende Entscheidung, künftig mit weniger Personal arbeiten zu wollen, sei vom Kündigungsentschluss nicht zu unterscheiden und müsse nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts hinsichtlich ihrer organisatorischen Durchführbarkeit und zeitlichen Nachhaltigkeit näher erläutert werden.“
Anmerkung:
Auch hier sieht man mal wieder, das betriebsbedingte Kündigungen hinsichtlich ihrer Wirksamkeit schwer abzuschätzen sind. Der Arbeitgeber muss hier ausreichend vor Gericht vortragen (wenn der Sachverhalt dies hergibt), ansonsten besteht die Gefahr, dass die Kündigungen unwirksam sind. Zu beachten ist aber, dass dies nur die Kündigungen der 2. Welle betrifft (Stand jetzt – vielleicht geht es ja noch zum BAG) und nur die Arbeitnehmer, die auch geklagt haben. Von daher sollte in der Regel der Arbeitnehmer – notfalls ohne Anwalt – gegen jede Kündigung des Arbeitgebers klagen, wenn nur „leistete Zweifel“ an dessen Rechtmäßigkeit bestehen.
Rechtsanwalt Andreas Martin
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Gefälschter Genesenennachweis und Kündigung
Corona-Kündigung wegen gefälschtem Genesenennachweis
Mittlerweile gibt es nun diverse Entscheidungen zur Frage, ob Kündigungen von Seiten der Arbeitgeber bei Vorlage von gefälschten Impfausweisen oder Corona- Attesten rechtmäßig sind. Die Arbeitsgericht nehmen hier überwiegend an, dass ein schwerer Vertrauensverlust vorliegt, der zur Kündigung und sogar zur außerordentlichen (fristlosen) Kündigung berechtigt, wenn der Arbeitnehmer gefälschte Unterlagen im Zusammenhang mit Corona vorlegt und sich damit den Zugang zum Arbeitsplatz / Kundenverkehr „erschleicht“.
fristlose Kündigungen wegen Fälschungen im Zusammenhang mit Corona
Die Gericht bewerten den Schutz der Kunden und Arbeitskollegen hier sehr hoch und halten regelmäßig entsprechende Kündigungen hier für rechtmäßig. In meinen Artikel über die Impflicht in der Gesundheitsbranche habe ich diverse Entscheidungen zu sog. „Corona-Kündigungen“ aufgeführt. Fast alle Entscheidungen gehen für pro Arbeitgeber aus.
Entscheidung des Arbeitsgerichts Berlin zur Fälschung eines Genesenennachweises
Das Arbeitsgericht Berlin hatte sich nun damit zu beschäftigen, ob die Kündigung eines Arbeitnehmers, der einen gefälschten Genesenennachweis beim Arbeitgeber eingereicht hat, rechtmäßig ist. Dies ist nicht die erste Beschäftigung des Berliner Arbeitsgericht mit Corona-Kündigungen.
Sachverhalt der Entscheidung
Ein Justizbeschäftigter bei einem Gericht legte einen gefälschten Genesenennachweis vor, obwohl bei ihm keine Corona-Erkrankung festgestellt worden war. Mit dieser Fälschung erhielt er so Zutritt zum Gericht ohne Vorlage eines aktuellen Tests oder Impfnachweises.
Der Arbeitgeber – das Land Berlin – überprüfte den Genesenennachweis später und es wurde festgestellt, dass es sich bei dem Genesenennachweis um eine Fälschung handelt. Der Arbeitgeber hörte den Arbeitnehmer an und erklärte nach der Anhörung die fristlose Kündigung aus außerordentlichem Grund des Arbeitsverhältnisses.
Kündigungsschutzklage des Arbeitnehmers zum Arbeitsgericht Berlin
Der Arbeitnehmer erhob daraufhin Kündigungsschutzklage zum Arbeitsgericht Berlin und verlor das Kündigungsschutzverfahren.
Entscheidung des Arbeitsgerichts
Das Arbeitsgericht Berlin (Urteil vom 26.04.2022, Aktenzeichen 58 Ca 12302/21) führte dazu in seiner Pressemitteilung Nr. 12/22 vom 30.05.2022 folgendes aus:
Die Vorlage eines gefälschten Genesenennachweises anstelle eines erforderlichen tagesaktuellen Corona-Tests oder Impfnachweises kann eine fristlose Kündigung rechtfertigen. Das hat das Arbeitsgericht Berlin entschieden und eine Kündigungsschutzklage abgewiesen.
Nach § 28b Absatz 1 Infektionsschutzgesetz in der vom 24.11.2021 bis 19.03.2022 gültigen Fassung durften Beschäftigte Arbeitsstätten, in denen physische Kontakte untereinander oder zu Dritten nicht ausgeschlossen werden können, nur nach Vorlage eines Impfnachweises, eines Genesenennachweises oder eines tagesaktuellen Tests im Sinne der COVID-19-Schutzmaßnahmen-Ausnahmeverordnung betreten.Diese Kündigung ist nach der Entscheidung des Arbeitsgerichts wirksam, der erforderliche wichtige Grund für eine außerordentliche Kündigung liege vor. Der Arbeitgeber habe einen Zutritt nur bei Vorliegen der Voraussetzungen gemäß § 28b Absatz 1 Infektionsschutzgesetz gewähren dürfen. Den hier geregelten Nachweispflichten komme auch im Hinblick auf den angestrebten Gesundheitsschutz für alle Menschen im Gericht eine erhebliche Bedeutung zu. Deshalb sei die Verwendung eines gefälschten Genesenennachweises zur Umgehung dieser geltenden Nachweispflichten eine erhebliche Verletzung arbeitsvertraglicher Rücksichtnahmepflichten. Eine vorherige Abmahnung dieses Sachverhaltes sei nicht erforderlich. Es sei für den Kläger als Justizbeschäftigten ohne weiteres erkennbar gewesen, dass ein solches Verhalten nicht hingenommen werde. Auch im Hinblick auf die Dauer des Arbeitsverhältnisses von drei Jahren überwiege das arbeitgeberseitige Interesse an einer sofortigen Beendigung.
Gegen das Urteil kann Berufung beim Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg eingelegt werden.
Anmerkung:
Auch dieses Urteil zeigt mal wieder, dass man als Arbeitnehmer nicht leichtfertig gefälschte Nachweise im Zusammenhang mit Corona verwenden sollte. Oft werden solche Fälschungen (Maskenatteste, Impfnachweise, Genesenennachweise) aus dem Internet bezogen von Personen „die ganz besonders schlau“ sein wollen und an irgendwelche kruden Verschwörungstheorien glauben. Hier ist Vorsicht geboten; gerade wegen der Vielzahl der Entscheidungen der Arbeitsgerichte, die die Verwendung solcher Fälschungen auf Arbeit als Kündigungsgrund ansehen.
Update im März 2023
Das LAG Düsseldorf (Urteil vom 7.2.2023 – 8 Sa 326/22) hat nun entschieden, dass die Vorlage eines gefälschten Impfnachweises des Arbeitnehmers beim Arbeitgeber auch bei 19-jähriger Firmenzugehörigkeit einen wichtigen Grund nach. § 626 Abs. 1 BGB darstellt. Nach dem Landesarbeitsgericht stellt die Vorlage eines gefälschten Impfausweises in der Absicht die Nachweispflicht des § 28b Abs. 1 IfSG zu umgehen, eine Verletzung einer arbeitsvertraglichen Nebenpflicht dar, die so schwerwiegend ist, dass sie geeignet ist, eine fristlose Kündigung zu rechtfertigen.
Rechtsanwalt Andreas Martin – Anwalt in Berlin Marzahn
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Corona-Test aus Internet – Kündigung wirksam?
Kündigung wegen falschen Corona-Online-Test
Die Kündigung wegen der Fälschung von Impfzertifikaten durch Arbeitnehmer oder die Verwendung von gefälschten Impfpässen ist derzeit bereits von mehreren Arbeitsgerichten als legitim beurteilt worden. Es gibt nun immer mehr Entscheidungen der Arbeitsgerichte dazu. Die Tendenz geht klar in Richtung, dass hier „Betrügereien“ der Arbeitnehmer in der Regel eine außerordentliche Kündigung durch den Arbeitgeber rechtfertigen. Es wird hier zur Übersicht der einzelnen Entscheidungen auf meinen Artikel zur „Impfpflicht in der Gesundheitsbranche“ verwiesen. Dort sind aktuelle Entscheidungen zum Thema Corona und Kündigung aufgelistet.
Corona-Test aus Internet – Kündigung wirksam oder nur Abmahnung?
Hier geht es nun aber darum, ob die Vorlage eines ungeprüften negativen Coronatest, den sich ein Arbeitnehmer aus dem Internet bezogen hat, grundsätzlich als Kündigungsgrund ausreicht. Darf der Arbeitgeber aufgrund einer solchen ungeprüften Testbescheinigung das Arbeitsverhältnis durch Kündigung beenden? Es geht hier also nicht um gefälschte Impfausweise, sondern nur um ungeprüfte „Online-Corona-Tests“.
Entscheidung des Arbeitsgerichts Bielefeld
Das Arbeitsgericht Bielefeld (Urteil vom 24.3.2022 – 1 Ca 2311/21) hat dies verneint und war der Meinung, dass der Arbeitgeber hier allenfalls hätte abmahnen dürfen. Für eine Kündigung reichte der Sachverhalt nach Meinung der Arbeitsrichter nicht aus.
Fall des Arbeitsgerichts Bielefeld
Der Fall war wie folgt:
Der Arbeitnehmer war auf einen städtischen Bauhof beschäftigt. Das Arbeitsverhältnis bestimmte sich nach den Tarifverträgen für den öffentlichen Dienst der Kommunen. Beim Bauhof gab es ab dem 22.11.2021 nach § 28 b IFSG eine 3G-Regel am Arbeitsplatz. Nach dieser Regelung mussten alle Arbeitnehmer durch Nachweiskontrollen die Voraussetzungen der 3G-Regel täglich erfüllen und dies musste Arbeitgeberseits überwacht werden.
Von Seiten des Bauhofs wurde alle nicht geimpften Arbeitnehmer ab dem 24.11.2021 tägliche Tests unter Aufsicht angeboten. Der nicht geimpfte Kläger machte von diesem Angebot ab dem 24.11.2021 täglich Gebrauch und wurde stets negativ getestet.
In den folgenden Tagen kam es auf dem Bauhof zu gehäuften Corona-Erkrankungen. Der Arbeitnehmer hatte in dieser Woche erstmalig auch ein Testzertifikat über die Internetseite Dr. B. bezogen. Das Gesundheitsministerium des Landes NRW warnte allerdings seit dem 28.11.2021 vor diesen „nicht verkehrsfähigen Testnachweisen“. Die Verwendung solcher „Online – Tests“ im Rechtsverkehr stelle eine Ordnungswidrigkeit dar, die mit einem Bußgeld geahndet werden könne. Es braucht nicht näher ausgeführt werden, dass diese „Testnachweise“ keine solche sind.
Am 7.12.2021 wurde der Arbeitnehmer zum Personalgespräch geladen und ihm wurde mitgeteilt, dass es sich bei der Vorlage des Testnachweises um eine Straftat handeln könnte und außerdem eine fristlose Kündigung beabsichtigt sei. Ab dem 8.12.2021 war der Arbeitnehmer dann arbeitsunfähig krank.
Am 15.12.2021 erfolgte die außerordentliche, vorsorglich ordentlich Kündigung durch den Arbeitgeber.
Gegen diese Kündigungen wehrte sich der Arbeitnehmer/ Kläger mittels Kündigungsschutzklage zum Arbeitsgericht Bieldefeld.
Entscheidung zu Gunsten des Arbeitnehmers
Das Arbeitsgericht Bielefeld gab dem Arbeitnehmer Recht und führte dazu aus:
Die streitbefangene Kündigung hat das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht beendet.
Ein „wichtiger Grund“ zur Kündigung kann nicht nur in der erheblichen Verletzung einer vertraglichen Hauptleistungspflicht liegen. Auch die schuldhafte Verletzung von Nebenpflichten kann ein wichtiger Grund zur außerordentlichen Kündigung sein. Hinsichtlich der Vorlage eines Negativtests aus dem Internet steht das ArbG Hamburg in seiner Entscheidung vom 31.03.2022 – 4 Ca 323/21 auf dem Standpunkt, die Vorlage eines Testzertifikats, das unzutreffend bescheinigt, der Antigen-Schnelltest sei von dem Leistungserbringer i.S.d. § 6 Abs. 1 TestV selbst durchgeführt worden, in der Absicht, den in § 28 b Abs. 1 Satz 1 IfSG geregelte Nachweispflicht zu umgehen, sei „an sich“ geeignet, eine fristlose Kündigung zu rechtfertigen. Dabei komme es nicht auf die strafrechtliche Würdigung des Sachverhalts an. Entscheidend sei vielmehr der Verstoß gegen vertragliche Haupt- oder Nebenpflichten und der damit verbundene Vertrauensbruch.
Der Auffassung des ArbG Hamburg kann allerdings nicht zugestimmt werden. Erhebliche Gefahren für den Gesundheitsschutz Dritter liegen nach Ansicht der Kammer erst dann vor, wenn das Testergebnis, das bescheinigt wird, ein unzutreffendes Testergebnis ist. Der Beklagten ist es deshalb nicht gelungen, dem Kläger nachzuweisen, dass er ein gefälschtes Gesundheitszeugnis vorgelegt hatte. Er hatte der Beklagten „lediglich“ ein nicht gültiges Testzertifikat vorgelegt.
Legt der Kläger vor Betreten der Arbeitsstätte dem Arbeitgeber einen aufgrund des Fehlens der gesetzlichen Voraussetzungen nicht ordnungsgemäßen Testnachweis vor, erfüllt er nach Ansicht der Kammer die nach § 28 b Abs. 3 Satz 2 IfSG obliegende Nachweispflicht. Damit darf der Arbeitnehmer den Betrieb nicht betreten und verliert den Entgeltanspruch. Er hat dadurch selbst mindestens eine Ordnungswidrigkeit begangen und die Beklagte in Gefahr gebracht, dass sie sich ebenfalls bußgeldpflichtig macht, indem sie Arbeitnehmer beschäftigt, die kein gültiges Negativattest vorgelegt haben.
Der Kammer fehlt jedes Verständnis für die Vorlage eines den gesetzlichen Vorgaben nicht entsprechenden Negativattests, nur um sich der Vorlage eines täglichen Bürgertests zu entziehen. Wenn man Impfskeptiker ist, muss man dazu und zu den sich daraus ergebenden Konsequenzen stehen und kann sich nicht durch Vorlage eines „Fake“-Attests aus dem Internet Vorteile verschaffen, für die man kein Risiko eingehen möchte. Dem Kläger konnte letztlich aber nicht wiederlegt werden, dass er der Richtigkeit der Angaben auf der Internetseite von Dr. B. vertraut hatte. Vor diesem Hintergrund reicht nach Ansicht der Kammer im vorliegenden Fall der Ausspruch einer Abmahnung zur Beseitigung der Störung ihres Dauerschuldverhältnisses als milderes Mittel aus.
Anmerkung: Nicht immer ist bei einem Verstoß gegen Corona-Schutzbestimmungen im Betrieb eine Kündigung rechtmäßig. Wie so oft kommt es immer auf den Einzelfall an.
Rechtsanwalt Andreas Martin – Marzahn _ Hellersdorf

Kündigung, Kündigungsschutz und Abfindung von Schwerbehinderten
Kündigungsschutz und Schwerbehinderung
Schwerbehinderte Arbeitnehmer sind vor einer Kündigung des Arbeitgebers besonders geschützt. Mitarbeiter mit Schwerbehinderung und ihnen Gleichgestellte unterliegen grundsätzlich gemäß § 168 SGB IX einem besonderen Kündigungsschutz (Sonderkündigungsschutz). Der Arbeitgeber braucht nämlich für die Kündigung (unerheblich ob ordentlich oder außerordentlich) die vorherige Zustimmung des Integrationsamtes. Von daher genießen schwerbehinderte Personen neben dem allgemeinen Kündigungsschutz nach dem Kündigungsschutzgesetz auch besonderen Kündigungsschutz nach dem SGB IX.
Zustimmung des Integrationsamtes vor Kündigung
Die Zustimmung des Integrationsamtes ist vor jeder ordentlichen und außerordentlichen Kündigung des Arbeitgebers erforderlich. Die gleichberechtigte Teilhabe schwerbehinderter Menschen am Leben, insbesondere auch im Arbeitsleben, ist ein besonderes Anliegen der deutschen Gesetzgebung. Das Zustimmungserfordernis des Integrationsamtes nach dem SGB IX ist ein Ergebnis dieser Gesetzgebung. Durch den Sonderkündigungsschutz werden Schwerbehinderte zusätzlich im Arbeitsverhältnis geschützt.
Was heißt besonderer Kündigungsschutz eines Schwerbehinderten?
Vielen Arbeitnehmern ist bekannt, dass für den Fall der Anwendung des Kündigungsschutzgesetzes auf das Arbeitsverhältnis ein allgemeiner Kündigungsschutz gilt. Der Arbeitgeber braucht für eine Kündigung einen Kündigungsgrund und kann hier nur verhaltensbedingt, personenbedingt oder betriebsbedingt kündigen.
allgemeiner Kündigungsschutz
Das Kündigungsschutzgesetz ist dann auf das Arbeitsverhältnis anzuwenden, wenn mehr als zehn Arbeitnehmer im Betrieb in Vollzeit tätig sind und das Arbeitsverhältnis bereits länger als sechs Monate besteht. Diesen allgemeinen Kündigungsschutz genießen selbstverständlich auch Schwerbehinderte.
besonderer Kündigungsschutz
Darüberhinaus genießen diese aber auch einen sogenannten Sonderkündigungsschutz. Dies heißt einen besonderen Kündigungsschutz, den normale Arbeitnehmer nicht bekommen. Dieser ist geregelt in die § 168-175 SGB IX. Danach kann das Arbeitsverhältnis eines schwerbehinderten Arbeitnehmers nicht ohne weiteres gekündigt werden. Zusätzlich zu den allgemeinen Voraussetzungen für eine Kündigung ist die Zustimmung des Integrationsamtes zur Kündigung notwendig. Dies heißt, dass Arbeitnehmer mit einer Schwerbehinderung zweifach geschützt sind, zum einen aufgrund des allgemeinen Kündigungsschutzes und zum anderen aufgrund des besonderen Kündigungsschutzes nach dem SGB IX.
Welche Arbeitnehmer haben einen Anspruch auf Sonderkündigungsschutz als Schwerbehinderte?
Alle schwerbehinderten Arbeitnehmer eines Betriebes, unabhängig von ihrer Stellung im Betrieb, haben den Sonderkündigungsschutz eines Schwerbehinderten, solange diese länger als sechs Monate im Betrieb beschäftigt sind. Als schwerbehinderte Person gilt eine Person mit einem Grad der Behinderung (GdB) von 50 oder mehr (§ 2 Abs. 2 SGB IX).
Gleichgestellte Arbeitnehmer
Allerdings können auch Personen, die einen Grad der Behinderung von wenigstens 30 haben, aber noch keinen GdB 50 den Sonderkündigungsschutz eines Schwerbehinderten genießen, wenn sie diesen als Schwerbehinderten gleichgestellt wurden. Eine solche Gleichstellung, die immer beantragt werden sollte, wenn die Voraussetzungen vorliegen, erfolgt nur auf den Antrag des Arbeitnehmers und wird über einen Bescheid festgestellt. Diesen Antrag muss der Arbeitnehmer wenigstens drei Wochen vor Zugang der Kündigung stellen.
Gilt der Sonderkündigungsschutz auch im Kleinbetrieb?
Ja, der Arbeitgeber braucht die Zustimmung des Integrationsamtes auch, wenn er nur einen Kleinbetrieb führt und das Kündigungsschutzgesetz keine Anwendung findet. Der Sonderkündigungsschutz steht also unabhängig vom Kündigungsschutzgesetz bzw. vom allgemeinen Kündigungsschutz.
Gilt der besondere Kündigungsschutz auch in der Probezeit/ Wartezeit?
Nein, der besondere Kündigungsschutz gilt hier in der Probezeit / Wartezeit nicht, sondern erst nach 6 Monaten. Dies heißt, dass innerhalb der ersten sechs Monate des Arbeitsverhältnisses ein Sonderkündigungsschutz nicht besteht. Ein schwerbehinderte Arbeitnehmer kann also ohne Kündigungsschutz innerhalb der ersten sechs Monate des Arbeitsverhältnisses gekündigt werden. Dabei spielt auch keine Rolle, wie lang die Probezeit (§ 622 III BGB) vereinbart ist.
Beispiel: Der schwerbehinderte Arbeitnehmer A bekommt einen Arbeitsvertrag, in welchem eine Probezeit mit drei Monaten geregelt ist. Innerhalt der Probezeit kann das Arbeitsverhältnis von beiden Seiten mit eine Frist von 2 Wochen gekündigt werden (§ 622 III BGB). Im vierten Monat – also nach Ablauf der vereinbarten Probezeit – kündigt der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis. Darf er dies?
Antwort: Ja. Die Probezeit ist letztendlich nur eine Vereinbarung einer kürzeren Kündigungsfrist. Der Sonderkündigungsschutz greift erst nach sechs Monaten, unabhängig davon, wie lang die Probezeit im Arbeitsvertrag vereinbart wurde.
Gibt es Ausnahmen, bei denen das Integrationsamt nicht zustimmen muss?
In der Regel muss das Integrationsamt einer jeden Kündigung des Arbeitgebers – also egal, ob eine ordentliche, außerordentliche, eine Beendigungskündigung oder Änderungskündigung erklärt wird – zustimmen. Eine Ausnahme gilt dann, wenn der Arbeitnehmer das 58. Lebensjahr vollendet hat und einen Anspruch auf Abfindung o. ä. Leistung hat. Dies dürfte allerdings selten vorkommen.
Darüberhinaus ist auch eine Zustimmung des Integrationsamtes nicht erforderlich, wenn innerhalb der ersten sechs Monate des Arbeitsverhältnisses gekündigt wurde (siehe oben).
Was ist, wenn der Arbeitgeber von der Schwerbehinderung nichts weiß?
Es gibt Fälle, in denen der Arbeitgeber nichts von der Schwerbehinderung des Arbeitnehmers weiß und ohne Zustimmung des Integrationsamtes kündigt. In dieser Situation muss der Arbeitnehmer dringend handeln. Er muss dem Arbeitgeber innerhalb von drei Wochen nach Zugang der Kündigung seine Schwerbehinderung anzeigen. Dies sollte rechtssicher geschehen, sodass auch nachweisbar ist, dass der Arbeitgeber innerhalb dieser drei Wochen vom Arbeitnehmer über die Schwerbehinderung informiert wurde. Weiter muss der Arbeitnehmer zwingend Kündigungsschutzklage einreichen. Wenn der Arbeitnehmer also gegen die Kündigung nicht klagt und nicht innerhalb der drei Wochen die Schwerbehinderung anzeigt, dann hat er recht schlechte Karten in der Sache überhaupt noch etwas zu gewinnen. Die Kündigung wird dann nach § 7 des Kündigungsschutzgesetzes wirksam. In Bezug auf die Klagefrist gilt aber zu Gunsten des Arbeitnehmers der § 4 Abs. 1, Satz 4 KSchG. Trotzdem sollte immer die Kündigungsschutzklage innerhalb von 3 Wochen ab Zugang der Kündigung erhoben werden.
Wie hoch ist die Abfindung bei einer Kündigung eines Schwerbehinderten?
Interessant ist natürlich für Arbeitnehmer, die eine Kündigung des Arbeitgebers erhalten und schwerbehindert sind, in welcher Höhe sie gegebenenfalls eine Abfindung erhalten können. Dabei ist wichtig zu wissen, dass auch für Schwerbehinderte in der Regel kein gesonderter Abfindungsanspruch besteht.
Für den Arbeitnehmer, der nicht schwerbehindert ist ist es in den meisten Fällen so-und dies gilt auch für schwerbehinderte Arbeitnehmer-dass nur in seltenen Fällen tatsächlich ein Anspruch auf Zahlung einer Entlassungsentschädigung besteht.
Abfindungshöhe ist oft reine Verhandlungssache
Die Höhe der Abfindung kann niemand genau voraussagen. Diese ist oft reine Verhandlungssache. Wenn der Arbeitnehmer einen besonders starken Kündigungsschutz hat und damit das Prozessrisiko für den Arbeitgeber besonders hoch ist, ist in der Regel mit einer höheren Abfindung zu rechnen, insbesondere dann, wenn der Arbeitgeber auf keinen Fall mehr den Arbeitnehmer beschäftigen möchte.
Abfindungsformel
In der Regel wird man von der allgemeinen Abfindungsformel von einem halben Bruttomonatsgehalt pro Arbeitsjahr (Arbeitsgericht Berlin) ausgehen und diese dann etwas beim Schwerbehinderten erhöhen.
Formel auf Zahlung einer Entlassungsentschädigung ohne Verbindlichkeit
Wichtig ist, dass diese Formel keinerlei Rechtsverbindlichkeit hat. Allerdings ist zu beachten, dass ein schwerbehinderter Arbeitnehmer einen besseren Kündigungsschutz hat und von daher sollte man in Bezug auf die Abfindung hier höher in die Verhandlung zum Gütetermin gehen. Hier ist es auf jeden Fall sinnvoll sich anwaltlich beraten zu lassen und sich auch im Rahmen des Kündigungsschutzverfahrens von einem Fachanwalt für Arbeitsrecht vertreten lassen, da nur dieser über entsprechende Kenntnisse und auch über die Erfahrungen im Aushandeln einer Abfindung hat.
Arbeitsplatz nicht vorschnell aufgeben
Trotzdem sollte man sich genau überlegen, ob man tatsächlich den „sicheren Arbeitsplatz“ aufgibt für eine Abfindung, die wahrscheinlich dann auch recht schnell verbraucht wird, oder ob man tatsächlich hier als schwerbehinderte Person um den Arbeitsplatz kämpft.
Muss das Integrationsamt zustimmen, wenn ein Aufhebungsvertrag geschlossen wird?
Nein. Das Integrationsamt muss nur entsprechend bei einer Kündigung beteiligt werden. Schließt der Arbeitnehmer einen Aufhebungsvertrag und ist schwerbehindert, so ist dies grundsätzlich ohne Zustimmung des Integrationsamtes möglich. Der Grund ist der, dass der Schutz des Arbeitnehmers gerade dann erfolgen soll, wenn gegen den Willen des Arbeitnehmers zum Beispiel durch Kündigung des Arbeitgebers hier gehandelt wird. Einen Aufhebungsvertrag schließt der Arbeitnehmer in der Regel aber freiwillig und von daher besteht hier kein besonderer Schutz und ist in der Regel auch nicht notwendig.
In Ausnahmefällen kann der Schwerbehinderte Arbeitnehmer-in Ausnahmefällen-auch gegen einen Aufhebungsvertrag vorgehen und diesen anfechten, wenn die Voraussetzungen dafür vorliegen.
Wie prüft das Integrationsamt die Kündigung?
Wie oben bereits ausgeführt wurde, ist das Zustimmungserfordernis des Integrationsamtes vor einer Kündigung des Arbeitgebers notwendig. Der Grund ist die besondere Schutzbedürftigkeit des schwerbehinderten Arbeitnehmers im Betrieb. Wenn der Arbeitgeber also kündigen möchte, muss er zuvor die Zustimmung des Integrationsamtes einholen. Dazu wird der Normalfall einen Fragebogen ausfüllen und dort unter anderen auch den Kündigungsgrund, der hier entscheidend ist, mitteilen. Das Integrationsamt hört dann den Arbeitnehmer gemäß § 170 Abs. 2 SGB IX an. Der Arbeitnehmer bekommt also schon vorab-vor eine Entscheidung des Integrationsamtes-den Antrag des Arbeitgebers übersandt mit der Bitte eine Stellungnahme abzugeben und weiß dann schon, dass bald die Arbeitgeberkündigung kommt. Das Integrationsamt entscheidet dann nachdem es beide Schreiben (Arbeitgeber und Arbeitnehmer) erhalten hat, ob es der Kündigung zustimmt oder nicht. Der Arbeitnehmer muss aber keine Stellungnahme abgeben.
Integrationsamt soll innerhalb eines Monats entscheiden
Die Entscheidung des Integrationsamtes soll innerhalb eines Monats getroffen werden (§ 171 Abs. 1 SGB IX).
Grundsätzlich kann man sagen, dass das Integrationsamt-zumindest in Berlin-recht großzügig die Anträge der Arbeitgeber auf Zustimmung zur Kündigung prüft. Wenn das Integrationsamt der Meinung ist, dass eine außerordentliche Kündigung in Betracht kommt oder für eine ordentliche Kündigung zum Beispiel betriebsbedingte Gründe vorliegen, wird das Integrationsamt keine großartigen Nachforschungen anstellen und in der Regel der Kündigung zustimmen.
Der Arbeitnehmer ist hier aber nicht rechtlos gestellt und hat die Möglichkeit dann Kündigungsschutzklage einzureichen und das Gericht prüft dann auch noch mal – und zwar erheblich genauer – den rechtlichen Schutz (nach dem Kündigungsschutzgesetz) des Arbeitnehmers.
Darf der Arbeitgeber nach der Schwerbehinderung fragen?
Der Arbeitgeber ist im bestehenden Arbeitsverhältnis berechtigt, den Arbeitnehmer nach dem Bestehen einer Schwerbehinderung zu fragen. Es steht dabei dem Arbeitnehmer zwar frei, die Frage wahrheitsgemäß zu beantworten, allerdings sollte der Arbeitnehmer in der Regel hier wahrheitsgemäß antworten, ansonsten kann sein Kündigungsschutz verwirken und er kann sich im Kündigungsschutzverfahren nicht mehr auf seine Schwerbehinderteneigenschaft berufen (Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 16.02.2012 – 6 AZR 553/10).
Rechtsanwalt Andreas Martin – Fachanwalt für Arbeitsrecht

Fristlose Kündigung wegen gefälschtem Impfausweis möglich
Fristlose Kündigung wegen gefälschtem Impfausweis möglich – Entscheidung des Arbeitsgerichts Köln
Corona und dessen Auswirkungen beschäftigen weiter die Arbeitsgerichte. Gerade die Frage der Impfung gegen das Corona-Virus nebst einrichtungsbezogener Impfpflicht ist weiter eine Thema bei vielen Arbeitsgerichten.
In einem Fall vor dem Arbeitsgericht Köln (Urteil vom 23.3.2022 – 18 Ca 6830/21) ging es aber nicht um eine Einrichtung der Gesundheitsbranche. Hier hatte eine Arbeitnehmerin gegenüber ihren Arbeitgeber einen gefälschten Impfausweis vorgelegt und so suggeriert, dass diese die entsprechenden Schutzimpfungen gegen das Corona Virus erhalten hatte. Dies war Voraussetzung, um mit Kunden des Arbeitgebers Kontakt haben zu können. Der Arbeitgeber hatte im Betrieb eine 2-G-Regelung eingeführt. Jeder Arbeitnehmer mit Kontakt zu Kunden musste von daher geimpft oder genesen sein und dies nachweisen können. Später stellte sich nach einer Abfrage der Impf-Chargen durch den Arbeitgeber heraus, dass der Impfausweis gefälscht war und die Charge, die hier im Impfausweis angeblich an die Arbeitnehmerin verimpft wurde, erst nach Ausstellung des Impfausweis verwendet wurde.
strafrechtliche Konsequenzen der Benutzung eines gefälschten Impfausweises
Über die strafrechtlichen Konsequenzen der Benutzung eines gefälschten Impfausweis hatte ich bereits Ausführungen gemacht. Die Tendenz bei den Staatsanwaltschaften geht dahin, dass man diese Sachen konsequent verfolgt und die Gerichte urteilen hier recht konsequent. Mittlerweile ist klar geregelt, dass eine solche Benutzung eines gefälschten Impfausweis strafbar ist.
außerordentliche Kündigung des Arbeitgebers
Der Arbeitgeber kündigte daraufhin das Arbeitsverhältnis außerordentlich und fristlos. Die Arbeitnehmern klagte mittels Kündigungsschutzklage gegen die Kündigung vor dem Arbeitsgericht Köln und verlor das Kündigungsschutzverfahren.
Urteil des Arbeitsgerichts Köln wegen Verwendung einer Fälschung des Impfpasses durch eine Arbeitnehmerin
Das Arbeitsgericht Köln (Urteil vom 23.3.2022 – 18 Ca 6830/21) führte dazu in seiner Urteilsbegründung aus:
Die außerordentliche fristlose Kündigung ist durch einen wichtigen Grund gerechtfertigt. Die Klägerin hat den Vorwurf, dass die Eintragungen in dem von ihr vorlegten Impfpass unzutreffend sind, nicht entkräften können.
Auch die hieraus folgende Missachtung der 2-G-Regel im Präsenzkontakt zu Kunden ist nicht nur weisungswidrig, sondern stellt auch eine erhebliche Verletzung der Verpflichtung der Klägerin zur Wahrung der Interessen der Beklagten dar. Dadurch, dass die Klägerin ihre unwahre Behauptung vollständigen Impfschutzes durch Vorlage eines falschen Impfnachweises zu belegen versucht hat, hat sie das für eine auch nur befristete Fortführung des Arbeitsverhältnisses notwendige Vertrauen verwirkt.
Der Verwertung des entsprechenden Tatsachenvortrags der Beklagten standen auch datenschutzrechtliche Vorgaben nicht entgegen. Insbesondere ist die Beklagte in Erfüllung der aus § 28b Abs. 3 IfSG a.F. folgenden Kontroll-Verpflichtung der 3-G-Regel auch zum Abgleich mit den öffentlich erhältlichen Daten der Chargenabfrage berechtigt gewesen. Denn nur so hat die Beklagte mangels Vorlage des QR-Codes sicherstellen können, dass tatsächlich der behauptete Impfstatus gegeben war.
Anmerkungen:
Wichtig ist zu wissen, dass jede arbeitsgerichtliche Entscheidung zunächst ein Einzelfall ist. Man kann solche Entscheidung nicht ohne weiteres auf alle möglichen ähnlichen Fälle übertragen. Auch ist das Arbeitsgericht Köln natürlich nicht die letzte Instanz in Arbeitsgerichtssachen. Eine Tendenz ist allerdings bei den Arbeitsgerichten erkennbar, dass man grundsätzlich pro Corona-Schutzpflichten entscheidet. Dies gilt auch für das Arbeitsgericht Berlin.
Trotzdem muss man sagen, dass sich hier die Frage stellt, ob der Arbeitgeber hier schon außerordentlich und fristlos das Arbeitsverhältnis durch Kündigung beenden kann oder ob ihm es zumutbar gewesen wäre die ordentliche Kündigungsfrist abzuwarten. Dieses ebenfalls eine Einzelfallentscheidung. Grundsätzlich ist es so, dass die Arbeitsgerichte recht hohe Anforderungen an eine außerordentliche Kündigung des Arbeitgebers haben.
Außerordentliche Kündigung
Eine außerordentliche Kündigung ist eine Kündigung ohne Einhaltung der gesetzlichen oder tarifvertraglichen Kündigungsfrist und kann sowohl vom Arbeitnehmer und auch vom Arbeitgeber ausgesprochen werden.
Mit der außerordentlichen Kündigung kann das Arbeitsverhältnis unverzüglich beendet werden (fristlose Kündigung), aber auch zu einem von der kündigenden Partei gewählten späteren Zeitpunkt (Kündigung mit Auslauffrist).
Für eine außerordentliche Kündigung muss zunächst ein wichtiger Grund vorliegen (§ 626 I BGB). Als wichtiger Grund für eine solche Kündigung ist neben der Verletzung vertraglicher Hauptpflichten auch die schuldhafte Verletzung von Nebenpflichten „an sich“ geeignet (BAG, Urteil vom 08.05.2014 – 2 AZR 249/13).
Update März 2023
Das Landesarbeitsgericht Düsseldorf, Urteil vom 7.2.2023 – 8 Sa 326/22, hat nun entschieden, dass die Vorlage eines gefälschten Impfnachweises beim Arbeitgeber auch bei neunzehnjähriger Betriebszugehörigkeit einen wichtigen Grund i.S.d. § 626 Abs. 1 BGB darstellt.
Rechtsanwalt Andreas Martin – Fachanwalt für Arbeitsrecht

Kündigung
Ein in der Praxis häufig vorkommendes arbeitsrechtliches Problem ist die Kündigung wegen fehlender Corona-Schutzimpfung.Damit hatte sich nun auch das Arbeitsgericht Berlin zu beschäftigen. Hier ging es sogar darum, dass der Arbeitgeber vor Arbeitsantritt das Arbeitsverhältnis aufgrund fehlender Corona-Impfung gekündigt hatte.
Schutzimpfung nur für bestimmte Branchen vorgeschrieben
Aufgrund der gesetzlichen Regelung nach dem Infektionsschutzgesetz ist eine solche Kündigung grundsätzlich unproblematisch möglich, wenn Personen aus der Gesundheitsbereich (einrichtungsbezogene Impfpflicht) der Impfpflicht nicht nachkommen. Der Arbeitgeber kann hier einen Nachweis der Impfung oder Genesung verlangen, wenn dieser nicht vorliegt, dann ist eine Kündigung grundsätzlich möglich, da der Arbeitgeber im Normalfall den Arbeitgeber gar nicht weiter beschäftigen darf (das Gesundheitsamt wird hier in der Regel ein Beschäftigungsverbot aussprechen). Darüber hatte ich bereits berichtet.
keine Impfpflicht für die meisten Branchen
Es gibt auch viele Fälle, wo es eben nicht um eine Arbeit geht, bei der der Arbeitnehmer gesetzlich zur Impfung verpflichtet ist. In den meisten Berufen besteht keine gesetzliche Impfpflicht gegen Corona. Eine allgemeiner Impfpflicht gibt es (noch) nicht. Ob diese überhaupt eingeführt wird, ist fraglich.
Kündigung bei fehlender Corona-Impfung
Trotzdem ist es so, dass überwiegend die Arbeitsgerichte eine Kündigung durch den Arbeitgeber dann bejahen, wenn der Arbeitnehmer aufgrund gesetzlicher Vorgaben oder aufgrund nachvollziehbarer innerbetrieblicher Regelungen nicht ungeimpft oder ungenesen im Betrieb beschäftigt werden kann.
innerbetriebliche Schutzmaßnahmen gegen Corona
Innerbetriebliche Vorgaben sind zum Beispiel die, dass der Arbeitgeber im Betrieb bestimmte Coronaschutzmaßnahmen vorschreibt, wie zum Beispiel indem er eine 2G-Regelung im Betrieb einführt.
Entscheidung des Arbeitsgerichts Berlin
Das Arbeitsgericht Berlin hatte sich nun mit einem Fall zu beschäftigen, wonach der Arbeitgeber im Betrieb eine 2G-Regelung eingeführt hatte und eine Arbeitnehmerin noch vor dem Beginn des Arbeitsverhältnisses-wegen fehlende Impfung-das Arbeitsverhältnis gekündigt wurde. Zum Zeitpunkt des Vertragsschluss wusste der Arbeitgeber nichts von der fehlenden Impfung. Die Arbeitnehmerin hatte angeboten, dass diese täglich aktuelle Corona-Test vorlegen würde. Dies reichte dem Arbeitgeber nicht, der das Arbeitsverhältnis ordentlich vor Arbeitsbeginn kündigte.
Die Arbeitnehmerin wandte auch ein, dass diese diskriminiert werde und darüber hinaus auch ein Maßregelungsverbot vorlegen. Sie erhob gegen die Kündigung eine Kündigungsschutzklage zum Arbeitsgericht Berlin.
Berliner Richter hält Kündigung des Arbeitgebers für wirksam
Das Arbeitsgericht Berlin (Urteil vom 03.02.2022, Aktenzeichen 17 Ca 11178/21) sah dies grundsätzlich anders und hielt auch die Kündigung nur aufgrund der Einführung des 2-D Modells im Betrieb für zulässig und saht auch keinen Rechtsmissbrauch. Das Arbeitsgericht entschied
Corona-Kündigung schon vor Arbeitsantritt zulässig
In seiner Pressemitteilung Nr. 03/22 vom 02.03.2022 führte das Arbeitsgericht aus:
Ein Arbeitgeber darf in einem Musicalaufführungsbetrieb ein „2G-Modell“ durchsetzen und einer Darstellerin, die über keine Corona-Schutzimpfung verfügt, noch vor Vertragsbeginn kündigen.
Zur Begründung hat das Gericht ausgeführt, dass die Kündigungen insbesondere keine Maßregelung gemäß § 612a Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) darstellen würden. Die persönliche Haltung der Klägerin zur Corona-Schutzimpfung sei nicht tragendes Motiv für den Kündigungsentschluss gewesen, sondern habe lediglich den Anlass zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses gegeben. Der Arbeitgeber könne als Ausdruck seiner unternehmerischen Entscheidungsfreiheit das „2G-Modell“ als allgemeingültiges Anforderungsprofil für alle Arbeitsplätze im Betrieb durchsetzen. Wenn dies mit der höchstpersönlichen Entscheidung der Klägerin, sich nicht impfen zu lassen, unvereinbar sei, liege keine Maßregelung vor. Der Ausschluss nicht geimpfter Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer verstoße auch nicht gegen das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG). Auch sei das „2G-Modell“ nicht willkürlich gewählt, da insbesondere das tägliche Vorlegen eines negativen Corona-Testergebnisses die Betriebsabläufe stärker beeinträchtigen und die Beschäftigung nicht geimpfter Personen aufgrund der strengeren Quarantäneregelungen ein höheres Risiko für etwaige Personalausfälle für den Musicalbetrieb darstellen würde. Die Klägerin könne nicht verlangen, dass die Arbeitgeberinnen ein Schutzkonzept umsetzen, das einen höheren Kosten- und Personalaufwand verursache, da neben der unternehmerischen Handlungsfreiheit der Arbeitgeberinnen auch die körperliche Unversehrtheit der übrigen Belegschaft zu berücksichtigen sei.
Anmerkung:
Zu beachten ist auch, dass hier ohnehin noch kein allgemeiner Kündigungsschutz bestanden hat und eine Kündigung innerhalb der Probezeit ohne Grund mit einer Zweiwochenfrist nach Arbeitsvertragsbeginn unproblematisch möglich wäre. Ein Missbrauch liegt hier nicht vor. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.
Rechtsanwalt Andreas Martin – Kanzlei Marzahn

Kündigung
Aufgrund des Krieges in der Ukraine gibt es derzeit diverse Sanktionen gegen Russland. Diese Sanktionen betreffen auch andere Bereiche, wie zum Beispiel den Sport, und nicht nur den wirtschaftlichen Bereich.
Diskriminierung durch Arbeitgeber wegen russischer Staatsangehörigkeit
In den Medien war nun von einem Fall zu hören (Bildzeitung: https://www.bild.de/regional/saarland/saarland-news/homburg-diskriminierung-familienvater-entlassen-weil-er-russe-ist-79322456.bild.html), bei dem ein russischer Familienvater durch den Arbeitgeber gekündigt wurde, da er Russe war und sozusagen stellvertretend für den russischen Staat hier vom Arbeitgeber bestraft wurde.
Kündigung wegen Herkunft oder Staatsangehörigkeit
Es stellt sich die Frage, ob eine solche Kündigung von vornherein unwirksam ist und wie sich der Arbeitnehmer am besten dagegen wehren kann. Vorab ist festzustellen, dass niemand aufgrund seiner ethnischen Herkunft benachteiligt werden darf (§ 1 AGG).
Darf man wegen der russischen Staatsangehörigkeit gekündigt werden?
Grundsätzlich ist eine Kündigung, die an die Staatsangehörigkeit des Arbeitnehmers anknüpft, nichtig. Es liegt ein Fall der Diskriminierung (Benachteiligung ohne sachlichen Grund) wegen der Ethnie vor, die gesetzlich ausdrücklich durch das allgemeine Gleichbehandlungsgesetz verboten ist (siehe „§ 1 AGG). Das AGG knüpft zwar nicht an die Staatsangehörigkeit, aber an die Rasse und ethnische Herkunft an. Es genügt, dass eine Benachteiligung allein dass die Kündigung daran anknüpft, dass der Betroffene nicht deutscher Herkunft ist (Landesarbeitsgericht Hessen, Urteil vom 15.6.2015, 16 Sa 1619/14).
Eine solche Kündigung ist wegen des Verstoßes gegen ein gesetzliches Verbot nichtig. Der Arbeitnehmer hat also gute Chancen sich gegen die Kündigung erfolgreich zu wehren.
Ist eine solche nichtige Kündigung automatisch folgenlos?
Wichtig ist zu wissen, dass es nichts nützt, wenn man nur weiß, dass die Kündigung unwirksam oder nichtig ist. Diese ist nicht automatisch deshalb gegenstandslos, da diese gegen ein gesetzliches Verbot verstößt. Der Arbeitnehmer muss zwingend eine Kündigungsschutzklage beim Arbeitsgericht gegen die Kündigung erheben.
Wie erhebe ich die Klage gegen eine Kündigung?
Innerhalb von drei Wochen muss der Arbeitnehmer Kündigungsschutzklage zum Arbeitsgericht erheben und sich gegen die Kündigung wehren. Macht er dies nicht, wird die Kündigung automatisch gemäß § 7 des Kündigungsschutzgesetzes wirksam. Das Abwarten oder das Verhandeln mit dem Arbeitgeber ist von daher fast immer kontraproduktiv. Der Arbeitnehmer sollte so schnell wie möglich-am besten über einen Fachanwalt für das Arbeitsrecht-Klage beim Arbeitsgericht einreichen. In Berlin ist das Arbeitsgericht, so zum Beispiel auch für Marzahn oder Prenzlauer Berg, das Arbeitsgericht Berlin das zuständige Gericht.
Wer muss nachweisen, dass eine Diskriminierung vorliegt?
In der Regel muss derjenige, der sich darauf beruft die Diskriminierung nachweisen. Allerdings gibt es hier auch Indizien, die Diskriminierung vermuten lassen. Beim Ausspruch einer Kündigung kommt es darauf an:
Steht in der Kündigungserklärung zum Beispiel:
„Wir kündigen Ihnen aufgrund Ihrer russischen Staatsbürgerschaft …. „, ist die Sache klar.
Hier ist die Diskriminierung schon in der Kündigungserklärung vorhanden und der Arbeitnehmer hat sehr gute Karten vor dem Arbeitsgericht. Dies dürfte aber der Ausnahmefall sein.
Ist der Fall nicht so einfach und die Diskriminierung im Streit:
Wenn das Kündigungsschutzgesetz gilt, muss grundsätzlich der Arbeitgeber zunächst den Kündigungsgrund darlegen und notfalls beweisen.
Findet das Kündigungsschutzgesetz aber keine Anwendung, dann muss der Arbeitnehmer mangels des allgemeinen Kündigungsschutzes den Kündigungsgrund darlegen und von daher auch vortragen und gegebenenfalls beweisen, dass er aufgrund seiner Herkunft diskriminiert wurde. Dies ist oft nicht ganz so einfach, da der Arbeitgeber, wenn er verklagt wird wahrscheinlich nicht mehr so offen über die Diskriminierung vor Gericht reden wird. Von daher muss der Arbeitnehmer hier durch Beweismittel, dies kann auch Zeugen sein, gegebenenfalls die Diskriminierung darlegen und nachweisen.
Rechtsanwalt Andreas Martin – Fachanwalt für Arbeitsrecht
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