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Unwiderrufliche Freistellung des Arbeitnehmers – Kündigung, Aufhebungsvertrag und Urlaub
Eine unwiderrufliche Freistellung des Arbeitnehmers erfolgt oft nach einer Kündigung oder einem Aufhebungsvertrag durch den Arbeitgeber. Viele Arbeitnehmer sind verunsichert und wissen nicht so richtig, welche Konsequenzen eine solche Freistellung hat, welche Rechte und Pflichten bestehen und ob man sich dagegen gegebenenfalls wehren kann. Dies soll hier erläutert werden.
Unwiderrufliche Freistellung des Arbeitnehmers -was bedeutet das?
Die Hauptleistungspflicht des Arbeitnehmers im Arbeitsverhältnis besteht in der Erbringung der Arbeitsleistung. Bei einer Freistellung wird die Arbeitsleistung aufgehoben, sodass der Arbeitnehmer nicht mehr dazu verpflichtet ist zu arbeiten. Bei einer unwiderruflichen Freistellung des Arbeitnehmers wird darüber hinaus durch den Arbeitgeber klargestellt, dass der Arbeitgeber den Arbeitnehmer nicht mehr in dem Betrieb zu Erbringung der Arbeitsleistung rufen kann. Die Freistellung kann also – da unwiderruflich – nicht mehr einseitig durch den Arbeitgeber rückgängig gemacht werden.
Lohnzahlung und Freistellung
Oft kommt bei einer Freistellung die Frage, ob der Arbeitgeber verpflichtet ist den Lohn an den Arbeitnehmer zu zahlen. Dabei ist zu beachten, dass sowohl bei der unwiderruflichen als auch bei der widerruflichen Freistellung die Lohnzahlungspflicht grundsätzlich besteht.
unwiderrufliche Freistellung Lohnfortzahlung
Eine Freistellung des Arbeitnehmers ohne Fortzahlung der Vergütung ist nicht einseitig durch den Arbeitgeber möglich. Hier müsste der Arbeitnehmer zustimmen, was aber nur in absoluten Ausnahmefällen denkbar wäre.
Wie erfolgt die Freistellung?
In der Regel erfolgt die Freistellung durch eine Erklärung des Arbeitgebers oder durch eine Vereinbarung zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber. So wird sehr oft in Aufhebungsverträgen vereinbart, dass der Arbeitnehmer bis zum Ende des Arbeitsverhältnisses unter Fortzahlung der Vergütung und unter Anrechnung von Überstunden und Urlaub unwiderruflich freigestellt wird.
Freistellung nach Kündigung
Kommt es zu einer ordentlichen Kündigung durch den Arbeitgeber dann wird oft durch den Arbeitgeber erklärt, dass der Arbeitnehmer bis zum Ende des Arbeitsverhältnisses freigestellt wird. Eine solche einseitige Freistellung ist grundsätzlich zulässig, sofern die Kündigungsfrist des Arbeitnehmers nicht lang ist. Bei einer langen Kündigungsfrist ist dies allerdings problematisch (LAG Hamm, Urteil vom 21.12.2007 – 11 SaGa 51/07,), da dann unter Umständen das Interesse des Arbeitnehmers seine Arbeitsleistung zu erbringen höher liegen kann als das Interesse des Arbeitgebers den Arbeitnehmer freizustellen.
Beweisbarkeit
Gerade nach einer Freistellung bei einer ordentlichen Kündigung sollte der Arbeitnehmer darauf bestehen, dass er diese schriftlich erhält. Eine mündliche Freistellung ist nicht viel wert, da sich später gegebenenfalls die Situation ergibt, in der sich Arbeitnehmer und Arbeitgeber vor dem Arbeitsgericht streiten und der Arbeitgeber einfach behauptet, dass der Arbeitnehmer unentschuldigt gefehlt hat. In einem solchen Fall ist auch kein Lohn geschuldet. Von daher ist es sehr wichtig, dass der Arbeitnehmer die Freistellung tatsächlich auch nachweisen kann. Im Zweifel sollte er vor Ort, tatsächlich seine Arbeitskraft nochmals im Beisein eines Zeugen anbieten. Dies verhindert, dass der Arbeitgeber sich später auf ein unentschuldigtes Fehlen des Arbeitnehmers berufen kann.
außerordentliche Kündigung
Nach einer außerordentlichen (fristlosen) Kündigung kommt es in der Regel nicht zu einer einseitigen Freistellung, da der Arbeitgeber ja davon ausgeht, dass das Arbeitsverhältnis aus wichtigem Grund sofort durch die fristlose Kündigung beendet wurde.
Was ist der Zweck?
Der Zweck einer Freistellung, insbesondere wenn diese einseitig durch den Arbeitgeber erfolgt, ist der, dass der Arbeitnehmer nach einer Kündigung dem Betrieb des Arbeitgebers nicht mehr betreten soll, umso gegebenenfalls Geschäftsgeheimnisse zu schützen oder um zu verhindern, dass der Arbeitnehmer Unfrieden im Betrieb verursacht. Oft geht es auch darum, dass der Arbeitgeber-gerade bei einer Kündigung aus verhaltensbedingten Gründen-ein sogenanntes Statement nach außen hin manifestieren möchte, umso den anderen Arbeitnehmern zu zeigen, dass bei bestimmten Pflichtverletzung im Betrieb grundsätzlich konsequent durchgegriffen wird.
Wann darf der Arbeitgeber freistellen?
Eine einvernehmliche Freistellung ist immer möglich. Stimmt der Arbeitnehmer einer Freistellung nicht zu, kommt nur eine einseitige Freistellung durch den Arbeitgeber in Betracht. Diese ist dann möglich, wenn das Interesse des Arbeitgebers an der Freistellung gegenüber dem Interesse des Arbeitnehmers an der Erbringung seiner Arbeitsleistung überwiegt. Bei kurzen Kündigungsfristen nach einer Kündigung geht man in der Regel davon aus, dass der Arbeitgeber freistellen darf. Es sind aber auch Fälle denkbar, bei denen bei längerer Frist nach einer Kündigung eine Freistellung zulässig ist, wenn zum Beispiel zu befürchten ist, dass der Arbeitnehmer im Betrieb Unfrieden verursacht oder zum Beispiel dienstliche Geheimnisse weiterleitet bzw. interne Informationen zum Nachteil des Arbeitgebers erlangen könnte.
Hat der Arbeitnehmer einen Anspruch auf Freistellung?
Einen Freistellungsanspruch gibt es nur dann, wenn tatsächlich die Freistellung vorher zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber vereinbart wurde. Ansonsten besteht in der Regel kein Anspruch des Arbeitnehmers auf Freistellung, egal ob widerruflich oder unwiderruflich. Der Arbeitnehmer kann die Freistellung anregen, aber kann diese nicht rechtlich durchsetzen.
Freistellung auf Wunsch des Arbeitnehmers
Der Wunsch des Arbeitnehmers nach einer Freistellung ist durchaus nachvollziehbar, da die Motivation in Bezug auf eine Weiterarbeit beim Arbeitgeber gerade nach einer Kündigung oft nicht sehr hoch bei Arbeitnehmern ist. Dies ist verständlich. Allerdings muss der Arbeitgeber dem Wunsch des Arbeitnehmers auf Freistellung nicht nachkommen. Einseitig kann sich der Arbeitnehmer nicht von der Arbeit freistellen. Erscheint der nicht zur Arbeit, erhält er kein Lohn unter hinaus besteht die Möglichkeit, dass der Arbeitgeber-gegebenfalls nach einer Abmahnung-das Arbeitsverhältnis außerordentlich und fristlos kündigt.
Freistellungsvereinbarung – was ist das?
Eine Freistellungsvereinbarung findet man als Klausel oft in Aufhebungsverträgen. Dort ist dann geregelt, dass der Arbeitnehmer unter Fortzahlung der Vergütung bis zum Ende des Arbeitsverhältnisses von seiner Arbeitsleistung freigestellt ist und dass in diesem Zeitraum Urlaub, Überstunden und Mehrarbeit durch den Arbeitgeber gewährt werden.
Was ist bei Krankheit im Freistellungszeitraum?
Wenn der Arbeitgeber den Arbeitnehmer freistellt und im Freistellungszeitraum noch nicht verbrauchten Urlaub gewähren möchte, so ist dies grundsätzlich möglich, sofern eine entsprechende Erklärung genau auflistet, welcher Urlaub in welcher Reihenfolge gewährt werden soll. Dies ist dann vor allen nicht ganz so einfach, wenn noch Resturlaub aus dem Vorjahr besteht. Da sich aber Urlaub und Krankheit grundsätzlich ausschließen, kann der Urlaub tatsächlich dann nicht in der Freistellungsphase genommen werden, wenn der Arbeitnehmer erkrankt.
Freistellungsklauseln in Arbeitsverträgen
Nicht selten findet man in Arbeitsverträgen sogenannte Klauseln, wonach der Arbeitgeber grundsätzlich den Arbeitnehmer von der Arbeitsleistung freistellen darf. Solche Freistellungsklauseln sind oft unwirksam, dass es immer auf den Einzelfall ankommt. Der Arbeitgeber kann nicht pauschal von vornherein im Arbeitsvertrag eine Freistellung vereinbaren.
Unwiderrufliche Freistellung Nachteile
Nachteile kann eine unwiderrufliche Freistellung sowohl für den Arbeitnehmer als auch für den Arbeitgeber haben.
Für den Arbeitgeber ist die Freistellung nachteilig, da er keine Arbeitsleistung vom Arbeitnehmer erhält, trotzdem aber den vollen Lohn zahlen muss. Weiter besteht die Gefahr für den Arbeitgeber, dass der Arbeitnehmer in der Freistellungsphase erkrankt und dann der Resturlaub nicht gewährt wird. Für den Arbeitnehmer kann eine lange Freistellung auch problematisch sein, insbesondere dann, wenn sich es sich um einen Beruf handelt, bei dem der Arbeitnehmer immer “up to date” sein muss und ein langes Ausscheiden bzw. Untätigkeit dazu führt, dass der Arbeitnehmer später Schwierigkeiten hat, wenn er sich um einen neuen Job bewirbt. In schnelllebigen Branchen kann dies ein Problem sein.
Bleibt der Arbeitnehmer sozialversichert bei einer Freistellung?
Der Arbeitnehmer muss keine Angst haben, wenn eine Freistellung durch den Arbeitgeber erfolgt. Das sozialversicherungsrechtliche Beschäftigungsverhältnis bleibt bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses grundsätzlich bestehen (Urteile des Bundessozialgerichts vom 24.9.2008 (– B 12 KR 22/07 R – und – B 12 KR 27/07 R). Dies führt dazu, dass auch die Mitgliedschaft in der Krankenversicherung, Rentenversicherung, Pflegeversicherung und Arbeitslosenversicherung erhalten bleibt, auch wenn der Arbeitnehmer tatsächlich gar keine Arbeitsleistung mehr bringt.
Sperre beim Arbeitslosengeld I?
Manchmal versuchen Agenturen für Arbeit die bezahlte Freistellung als freiwillige Arbeitsaufgabe zu sehen, und versuchen eine Sperrzeit zu verhängen, dies dürfte aber fast immer unzulässig sein.
Was ist mit dem Resturlaub bei unwiderrufliche Freistellung?
Wie oben bereits ausgeführt, werden Arbeitnehmer oft unwiderruflich freigestellt, um Urlaub, Überstunden oder Arbeitszeitguthaben zu gewähren, die noch bestehen. Die Gewährung von Resturlaub ist grundsätzlich in einer Freistellungsphase zulässig, sofern die Freistellung tatsächlich unwiderruflich erfolgt. Bei einer widerrufliche Freistellung kann kein Urlaub, auch kein Resturlaub, gewährt werden, denn der Arbeitnehmer kann ja jederzeit vom Arbeitgeber wieder an den Arbeitsplatz zurückgerufen werden. Von daher kann Resturlaub nur bei einer unwiderruflichen Freistellung des Arbeitnehmers gewährt werden.
Welche Rechte und Pflichten bestehen bei einer unwiderruflichen Freistellung?
Stellt der Arbeitgeber den Arbeitnehmer unwiderruflich frei, ist dieser zur Lohnfortzahlung verpflichtet.
Lohnfortzahlung
Es ist der Lohn zu zahlen, als hätte der Arbeitnehmer seine Arbeitsleistung erbracht. Die Pflicht zu Erbringung der Arbeitsleistung erlischt durch die unwiderrufliche Freistellung des Arbeitnehmers.
Wettbewerbsverbot beachten!
Der Arbeitsvertrag besteht allerdings fort, sodass auch weiterhin ein arbeitsvertragliches Wettbewerbsverbot für den Arbeitnehmer besteht. Der Arbeitnehmer darf nicht bei der Konkurrenz arbeiten.
Zwischenverdienst
Wenn er aber woanders tätig ist und Zwischenverdienst erzielt, ist dieser grundsätzlich auf den Lohn anzurechnen.
Arbeitssuche aber möglich
Manchmal kommen Arbeitnehmer auf die Idee, gerade bei langen Freistellungsphasen, sich woanders zu bewerben. Dies ist zulässig, aber das Arbeitsverhältnis besteht bis zum Ende fort. Eine Arbeit bei der Konkurrenz ist nicht erlaubt, da im bestehenden Arbeitsverhältnis ein Wettbewerbsverbot besteht.
Kündigung droht
Wichtig ist auch, dass der Arbeitgeber zum Beispiel bei Pflichtverletzung des Arbeitnehmers, insbesondere bei Verletzung des Wettbewerbsverbots während der Freistellungsphase, das Arbeitsverhältnis unter Umständen sogar außerordentlich kündigen kann.
Schadenersatzansprüche
Auch Schadensersatzansprüche können weiterhin bei Pflichtverletzungen im Arbeitsverhältnis bestehen, auch wenn diese schwierig durchsetzbar sind. Freistellung heißt eben nicht, dass das Arbeitsverhältnis beendet ist, sondern dass das Arbeitsverhältnis grundsätzlich fortbesteht, aber der Arbeitnehmer eine Arbeitspflicht nicht erbringen muss.
Rechtsanwalt Andreas Martin – Fachanwalt für Arbeitsrecht
Das Bundesarbeitsgericht (Urteil vom 10. August 2022 – 5 AZR 154/22) hatte sich am heutigen Tag (10.08.2022) erneut mit einem Fall, der die Corona-Pandemie betrifft, zu beschäftigen. Hierbei ging es um sogenannten Annahmeverzugslohn aufgrund einer Quarantäneanordnung des Arbeitgebers. Das BAG gab dem Arbeitnehmer Recht, der zu Unrecht nach eine Reise aus der Türkei für 14 Tage ohne Lohnzahlung vom Arbeitgeber nach Hause geschickt wurde.
Was ist Annahmeverzugslohn?
Einen solchen Anspruch auf Lohnzahlung wegen Annahmeverzug hat der Arbeitnehmer dann, wenn der Arbeitgeber mit der Annahme der Arbeitsleistung des Arbeitnehmers sich im Verzug befindet. Annahmeverzug ist ein Fall des Lohnanspruchs ohne Arbeit.
Über welchen Sachverhalt hatte das BAG zu entscheiden?
Der Fall des Bundesarbeitsgerichts (Urteil vom 10. August 2022 – 5 AZR 154/22) wurde zuvor vom Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg (Urteil vom 2. März 2022 – 4 Sa 644/21) entschieden. Das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg hat die Revision in der Sache zum Bundesarbeitsgericht zugelassen. Beide Gerichte entschieden zu Gunsten des “freigestellten” Arbeitnehmers.
Fall der Entscheidung
Folgender Fall lag dem zu Grunde:
Der Berliner Arbeitgeber erteilte einem Arbeitnehmer, der aus einem SARS-CoV-2-Risikogebiet (Türkei) zurückkehrt, ein 14-tägiges Betretungsverbot für das Betriebsgelände. Dabei zahlte dieser auch keinen Lohn an den Arbeitnehmer. Der Arbeitnehmer hatte bei der Rückreise nach Deutschland einen negativen PCR-Test gemacht und zudem hatte dieser auch ein ärztlichen Attests über Symptomfreiheit. Dies alles interessierte den Arbeitgeber nicht, der die Quarantäne anordnete und keinen Lohn zahlte. Der Arbeitgeber berief sich dabei auf die SARS-CoV-2-Eindämmungsmaßnahmenverordnung des Landes Berlin vom 16. Juni 2020. Diese sah nach Einreise aus einem Risikogebiet (hier Türkei) grundsätzlich eine Quarantänepflicht für einen Zeitraum von 14 Tagen vor. Allerdings sollte jedoch die Quarantänepflicht nicht für Personen gelten, die über ein ärztliches Attest nebst aktuellem Laborbefund verfügen, der ein negatives Ergebnis eines PCR-Tests ausweist, der höchstens 48 Stunden vor Einreise vorgenommen wurde, und die keine Symptome einer COVID-19-Erkrankung aufweisen. Dies traf aber für den Arbeitnehmer zu.
Der Arbeitnehmer klagte daraufhin seinen Lohn in Höhe von € 1.512,47 brutto beim Arbeitsgericht Berlin ein und gewann sowohl vor dem LAG Berlin-Brandenburg als nun auch für dem Bundesarbeitsgericht.
Entscheidung des BAG
Das Bundesarbeitsgericht führte in seiner Pressemitteilung vom 10.08.2022 zur Nummer 29/22 folgendes aus:
Das Landesarbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Die hiergegen gerichtete Revision der Beklagten hatte vor dem Fünften Senat des Bundesarbeitsgerichts keinen Erfolg. Das Berufungsgericht hat richtig erkannt, dass sich die Beklagte mit der Annahme der vom Kläger angebotenen Arbeitsleistung in Annahmeverzug befand. Das von ihr erteilte Betretungsverbot des Betriebs führte nicht zur Leistungsunfähigkeit des Klägers (§ 297 BGB), weil die Ursache der Nichterbringung der Arbeitsleistung von der Beklagten selbst gesetzt wurde. Dass ihr die Annahme der Arbeitsleistung des Klägers aufgrund der konkreten betrieblichen Umstände unzumutbar war, hat sie nicht dargelegt. Die Weisung, dem Betrieb für die Dauer von 14 Tagen ohne Fortzahlung des Arbeitsentgelts fernzubleiben, war außerdem unbillig (§ 106 GewO) und daher unwirksam. Die Beklagte hat dem Kläger nicht die Möglichkeit eröffnet, durch einen weiteren PCR-Test eine Infektion weitgehend auszuschließen. Hierdurch hätte sie den nach § 618 Abs. 1 BGB erforderlichen und angemessenen Schutz der Gesundheit der Arbeitnehmer erreichen und einen ordnungsgemäßen Betriebsablauf sicherstellen können.
Anmerkung:
Der Fall zeigt, dass nicht jede Maßnahme des Arbeitgebers im Zusammenhang mit Corona wirksam ist. Eine Quarantäneanordnung kann unter Umständen zulässig sein. Diese war es aber nicht im Fall des Klägers. Wer als Arbeitgeber ohne Augenmaß irgendwelchen Verordnungen folgt, kann durchaus das Nachsehen haben. Nach dem BAG hätte der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer nochmals die Möglichkeit geben müssen, einen weiteren PCR-Test durchzuführen. Damit wäre eine Infektionsgefahr durch den Arbeitnehmer hier minimiert worden. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass eine Freistellung ohne Entgeltfortzahlung nur für absolute Ausnahmefälle vorgesehen ist. Diese kann der Arbeitgeber nicht einfach so anordnen.
Rechtsanwalt Andreas Martin – Fachanwalt für Arbeitsrecht
Sonderurlaub bei Geburt eines Kindes – Voraussetzungen
Gerade für Väter ist der Sonderurlaub bei Geburt eines Kindes interessant. Als zukünftiger Kindesvater möchte man heutzutage bei der Geburt seines Kindes dabei sein. Es stellt sich von daher die Frage, ob der Arbeitgeber hierfür bezahlten Sonderurlaub gewähren muss oder nicht.
Was ist Sonderurlaub?
Als Sonderurlaub bezeichnet man bezahlten Urlaub bzw. eine bezahlte Freistellung des Arbeitnehmers, der zusätzlich zum normalen Erholungsurlaub von Seiten des Arbeitgebers gewährt wird. Ein solcher Urlaub kann arbeitsvertraglich vereinbart sein oder sich unter Umständen auch aus dem Gesetz ergeben. Der “normale” Urlaubsanspruch des Arbeitnehmers wird durch die Gewährung des Sonderurlaubs nicht verringert.
Vereinbarung von Sonderurlaub im Arbeitsvertrag oder Tarifvertrag
In einigen Arbeitsverträgen und auch in einigen Tarifverträgen (z.B. BAT – § 52) finden sich Regelungen über Sonderurlaub, zum Beispiel bei Umzug oder auch bei der Geburt eines Kindes oder bei der Beerdigung eines nahen Angehörigen. Der Arbeitgeber kann, muss aber hier keine Regelung im Arbeitsvertrag dazu treffen.
Auch findet man aber auch in Tarifverträgen solche Regelungen über die Gewährung des besonderen Urlaubs zu besonderen Anlässen.
Was ist, wenn es keine arbeitsvertragliche Regelung von Sonderurlaub anlässlich der Geburt meines Kindes gibt?
Interessant wird es dann, wenn sich weder im Arbeitsvertrag, noch im Tarifvertrag eine Regelung findet, wonach der Arbeitnehmer einen Anspruch auf die Gewährung von Sonderurlaub für den Tag der Geburt des Kindes erhält. Hier stellt sich dann die Frage, ob der Arbeitnehmer auch ohne ausdrückliche vertragliche Regelung einen Anspruch auf Gewährung von Sonderurlaub gegenüber dem Arbeitgeber hat. Hier gibt es eine gesetzliche Regelung, die helfen kann.
Anspruch aus § 616 BGB
In vielen Fällen kann sich ein Anspruch auf Gewährung einer Freistellung für die Niederkunft der Ehefrau aus § 616 BGB ergeben. Diese Norm regelt für bestimmte Sondersituationen (also nicht nur für den Fall der Kindesgeburt), in denen es dem Arbeitnehmer unzumutbar ist die Arbeit aufzusuchen, einen Anspruch auf Freistellung.
§ 616 BGB enthält folgende Regelung:
§ 616 Vorübergehende Verhinderung
Der zur Dienstleistung Verpflichtete wird des Anspruchs auf die Vergütung nicht dadurch verlustig, dass er für eine verhältnismäßig nicht erhebliche Zeit durch einen in seiner Person liegenden Grund ohne sein Verschulden an der Dienstleistung verhindert wird. Er muss sich jedoch den Betrag anrechnen lassen, welcher ihm für die Zeit der Verhinderung aus einer auf Grund gesetzlicher Verpflichtung bestehenden Kranken- oder Unfallversicherung zukommt.
Nach dieser Vorschrift kann der Arbeitnehmer also in der Regel einen Anspruch auf bezahlten Sonderurlaub geltend machen und die Rechtsprechung erkennt auch einen solchen Anspruch in der Regel an.
Voraussetzungen des § 616 BGB
Allgemein hat jeder Arbeitnehmer danach im Falle einer Arbeitsverhinderung gemäß § 616 BGB einen Anspruch auf bezahlte Freistellung. Der Anspruch auf bezahlte Freistellung von der Arbeit hat folgende Voraussetzungen:
-
Arbeitsverhinderung durch einen in der Person des Arbeitnehmers liegenden Grund (hier Geburtstermin der Ehefrau)
-
für eine verhältnismäßig nicht erhebliche Zeit
-
Kausalität, d.h. die Arbeit wird nur auf Grund der Arbeitsverhinderung nicht ausgeführt
-
kein Verschulden des Arbeitnehmers an der Arbeitsverhinderung.
Achtung: Der § 616 BGB darf aber nicht im Arbeitsvertrag oder durch Tarifvertrag ausgeschlossen sein.
Wie lange ist ein Anspruch auf Urlaub bei Geburt des Kindes?
In der Regel wird der Arbeitnehmer ein bis maximal zwei Tage, je nach Einzelfall, einen Anspruch auf bezahlten Urlaub haben. Dies gilt aber nur dann, wenn es sich tatsächlich um einen Arbeitstag handelt. Wenn der Arbeitnehmer ohnehin frei hat, dann bekommt er keinen Sonderurlaubsanspruch und eine Sonderzahlung.
Wann besteht kein Anspruch nach § 616 BGB?
Zu beachten ist aber, dass die Norm, die den Arbeitnehmer hier einen Sonderurlaubsanspruch gewähren kann und zwar § 616 BGB nicht immer Anwendung findet. Diese Norm kann man nämlich im Arbeitsvertrag ausschließen. Wenn also die Anwendbarkeit des § 616 BGB laut Arbeitsvertrag ausgeschlossen ist, dann besteht ein solcher Anspruch danach nicht. Wenn der Arbeitnehmer dann auch keinen anderweitigen Anspruch nach einer anderen Vorschrift hat, was im Normalfall nicht der Fall ist, kann er keinen Sonderurlaub beanspruchen. Auch in Tarifverträgen kann die Anwendbarkeit von § 616 BGB ausgeschlossen sein.
Tipp: Sie sollten anwaltlich prüfen lassen, ob im Arbeitsvertrag oder Tarifvertrag der § 616 BGB ausgeschlossen ist.
Arbeitnehmer ist von daher immer zu raten vor Abschluss des Arbeitsvertrags zu prüfen, ob ein entsprechender Ausschuss vorliegt und auch zu schauen, welche Tarifverträge auf das Arbeitsverhältnis Anwendung finden.
Wird der Sonderurlaub bezahlt?
Wenn ein Anspruch auf Freistellung/Sonderurlaub besteht dann ist dieser grundsätzlich bezahlt zu gewähren. Dies steht auch in § 616 BGB. Eine unbezahlte Freistellung ist für viele Arbeitnehmer eher nicht interessant; es sei denn, dass es keine andere Möglichkeit gibt.
Was kann man machen, wenn kein Anspruch besteht?
In diesem Fall, wenn der Arbeitnehmer also keinen Anspruch auf Freistellung gegen Bezahlung hat, dann bleibt nur die Möglichkeit, dass der Arbeitnehmer den Sonderurlaub beantragt und zwar als unbezahlte Freistellung oder dass dieser einen Tag “normalen” Urlaub nimmt.
Was passiert, wenn man als Arbeitnehmer einfach der Arbeit fernbleibt?
Wer sich als Arbeitnehmer selbst beurlaubt, muss mit einer Kündigung des Arbeitgebers rechnen. In der Regel muss der Arbeitgeber aber zuvor abmahnen. In bestimmten Fällen, in dem die Abmahnung von vornherein aussichtslos erscheint, da der Arbeitnehmer bereits erklärt habe, er werde so oder so der Arbeitsleistung nicht nachkommen, kann auch eine Kündigung sofort erfolgen ohne Abmahnung zuvor. Die vorherige Abmahnung ist aber der Normalfall.
Rechtsanwalt Andreas Martin
Urlaubsanspruch des Arbeitnehmers – ab wann besteht der volle Jahresurlaub?
Für den Arbeitnehmer ist nach Beginn des Arbeitsverhältnisses wichtig, wann er seinen kompletten Erholungsurlaub – also für das gesamte Kalenderjahr – nehmen kann. Schließlich muss der Urlaub (Familienurlaub) geplant und im Voraus gebucht werden. Von daher soll hier die Frage beantwortet werden: Voller Jahresurlaub – ab wann besteht der Anspruch?
gesetzliches Erholungsurlaub
Nach dem deutschen Arbeitsrecht hat jeder Arbeitnehmer einen gesetzlichen Urlaubsanspruch. Geregelt ist dieser gesetzliche Jahresurlaub des Arbeitnehmers im Bundesurlaubsgesetz. Das Bundesurlaubsgesetz legt den gesetzlichen Mindesturlaub zwingend fest. Dieser beträgt generell vier Wochen. Bei der 5-Tage-Woche (Montag bis Freitag) ist der Mindesturlaub also 20 Arbeitstage und bei einer 6-Tage-Woche (Montag bis Samstag) 24 Werktage. Diesen Urlaubsanspruch hat der Arbeitnehmer aber nicht sofort und kann diesen nicht gleich zu Beginn seines Arbeitsverhältnisses nehmen, sondern er muss eine bestimmte Wartezeit absolvieren, um den vollen Anspruch auf den kompletten Jahresurlaub zu erwerben. Ab wann der Arbeitnehmer den vollen Urlaubsanspruch für das komplette Jahr hat, erfahren Sie nachfolgend.
Höhe des Urlaubsanspruchs – oft Streit nach Kündigung
Streitigkeiten gibt es über den Urlaubsanspruch bzw. über eine Urlaubsabgeltung oft dann, wenn das Arbeitsverhältnis beendet ist. Vor allem, wenn keine einvernehmliche Aufhebung (z.B. durch Aufhebungsvertrag) erfolgte, sondern eine Kündigung ausgesprochen wurde. Der Arbeitgeber möchte dann meist möglichst wenig zahlen und der Arbeitnehmer den vollen Anspruch durchsetzen. Rechtlich ist dies oft aber recht klar, da nach dem Bundesurlaubsgesetz ein Abgeltungsanspruch in Bezug auf den nicht genommenen Urlaub besteht, der ein reiner Geldanspruch ist.
Wann bekommt man den vollen Jahresurlaub?
Wie oben bereits ausgeführt wurde, muss der Arbeitnehmer zunächst eine Wartezeit im bestehenden Arbeitsverhältnis absolvieren. Diese Wartezeit beginnt mit dem ersten Tag des Arbeitsverhältnisses, egal ob der Arbeitnehmer an diesem Tag arbeitet oder nicht. Die Wartezeit beträgt insgesamt 6 Monate. Nach Ablauf dieser sechs Monate hatte Arbeitnehmer einen gesetzlichen Anspruch auf den kompletten Jahresurlaub. Geregelt ist dies in § 4 des Bundesurlaubsgesetzes.
Dort heißt es:
§ 4 Bundesurlaubsgesetz minus Wartezeit
Der volle Urlaubsanspruch wird erstmalig nach sechsmonatigen Bestehen des Arbeitsverhältnisses erworben.
Beispiel zur Wartezeit nach dem Bundesurlaubsgesetz:
Arbeitnehmer und Arbeitgeber schließen einen Arbeitsvertrag, wonach das Arbeitsverhältnis zum 1.1.2023 begründet wird. Im Arbeitsvertrag ist nichts zum Urlaub geregelt. Der Arbeitnehmer soll in einer 5-Tage-Woche arbeiten. Der Arbeitnehmer ist die erste Woche krank und beginnt von daher die Arbeit erst eine Woche später.
Am 1.7.2023 möchte er nun vom Arbeitgeber seinen Erholungsurlaub und zwar 20 Arbeitstage. Der Arbeitgeber steht auf dem Standpunkt, dass die sechs Monate an Wartezeit noch nicht vorbei sind, da der Arbeitnehmer ja eine Woche krank war.
Ergebnis: Der Arbeitnehmer hat Recht, es kommt nicht darauf an, ob bereits ab dem 1.1.2023 die Arbeitsleistung erbracht wurde, sondern auf den rechtlichen Beginn des Arbeitsverhältnisses und dies war der 1. Januar 2021. Von daher ist die Wartezeit mit Ablauf des 30.6.2023 abgelaufen und ab dem 1.7.2023 kann der Arbeitnehmer seinen den Urlaub in Anspruch nehmen.
Was passiert, wenn die sechs Monate noch nicht rum sind?
Es ist nicht so, dass der Arbeitnehmer vor Ablauf dieser Wartezeit keinen Urlaubsanspruch hat. Er hat nur keinen vollen Erholungsurlaubsanspruch. Dies ist ein Unterschied. Bis zum Ablauf der Wartezeit von sechs Monaten hat der Arbeitnehmer einen Teilurlaubsanspruch. Er kann also nur einen Teil seines Urlaubs beanspruchen. Dazu muss er aber wenigstens einen vollen Monat im Beschäftigungsverhältnis stehen. Im Übrigen besteht der Urlaubsanspruch auch bei Krankheit und in der Elternzeit. Allerdings besteht in der Elternzeit ein Kürzungsanspruch des Arbeitgebers.
Beispiel: Der Arbeitnehmer beginnt aufgrund seines Arbeitsvertrages das Arbeitsverhältnis am 1.1.2023. Am 1. Mai 2023 möchte er Urlaub nehmen. Im Arbeitsvertrag ist im Bezug auf die Höhe des Urlaubs nichts geregelt und der Arbeitnehmer arbeitet in einer 5-Tage-Woche. Er stellt sich die Frage, wie viel Urlaub er nehmen kann?
Antwort: Im Mai 2023 bestand das Arbeitsverhältnis vier volle Monate. Der Mindesturlaubsanspruch des Arbeitnehmers nach dem Bundesurlaubsgesetz beträgt bei der 5-Tage-Woche insgesamt 20 Arbeitstage (4 Wochen). Dies wäre der volle Jahresurlaub. Da der Arbeitnehmer aber noch nicht die sechs Monate Wartezeit absolviert hat, besteht nur ein Teilurlaubsanspruch.. Rechnerisch hat der Arbeitnehmer also einen Anspruch auf den Urlaub, den er innerhalb von vier Monaten als Teilurlaub erworben hat. Dies sind 6,66 Urlaubstage (20 ./. 12 × 4). Da man aber keine Bruchteile von Urlaubstagen nehmen kann, wird nach § 5 Abs. 2 des Bundesurlaubsgesetzes eine Aufrundung vorgenommen und zwar bei Urlaubstagen, die wenigstens einen halben Tag ergeben sind diese auf volle Urlaubstage auf zu runden und von daher besteht ein Anspruch auf sieben Tage Erholungsurlaub.
Wie ist die Rechtslage, wenn man nicht von Anfang des Jahres, sondern im Laufe des Jahres das Arbeitsverhältnis beginnt?
Auch hier kommt es darauf an, dass man innerhalb des Jahres die sechs Monate an Wartezeit absolviert. Wenn dies bis zum Jahresende nicht mehr möglich ist, dann entsteht der volle Jahresurlaub nicht, sondern nur Teilurlaub. Dazu unten mehr.
Wenn aber der Arbeitnehmer noch bis zum Jahresende die sechs Monate Wartezeit ableisten kann, dann entsteht für ihn auch der volle Jahresurlaubsanspruch. Dabei ist es egal, ob er am Jahresanfang das Arbeitsverhältnis begründet hat oder nicht. Man kann sich merken, dass wenn das Arbeitsverhältnis in der 1. Jahreshälfte begründet wurde, die Wartezeit von 6 Monaten für den vollen Erholungsjahresurlaub noch erfüllt werden kann.
Beispiel: Der Arbeitnehmer beginnt ein Arbeitsverhältnis am 1. März 2023. Er fragt sich, wann er einen Anspruch auf seinen Erholungsurlaub hat?
Ergebnis: Den Anspruch hat er dann, wenn die sechs Monate rum sind. Dies ist am 1. Oktober 2023 der Fall, da mit Ablauf des 30. September 2023 die Wartezeit erfüllt ist. Es kommt dabei nicht darauf an, ob der Arbeitnehmer das Arbeitsverhältnis am Jahresanfang begründet hat oder nicht. Es müssen nur die sechs Monate Wartezeit bis zum Jahresende rum sein.
Was ist, wenn der Arbeitnehmer die Wartezeit von sechs Monaten nicht mehr im Jahr erfüllen kann?
Wenn der Arbeitnehmer bis zum Jahresende die Wartezeit von sechs Monaten nicht mehr füllen kann, da er zum Beispiel in der zweiten Jahreshälfte das Arbeitsverhältnis beginnt, dann kann nur Teilurlaub gewährt werden und der volle Jahresurlaub entsteht in diesem Kalenderjahr noch nicht.
Beispiel: Der Arbeitnehmer beginnt am 1.7.2023 das Arbeitsverhältnis. Er würde gern über Weihnachten seinen Urlaubsanspruch im laufenden Kalenderjahr nehmen. Ist dies möglich?
Antwort: Nein, da bis zum Ende des Jahres, also bis zum 31.12.2023 die sechs Monate noch nicht abgelaufen sind. Diese laufen am letzten Tag des Jahres ab, allerdings entsteht dann erst am nächsten Tag der volle Urlaub und dies ist ja nicht mehr im Jahr 2023, und von daher besteht hier nur ein Teil Urlaubsanspruch.
Hinweis: wenn also das Arbeitsverhältnis in der zweiten Jahreshälfte, also ab dem 1.7.2021 begründet wurde, kann der Arbeitnehmer keinen vollen Jahresurlaub mehr erwerben.
Was ist, wenn der Arbeitnehmer nach erfüllter Wartezeit in der zweiten Jahreshälfte ausscheidet?
Wenn der Arbeitnehmer nach erfüllter Wartezeit von 6 Monaten in der zweiten Jahreshälfte zum Beispiel durch Kündigung des Arbeitgebers oder eigene Kündigng, aus dem Arbeitsverhältnis ausscheidet oder aus anderen Gründen das Arbeitsverhältnis beendet wird, dann hat der Arbeitnehmer den Anspruch auf den vollen Jahresurlaub. Dies wird in der Praxis oft übersehen. Der Arbeitnehmer hat also nicht nur ein Teilurlaubsanspruch, berechnet bis zum Tag des Ausscheidens, sondern den Anspruch auf den vollen Jahresurlaub.
Beispiel: Der Arbeitnehmer arbeitet seit dem 1.1.2022 beim Arbeitgeber. Im Jahr 2023 geraten die Parteien im Streit und der Arbeitgeber kündigt das Arbeitsverhältnis des Arbeitnehmers zum 31. Juli 2023. Im Arbeitsvertrag ist geregelt, dass der Mindesturlaub einer 5-Tage-Woche zu gewähren ist, also 20 Tage. Der Arbeitnehmer möchte nun 20 Tage an Urlaub haben, da er in der zweiten Jahreshälfte nach erfüllter Wartezeit ausgeschieden ist, aber der Arbeitgeber meint, dass nur Teilurlaub, also berechnet bis zum 31. Oktober 2023 dem Arbeitnehmer als Urlaubsabgeltung zusteht.
Ergebnis: Der Arbeitnehmer hat Recht. Wer in der zweiten Jahreshälfte nach erfüllter Wartezeit als Arbeitnehmer ausscheidet, hat einen Anspruch auf den Jahreserholungsurlaub.
Abgeltungsanspruch des Urlaubs
Wenn der Urlaub nicht mehr gewährt werden kann, da zum Beispiel das Arbeitsverhältnis bereits vor Urlaubsgewährung beendet wurde und der Arbeitnehmer aus persönlichen oder betrieblichen Gründen Urlaub nicht nehmen konnte, dann wandelt sich dieser Anspruch in ein Abgeltungsanspruch, in allen also einen reinen Geldanspruch um. Anders als der Arbeitgeber dies meint, ist der Urlaub des Arbeitnehmers auch nicht runter zu rechnen auf sieben volle Monate, da er ja zum 31.7.2023 ausgeschieden ist. Es ist egal, dass der Arbeitnehmer nicht mehr bis zum Jahresende gearbeitet hat. Eine Abgeltung heißt, dass der übrig gebliebene Erholungsurlaub in Geld ausgezahlt wird. Dies geht aber im bestehenden Arbeitsverhältnis nicht. Der Arbeitsvertrag muss beendet sein.
keine doppelten Urlaubsansprüche
Der Arbeitnehmer bekommt den Urlaub aber nicht doppelt, wenn er woanders arbeitet. Findet der Arbeitnehmer zum Beispiel dann ab August Arbeit bei einem anderen Arbeitnehmer, so hat er dort keinen Urlaubsanspruch für das Jahr 2020 mehr. Dafür gibt es eine Urlaubsbescheinigung, die dem Arbeitnehmer in der Regel bescheinigen soll, wie viel Urlaub er bereits gewährt bekommen hat.
Kann man sich den Urlaub auszahlen lassen?
Den Urlaub kann man sich im bestehenden Arbeitsverhältnis nicht auszahlen lassen. Es besteht nur ein Anspruch auf Gewährung des Urlaubs. Sinn und Zweck dieser gesetzlichen Regelung ist die, dass der Urlaub der Erholung dienen soll. Wenn allerdings der Urlaub nicht mehr im Arbeitsverhältnis genommen werden kann, da dieses zum Beispiel schon beendet ist oder der Arbeitnehmer krank war, dann besteht nach Ende des Arbeitsverhältnisses ein Abgeltungsanspruch, also ein Geldanspruch.
Hat man schon während der Probezeit einen Urlaubsanspruch?
Auch während der Probezeit, die in der Regel sechs Monate beträgt, entsteht der Urlaubsanspruch. Allerdings kann nie der volle Urlaubsanspruch entstehen, da hierfür ja das Arbeitsverhältnis länger als sechs Monate bestehen muss. Theoretisch wäre nur dann ein voller Urlaubsanspruch denkbar, wenn die Probezeit ausnahmsweise mehr als sechs Monate betragen würde, was in der Praxis aber sehr selten vorkommt und rechtlich auch schwierig durchsetzbar ist.
Teilurlaub
Von daher besteht in der Probezeit in fast allen Fällen nur ein Teilurlaubsanspruch des Arbeitnehmers. Um einen Teilurlaubsanspruch zu erwerben, muss der Arbeitnehmer wenigstens einen vollen Monat gearbeitet haben.
Darf während der Probezeit kein Urlaub genommen werden?
Unabhängig von der Frage, ob der volle Jahresurlaub entstehen kann, was ja oben bereits ausgeführt wurde und nicht der Fall ist, stellt sich die Frage, ob man schon Urlaub während der Probezeit nehmen kann. Dies sind zwei verschiedene Aspekte.
Grundsätzlich hat der Arbeitnehmer auch während der Probezeit schon einen Anspruch auf Gewährung von Teilurlaub gegenüber dem Arbeitgeber. Es ist also falsch, wenn manche Arbeitgeber meinen, dass in der Probezeit kein Urlaubsanspruch besteht. Das Bundesurlaubsgesetz differenziert hier nicht nach einer bestehende Probezeit oder ob das Arbeitsverhältnis mit oder ohne Probezeit begründet wurde.
Der Teilurlaubsanspruch in der Probezeit ist auch nicht schwer zu berechnen. Pro vollen Monat besteht 1/12 des Jahresurlaubsanspruchs.
Beispiel: Der Arbeitnehmer beginnt am 1.02.2021 beim Arbeitgeber. Eine Probezeit von 6 Monaten ist vereinbart (dies spielt aber keine große Rolle). Der Jahresurlaub beträgt 24 Arbeitstage. Am 2.06.2021 möchte der Arbeitnehmer gern Urlaub haben und fragt sich wie viele Tag er bekommen könnte.
Ergebnis: Zum 2.06.2021 ist der Arbeitnehmer 4 volle Monate dabei. Da noch keine 6 Monate um sind, besteht noch kein voller Jahresurlaubsanspruch, aber immerhin ein Teilurlaubsanspruch von ingesamt 6 Arbeitstagen (24 ./.4).
Ob allerdings es sinnvoll ist für den Arbeitnehmer der in der Probezeit ja meist unproblematisch ohne Kündigungsgrund gekündigt werden kann, schon Urlaub zu nehmen entgegen den Willen des Arbeitgebers, ist eine andere Frage.
Was ist mit dem Urlaub bei Beendigung des Arbeitsverhältnis durch Kündigung des Arbeitgebers?
Wird das Arbeitsverhältnis durch eine Kündigung beendet, kommt es oft vor, dass der Arbeitgeber den Arbeitnehmer unwiderruflich von der Arbeitsleistung frei stellt und dies unter Anrechnung von Urlaub und Überstunden macht. Eine solche Regelung ist grundsätzlich möglich, allerdings sind strenge Anforderungen eine solche Formulierung zu stellen, die oft von Arbeitgebern falsch erstellt wird.
Es muss genau klar sein, im welchen Zeitraum hier welcher Urlaub gewährt wird. Problematisch ist dies vor allem dann, wenn der Arbeitnehmer noch Resturlaub aus dem Vorjahr hat und von daher nicht klar ist, ob zunächst der Resturlaub und dann der laufende Urlaub oder in welcher Reihenfolge auch immer, der Urlaub gewährt werden soll.
unwiderrufliche Freistellung bei Kündigung
Grundsätzlich ist es aber möglich bei Kündigung freizustellen und den Urlaub zu gewähren, wobei allerdings dies nur möglich ist, wenn die Freistellung unwiderruflich erfolgt. In der Regel legt die Rechtsprechung aber eine Freistellung als unwiderruflich aus, wenn Urlaub in diesem Zeitraum durch dem Arbeitnehmer beansprucht werden soll, der ansonsten der Arbeitgeber ja den Arbeitnehmer aus den Urlaub jederzeit durch den Widerruf der Freistellung zurück zur Arbeitsaufnahme rufen könnte, was nicht zulässig wäre.
Auszahlung von Urlaub nach Ende des Arbeitsvertrags
Wenn allerdings der komplette Urlaub nicht in der Freistellungsphase gewährt werden kann oder der Urlaub länger ist als die Freistellungsphase, dann ist es ja nicht mehr möglich, dass der Arbeitnehmer den Urlaub noch vor Ende des Arbeitsverhältnisses nimmt. In diesem Fall sieht das Gesetz vor, dass sich der Anspruch auf Gewährung von Erholungsurlaub umwandelt mit Ende des Arbeitsverhältnisses in einen Abgeltungsanspruch. Nur dann kann der Arbeitnehmer eine Abgeltung des Urlaubs verlangen und nicht vorher.
Allerdings ist zu beachten, dass die Urlaubsabgeltung unter Umständen problematisch ist, wenn der Arbeitnehmer nahtlos an das Ende des Arbeitsverhältnis ALG I erhält. Hier kann der Anspruch auf die Agentur für Arbeit übergehen.
Wie wird die Urlaubsabgeltung berechnet?
Die Berechnung der Urlaubsabgeltung ist nicht so schwierig. Wichtig ist, dass man zunächst klären muss, ob der Arbeitnehmer in einer 5 -Tage- oder zum Beispiel einer 6-Tage-Woche tätig war. Hier ist nämlich der gesetzliche Mindesturlaub unterschiedlich hoch. Auch dies ist nicht schwierig zu verstehen, denn dem Bundesurlaubsgesetz liegt das Ziel zugrunde, dass jeder Arbeitnehmer wenigstens vier Wochen an Mindesturlaub erhalten soll.
4 Wochen an Mindesturlaub
Der Arbeitnehmer, der in einer 5-Tage-Woche arbeitet, braucht genau 20 Arbeitstage, um vier Wochen Urlaub zu haben. Der Arbeitnehmer, der in einer 6-Tage-Woche arbeitet, benötigt 24 Tage, um vier Wochen frei zu haben. Beide haben also faktisch auch vier Wochen dann Mindesturlaub.
5-Tage-Woche
Bei der 5-Tage-Woche mit unterschiedlich hohen Einkommen berechnet sich der ab Geltungsanspruch wie folgt:
Das Einkommen der letzten 13 Wochen/65 mal Anzahl der Urlaubstage
Beispiel: Dr Arbeitnehmer hatte in den letzten 13 Wochen insgesamt 6.500 € an Bruttoeinkommen und hat noch zehn Tage an Urlaub abzugelten.
Hier würde sich der Urlaubsabgeltungsanspruch auf 1.000 € belaufen (6500/65 × 10).
Wenn der Arbeitnehmer ein Gehalt bekommen, also sich das Einkommen monatlich nicht ändert, ist die Berechnung noch einfacher.
Man rechnet dann das dreifache Bruttomonatseinkommen ./. 65 mal Anzahl der Urlaubstage.
Urlaubsabgeltung – Berechnungsformel bei 6-Tage-Woche
Bei einer 6-Tage-Woche dividiert man mit dem Faktor 78.
Die Berechnungsformel lautet also:
Bruttoeinkommen der letzten 13 Wochen ./. 78 mal Anzahl der Urlaubstage
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