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Das Bundesarbeitsgericht (Urteil vom 10. August 2022 – 5 AZR 154/22) hatte sich am heutigen Tag (10.08.2022) erneut mit einem Fall, der die Corona-Pandemie betrifft, zu beschäftigen. Hierbei ging es um sogenannten Annahmeverzugslohn aufgrund einer Quarantäneanordnung des Arbeitgebers. Das BAG gab dem Arbeitnehmer Recht, der zu Unrecht nach eine Reise aus der Türkei für 14 Tage ohne Lohnzahlung vom Arbeitgeber nach Hause geschickt wurde.
Was ist Annahmeverzugslohn?
Einen solchen Anspruch auf Lohnzahlung wegen Annahmeverzug hat der Arbeitnehmer dann, wenn der Arbeitgeber mit der Annahme der Arbeitsleistung des Arbeitnehmers sich im Verzug befindet. Annahmeverzug ist ein Fall des Lohnanspruchs ohne Arbeit.
Über welchen Sachverhalt hatte das BAG zu entscheiden?
Der Fall des Bundesarbeitsgerichts (Urteil vom 10. August 2022 – 5 AZR 154/22) wurde zuvor vom Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg (Urteil vom 2. März 2022 – 4 Sa 644/21) entschieden. Das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg hat die Revision in der Sache zum Bundesarbeitsgericht zugelassen. Beide Gerichte entschieden zu Gunsten des “freigestellten” Arbeitnehmers.
Fall der Entscheidung
Folgender Fall lag dem zu Grunde:
Der Berliner Arbeitgeber erteilte einem Arbeitnehmer, der aus einem SARS-CoV-2-Risikogebiet (Türkei) zurückkehrt, ein 14-tägiges Betretungsverbot für das Betriebsgelände. Dabei zahlte dieser auch keinen Lohn an den Arbeitnehmer. Der Arbeitnehmer hatte bei der Rückreise nach Deutschland einen negativen PCR-Test gemacht und zudem hatte dieser auch ein ärztlichen Attests über Symptomfreiheit. Dies alles interessierte den Arbeitgeber nicht, der die Quarantäne anordnete und keinen Lohn zahlte. Der Arbeitgeber berief sich dabei auf die SARS-CoV-2-Eindämmungsmaßnahmenverordnung des Landes Berlin vom 16. Juni 2020. Diese sah nach Einreise aus einem Risikogebiet (hier Türkei) grundsätzlich eine Quarantänepflicht für einen Zeitraum von 14 Tagen vor. Allerdings sollte jedoch die Quarantänepflicht nicht für Personen gelten, die über ein ärztliches Attest nebst aktuellem Laborbefund verfügen, der ein negatives Ergebnis eines PCR-Tests ausweist, der höchstens 48 Stunden vor Einreise vorgenommen wurde, und die keine Symptome einer COVID-19-Erkrankung aufweisen. Dies traf aber für den Arbeitnehmer zu.
Der Arbeitnehmer klagte daraufhin seinen Lohn in Höhe von € 1.512,47 brutto beim Arbeitsgericht Berlin ein und gewann sowohl vor dem LAG Berlin-Brandenburg als nun auch für dem Bundesarbeitsgericht.
Entscheidung des BAG
Das Bundesarbeitsgericht führte in seiner Pressemitteilung vom 10.08.2022 zur Nummer 29/22 folgendes aus:
Das Landesarbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Die hiergegen gerichtete Revision der Beklagten hatte vor dem Fünften Senat des Bundesarbeitsgerichts keinen Erfolg. Das Berufungsgericht hat richtig erkannt, dass sich die Beklagte mit der Annahme der vom Kläger angebotenen Arbeitsleistung in Annahmeverzug befand. Das von ihr erteilte Betretungsverbot des Betriebs führte nicht zur Leistungsunfähigkeit des Klägers (§ 297 BGB), weil die Ursache der Nichterbringung der Arbeitsleistung von der Beklagten selbst gesetzt wurde. Dass ihr die Annahme der Arbeitsleistung des Klägers aufgrund der konkreten betrieblichen Umstände unzumutbar war, hat sie nicht dargelegt. Die Weisung, dem Betrieb für die Dauer von 14 Tagen ohne Fortzahlung des Arbeitsentgelts fernzubleiben, war außerdem unbillig (§ 106 GewO) und daher unwirksam. Die Beklagte hat dem Kläger nicht die Möglichkeit eröffnet, durch einen weiteren PCR-Test eine Infektion weitgehend auszuschließen. Hierdurch hätte sie den nach § 618 Abs. 1 BGB erforderlichen und angemessenen Schutz der Gesundheit der Arbeitnehmer erreichen und einen ordnungsgemäßen Betriebsablauf sicherstellen können.
Anmerkung:
Der Fall zeigt, dass nicht jede Maßnahme des Arbeitgebers im Zusammenhang mit Corona wirksam ist. Eine Quarantäneanordnung kann unter Umständen zulässig sein. Diese war es aber nicht im Fall des Klägers. Wer als Arbeitgeber ohne Augenmaß irgendwelchen Verordnungen folgt, kann durchaus das Nachsehen haben. Nach dem BAG hätte der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer nochmals die Möglichkeit geben müssen, einen weiteren PCR-Test durchzuführen. Damit wäre eine Infektionsgefahr durch den Arbeitnehmer hier minimiert worden. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass eine Freistellung ohne Entgeltfortzahlung nur für absolute Ausnahmefälle vorgesehen ist. Diese kann der Arbeitgeber nicht einfach so anordnen.
Rechtsanwalt Andreas Martin – Fachanwalt für Arbeitsrecht
Arbeitgeber muss umgeimpfte Pfleger nicht beschäftigen!
Das Arbeitsgericht Gießen hat nun entschieden, dass der Arbeitgeber grundsätzlich berechtigt ist ungeimpfte Pfleger freizustellen. Über die Frage, ob der Arbeitgeber diese in der Freistellungsphase bezahlen muss, wurde nicht entschieden. Dazu muss man sagen, dass eine unbezahlte Freistellung eigentlich recht schwierig ist. Es ging hier um eine einstweilige Verfügung.
Dazu kurz folgender Hinweis:
Ab dem 16.3.2022 gilt die sog. einrichtungsbezogene Impfpflicht. Über die Impfpflicht in der Gesundheitsbranche hatte ich bereits berichtet. Ab diesen Tag dürften Arbeitgeber in der Pflege- und Gesundheitsbranche keine Arbeitnehmer ohne aktuelle Corona-Imfpung / Genesung mehr beschäftigen. Geregelt ist dies in § 20 a des Infektionsschutzgesetzes. Arbeitgeber dürfen und müssen sogar ausdrücklich im Vorstellugnsgespräch nach einer Impfung / Genesung nebst Nachweisen fragen und die Vorlage eines gültigen, aktuellen Imfpausweises als Beschäftigungsvoraussetzung verlangen.
gesetzliche Impfpflicht in der Gesundheitsbranche und bei Pflegern
Hierbei handelt es sich nicht um eine mit Zwangsmitteln durchsetzbare Pflicht zur Impfung von Arbeitnehmers, sondern lediglich um eine mittelbare Impfverpflichtung, indem Personen, die in geschützten Einrichtungen – insbesondere Krankenhäusern, Arztpraxen, Betreuungseinrichtungen, Altenheime und Einrichtungen des Gesundheitswesens – tätig sind, gegen das SARS-CoV2-Virus geimpft oder von einer Infektion mit dem Virus genesen sein und dies nachweisen müssen.
einrichtungsbezogene Impfpflicht
Die einrichtungsbezogene Impfpflicht ist derzeit ein Thema, dass diverse Arbeitsgerichte beschäftigt. Nach dem Infektionsschutzgesetz muss der Arbeitgeber alle ungeimpfte Alt-Pfleger (welche bereits vor dem 16.03.2022 in der Einrichtung tätig waren) dem Gesundheitsamt mitteilen. Der Arbeitnehmer musste dem Arbeitgeber einen Nachweis bis zum 15. März 2022 über eine Impfung oder eine Genesung oder ein ärztliches Attest über ein “Impfverbot” vorlegen. Falls dies nicht erfolgte, hatte die Leitung des jeweiligen Unternehmens unverzüglich das Gesundheitsamt zu benachrichtigen (vgl. § 20a Abs. 2 Satz 2 IfSG). Bestehen Zweifel an der Echtheit oder der inhaltlichen Richtigkeit des Impfzertifikates muss der Arbeitgeber ebenfalls das Gesundheitsamt benachrichtigen.
In der Regel wird das Gesundheitsamt sodann ein Beschäftigungsverbot aussprechen. Der Arbeitgeber darf dann den Arbeitnehmer nicht mehr beschäftigen und dieser hat auch keinen Lohnanspruch mehr. Im hiesigen Fall war allerdings es so, dass der Arbeitgeber selbst tätig geworden ist und sich weigerte die Arbeitnehmer zu beschäftigen und diese von der Arbeitspflicht unbezahlt freistellte.
Pflegeheim stellte die Pfleger unbezahlt frei
Die Arbeitnehmer waren schon einige Jahre in einem Pflegeheim tätig und hatten keinen Impf- oder Genesenen-Nachweis dem Arbeitgeber vorgelegt. Dieser stellte die Arbeitnehmer daraufhin unbezahlt frei. Die beiden Arbeitnehmer hielten die Freistellung für rechtswidrig und wandten sich daraufhin mittels einstweilige Verfügung an das Arbeitsgericht Gießen und wollten eine Beschäftigung im Seniorenheim erreichen.
Beschluss des Arbeitsgericht Gießen – Arbeitgeber muss umgeimpfte Pfleger nicht beschäftigen!
Das Arbeitsgericht Gießen (Beschluss vom 12.4.2022 – 5 Ga 1/22) wies die Eilanträge der Pfleger ab und führte dazu in der Pressemitteilung vom 12.04.2022 (Nr. 1/22) aus:
Zwar sehe § 20 a Abs. Abs.3 Satz 4 IfSG unmittelbar ein Beschäftigungsverbot im Falle der Nichtvorlage eines Impf- oder Genesenennachweises nur für ab dem 16. März 2022 neu eingestellte Personen, nicht aber für bislang schon beschäftigte Personen vor. Dennoch stehe es der Arbeitgeberin unter Zugrundelegung der gesetzlichen Wertungen des § 20 a IfSG im Rahmen billigen Ermessens frei, im Hinblick auf das besondere Schutzbedürfnis der Bewohnerinnen und Bewohner eines Seniorenheims Beschäftigte, die weder geimpft noch genesen sind und der Pflicht zur Vorlage eines Impf- oder Genesenennachweises nicht nachkommen, von der Arbeitsleistung freizustellen. Gegenüber dem Interesse der Beschäftigten an der Ausübung ihrer Tätigkeit überwiege insofern das Interesse der Bewohnerinnen und Bewohner an deren Gesundheitsschutz.
Die Frage ob die Vergütung für die Zeit der Freistellung fortzuzahlen ist, war nicht Gegenstand der vorliegenden einstweiligen Verfügungsverfahren.
Die Entscheidung ist noch nicht rechtskräftig. Gegen das Urteil ist die Berufung zum LAG Köln möglich.
Anmerkung zur Entscheidung
Die beiden Pfleger haben sich letztendlich nur gegen die Freistellung gewehrt und auf Beschäftigung geklagt. Interessant wäre die Frage, ob der Arbeitgeber tatsächlich die beiden Arbeitnehmer unbezahlt freistellen durfte oder ob er gegebenenfalls trotzdem den Lohn fortzahlen muss. Wahrscheinlich wird dies in einem Folgeprozess geklärt. Anders wäre dies beim behördlichen Beschäftigungsverbot. Hier muss der Arbeitgeber keinen Lohn zahlen und darf den Arbeitnehmer auch nicht beschäftigen. Weshalb der Arbeitgeber nicht über das Gesundheitsamt vorgegangen ist, ist nicht klar und zeigt, dass viele Arbeitgeber oft gar nicht so genau wissen, was im Gesetz steht.
Im Gespräch mit Mandanten zum Arbeitsrecht fällt auf das Wort “Minusstunden“, auch im Zusammenhang mit dem Arbeitszeitkontingent, dass der Arbeitnehmer regelmäßig abzuarbeiten hat.
Minusstunden und Arbeitszeitkonto
Hier spielen Begriffe, wie regelmäßige Arbeitszeit und Zeitarbeitskonto eine Rolle. Schon jetzt soll ausgeführt werden, dass dies nicht das Gleiche ist. Viele Arbeitnehmer wissen nicht, dass Minusstunden nicht so einfach entstehen können. In der Regel ist dafür ein vereinbartes Arbeitszeitkonto notwendig. Hier soll kurz auf die Frage eingegangen werden, ob Minusstunden angeordnet und gegebenenfalls nachgearbeitet oder sogar vom Lohn abgezogen werden können. Dies alles auch im Hinblick auf die Corona-Pandemie mit entsprechender Anordnung von Kurzarbeit. Hier stellen sich noch zusätzliche Probleme.
Was sind Minusstunden?
Minusstunden fallen für den Arbeitnehmer an, wenn ein Arbeitszeitkonto wirksam vereinbart ist und geführt wird und ein Arbeitnehmer weniger arbeitet, als vertraglich vereinbart wurde.
Beispiel:
Im Arbeitsvertrag findet sich eine wirksame Regelung über die Führung eines Arbeitszeitkontos. Die regelmäßige, wöchentliche Arbeitszeit ist mit 40 Stunden angegeben. Arbeitet der Arbeitnehmer hier nur 20 h pro Woche, dann fallen 20 Minusstunden an, wenn der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer aber trotztdem die vollen 40 h bezahlt.
Eine solche Regelung könnte lauten:
“Die regelmäßige Arbeitszeit beträgt 40 Stunden pro Woche. Nach dieser Stundenanzahl richtet sich die monatliche Vergütung. Die tatsächliche Arbeitszeit kann innerhalb des in der Anlage A1 zu diesem Arbeitsvertrag festgelegten Rahmens des Arbeitzeitkontos variieren (Arbeitszeitkontenabrede).”
Anmerkung: In der Anlage A1 würde man dann die Vereinbarung eines Arbeitszeitkontos finden.
Gibt es Minusstunden, wenn kein Arbeitszeitkonto vereinbart wurde?
Nein, Minusstunden setzen immer voraus, dass ein wirksames Arbeitszeitkonto zwischen Arbeitnehmern Arbeitgeber vereinbart wurde. Dieses kann sich im Arbeitsvertrag oder auch im Tarifvertrag befinden. Fast immer gibt es in der Zeitarbeit ein Arbeitszeitkonto in den anwendbaren Tarifverträgen (BAP/ iGZ). Im normalen Arbeitsverhältnis – ohne vereinbartes Arbeitszeitkonto – kann es keine Minusstunden geben.
Beispiel:
Im Arbeitsvertrag steht zur Arbeitszeit nur:
„Die regelmäßige Arbeitszeit beträgt 40 Stunden pro Woche. Pausen gelten nicht als Arbeitszeit. Die Lage der Arbeitszeit richtet sich nach den betrieblichen Erfordernissen und wird vom Arbeitgeber angeordnet.“
Wenn es auch keinen Tarifvertrag gibt, der kein Arbeitszeitkonto anordnet, dann können in einem solchen Arbeitsverhältnis keine Minusstunden entstehen. Dies betrifft die meisten Arbeitsverhältnisse. Der Normalfall ist, dass es kein Arbeitszeitkonto gibt.
Was ist, wenn der Arbeitgeber mich bei der regelmäßigen Arbeitszeit von 40 Stunden nur 30 Stunden beschäftigt? Muss ich die fehlenden 10 Stunden nacharbeiten?
Bei dieser Frage geht es um die Konstellation, dass kein Arbeitszeitkonto existiert, was in den meisten Arbeitsverhältnisses so ist. Grundsätzlich muss und kann man hier die 10 h nicht mehr nacharbeiten. Die Arbeit hat einen Fixschuldcharakter und kann grundsätzlich nicht nachgearbeitet werden. Ein Nacharbeiten ist von daher nicht rechtlich möglich.
Besteht ein Arbeitszeitkonto sind rechtmäßig angeordnete Minusstunden nachzuarbeiten/ auszugleichen.
Muss der Arbeitgeber mir trotzdem den vollen Lohn zahlen?
Nein, dass muss er im Normalfall nicht (auch hier ohne Arbeitszeitkonto).
Der Arbeitgeber muss grundsätzlich nur die geleistete Arbeitszeit bezahlen. Beschäftigt er den Arbeitnehmer 30 Stunden in der Woche anstatt von 40 Stunden, so muss er diesen grundsätzlich erst einmal auch nur 30 Stunden bezahlen. Bezahlt er freiwillig 40 Stunden, ist dies sein Problem. Trotzdem muss der Arbeitnehmer die Zeit dann nicht nacharbeiten.
Besteht ein Arbeitszeitkonto, dann hat der Arbeitnehmer ja den vollen Lohn erhalten.
Welche Art von Arbeitszeitkonten gibt es?
Es gibt verschiedene Arten von Arbeitszeitkonten, wie zum Beispiel Jahresarbeitszeitkonten, Kurzzeitkonten und Langzeitkonten. Alle haben eine Sache gemein. Sie müssen immer mit dem Arbeitnehmer vereinbart werden. Es muss sich im Arbeitsvertrag, oder auch im Tarifvertrag, eine wirksame Regelung finden, wonach ein Arbeitszeitkonto auf das Arbeitsverhältnis Anwendung findet.
Wie entsteht ein Arbeitszeitkonto?
Ein Arbeitszeitkonto muss wirksam zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber vereinbart werden. Dies ist möglich durch einen Arbeitsvertrag, eine zusätzliche Vereinbarung oder zum Beispiel durch eine entsprechende Regelung in einem Tarifvertrag. Fehlt eine solche Regelung, besteht kein Arbeitszeitkonto. Dann können auch keine Minusstunden anfallen.
Muss der Arbeitgeber mich voll bezahlen, wenn er mich nicht mit der regelmäßigen Arbeitszeit beschäftigt?
Dieses Problem kommt oft vor (siehe oben). Es wird in der Praxis zum Beispiel eine regelmäßige Arbeitszeit von 40 Stunden pro Woche vereinbart und der Arbeitgeber beschäftigt den Arbeitnehmer über einen langen Zeitraum immer weniger als 40 Stunden und bezahlt zum Beispiel nur 30 Stunden pro Woche.
Wichtig ist, es geht um die Fälle, in denen der Arbeitnehmer auch tatsächlich nur 30 Stunden die Woche gearbeitet hat.
Hier gilt der Fall, dass ohne Arbeit es keine Lohn gibt (ohne Arbeitszeitkonto).
Wenn der Arbeitnehmer nur 30 Stunden arbeitet, bekommt er nur 30 Stunden bezahlt. Hier gibt es aber eine Ausnahme.
Da sich der Arbeitgeber im Arbeitsvertrag verpflichtet hat den Arbeitnehmer 40 Stunden zu beschäftigen und dies nicht einhält, hat der Arbeitnehmer eine Beschäftigungsanspruch. Damit der Arbeitgeber die fehlenden 10 Stunden, die hier nicht gearbeitet wurden, auch zahlen muss, muss dieser sich im Annahmeverzug mit der Arbeitsleistung des Arbeitnehmers befinden. Dies wiederum setzt voraus, dass der Arbeitnehmer seine Arbeitsleistung anbieten muss. In solchen Fällen muss von drei der Arbeitnehmer den Arbeitgeber regelmäßig darauf hinweisen, dass er die 40 Stunden pro Woche noch nicht gearbeitet hat und diese Arbeitszeit vom Arbeitgeber zu erfüllen ist. Dazu muss eine Regel seine Arbeitsleistung tatsächlich anbieten.
Was ist, wenn der Arbeitgeber den Arbeitnehmer mehr gezahlt hat, als dieser gearbeitet hat?
Bezahlt der Arbeitnehmer den Arbeitnehmer zum Beispiel 40 Stunden pro Woche, obwohl dieser nur 30 gearbeitet hat, kommt es darauf an. Grundsätzlich ist dies ein Gehaltsvorschuss, da der Arbeitgeber nur die tatsächliche Arbeitszeit zu bezahlen hat. Gibt es ein Arbeitszeitkonto, so kann der Arbeitgeber dies entsprechend ausgleichen. Voraussetzung ist allerdings, dass die Minusstunden auch wirksam entstanden sind.
Besteht kein Arbeitszeitkonto kann nicht einfach diese Stunden als Minusstunden geführt werden, da nie ein Arbeitszeitkonto vereinbart wurde und von da es auch keine Minusstunden gibt.
Müssen die Stunden nachgearbeitet werden?
Eine Nacharbeit ist nicht möglich, wenn kein Arbeitszeitkonto besteht. Die Arbeit hat Fixschuldcharakter und kann nicht nachgearbeitet werden. Wenn ein Arbeitszeitkonto besteht, dann ist zum Ausgleich des Kontos eine Nacharbeit grundsätzlich möglich,da ja eine flexible Arbeitszeit vereinbart wurde. Wichtig ist dabei, dass die Minusstunden tatsächlich wirksam entstanden sind.
Dürfen Minusstunden mit dem Urlaub verrechnet werden?
Eine Verrechnung von Minusstunden mit dem Urlaub ist grundsätzlich nicht möglich. Der Urlaub dient der Erholung und soll nicht der Nacharbeit dienen. Eine Verrechnung von Urlaub mit Minusstunden ist von daher grundsätzlich nicht möglich.
Rückforderung zu viel gezahlten Arbeitsentgelt?
Wenn also kein Arbeitszeitkonto besteht, dann besteht ein Rückforderungsanspruch des Arbeitgebers, wenn eine versehentliche Zahlung des Arbeitgebers vorliegt.
Beispiel: Der Arbeitnehmer muss – ohne vereinbartes Arbeitszeitkonto – 40 h pro Woche arbeiten, arbeitet aber in einer Woche nur 25 Stunden. Das Lohnbüro des Arbeitgeber rechnet in Unkenntnis dessen hier 40 h ab.
Ergebnis: Der Arbeitgeber hat ein Rückforderungsanspruch auf das zuviel gezahlte Arbeitsentgelt gegen den Arbeitnehmer.
Darf der Arbeitgeber die Minusstunden bei Kündigung vom letzten Lohn abziehen?
Hier kommt es sehr stark darauf an, was im Arbeitsvertrag geregelt ist. Liegt kein Arbeitszeitkonto vor, darf auch nichts abgezogen werden, der Minusstunden gar nicht entstehen können.
Ist ein Arbeitszeitkonto wirksam vereinbart worden, kommt es darauf an. Wenn Minusstunden wirksam entstanden sind, ist ein Abzug grundsätzlich denkbar.
Darf der Arbeitgeber nach Belieben sog. Minusstunden anordnen?
Nein (hier wieder der Fall, dass ein Arbeitszeitkonto besteht), dies ist so einfach nicht möglich. Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG Urteil v. 26.01.2011 – 5 AZR 819/09 / Vorinstanz: Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg Urteil v. 08.09.2009 – 3 Sa 436/09) setzt die Belastung eines Arbeitszeitkontos mit Minusstunden voraus, dass der Arbeitgeber diese Stunden im Rahmen einer verstetigten Vergütung entlohnt hat und der Arbeitnehmer zur Nachleistung verpflichtet ist, weil er die in Minusstunden ausgedrückte Arbeitszeit vorschussweise vergütet erhalten hat. Dies ist zum Beispiel dann der Fall, wenn der Arbeitnehmer allein darüber entscheiden kann, ob eine Zeitschuld entsteht und er damit einen Vorschuss erhält. Andererseits kommt es zu keinem Vergütungsvorschuss, wenn der Arbeitnehmer aufgrund eines Entgeltfortzahlungstatbestands Vergütung ohne Arbeitsleistung beanspruchen kann oder sich der das Risiko der Einsatzmöglichkeit bzw. des Arbeitsausfalls tragende Arbeitgeber nach § 615 Satz 1 und 3 BGB im Annahmeverzug befunden hat.
Dies heißt im normalen Deutsch, dass der Arbeitnehmer, der arbeitswillig ist und seine Arbeitskraft anbietet und nur deshalb keine Arbeit erhält, da der Arbeitgeber keine Arbeit hat, nicht hinnehmen muss, dass Minusstunden angeordnet werden. Eine solche Anordnung ist unwirksam.
Darf der Arbeitgeber zur Vermeidung von coronabedingter Kurzarbeit zuvor Minusstunden anordnen?
Besteht kein Arbeitszeitkonto ist die unproblematisch nicht möglich.
Besteht ein Arbeitszeitkonto kommt es darauf an:
Der arbeitswillige Arbeitnehmer muss dies nicht hinnehmen. Die alleinige Ursache der Entstehung eines negativen Arbeitszeitkontos ist dann der Umstand, dass der Arbeitgeber keine Arbeit hat. Dieses Betriebsrisiko trägt er in der Regel auch bei Bestehen eines Arbeitszeitkontos, wenn der Arbeitnehmer arbeitswillig ist und seine Arbeitskraft anbietet.
Was ist, wenn der Arbeitgeber Kurzarbeit von 20 h pro Woche anordnet, dann aber keine Arbeit hat?
Die Anordnung von Kurzarbeit (auch diese muss vereinbart sein) ist in der Corona-Krise oft vorgekommen. Oft wurde die Kurzarbeit “Null” angeordnet. Dann muss der Arbeitnehmer nicht arbeiten. Bei Kurzarbeit von 20 h pro Woche wird zeitlich begrenzt die regelmäßige Arbeitszeit der Arbeitnehmers abgesenkt. Der Arbeitgeber muss die 20 h nur dann bezahlen, wenn der Arbeitnehmer arbeitet oder sein Arbeitskraft (regelmäßig) tatsächlich angeboten hat, denn dann befindet sich der Arbeitgeber (siehe) oben im Annahmeverzug.
Was ist mit den Pfändungsfreigrenzen?
Der Arbeitgeber muss – selbst, wenn eine Überzahlung vorliegt – die Pfändungsfreigrenzen beachten und darf nicht einfach die Minusstunden (wenn diese berechtigt sind) vom letzten Gehalt abziehen ohne die Pfändungsfreigrenzen zu beachten.
weiter Artikel zum Arbeitszeitkonto
- Freistellung im Vergleich und Arbeitszeitkonto
- Arbeitszeitguthaben bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses
- Darf der Arbeitgeber die Arbeitszeit befristet erhöhen?
Rechtsanwalt Andreas Martin – Fachanwalt für Arbeitsrecht – Marzahn
Corona und Arbeitsrecht – Maskenbefreiung
Corona beschäftigt weiter das Arbeitsleben und so gibt es diverse Entscheidungen der Arbeitsgerichte zu allem möglichen Aspekten und Auswirkungen der Pandemie. Über die Impfpflicht und mögliche Kündigungen in der Gesundheits- und Pflegebranche hatte ich ja schon berichtet, wie auch zur Frage der Strafbarkeit bei der Nutzung von gefälschten Impfausweisen.
Befreiung vom Tragen einer Corona-Schutz-Maske
Hier geht es um die Problematik einer ärztlichen Befreiung vom Tragen einer Corona-Schutzmaske am Arbeitsplatz. Diesbezüglich gab es ja bereits einen Fall eines Mitarbeiters im Rathaus, der sich ebenfalls auf eine Maskenbefreiung berufen hatte. Auf die Problematik, dass viele solcher Atteste sog. “Gefälligkeitsatteste” sind und im Internet von irgendwelchen – weit entfernten – Ärzten und jegliche Untersuchung ausgestellt wurden, soll hier nicht eingegangen werden. Beim hiesigen Fall ließ das Gericht dies auch dahinstehen, da es nicht darauf ankam.
Maskenbefreiungsatteste sind oft unwirksam
Dazu noch kurz:
In der Regel sind Maskenbefreiungsatteste ungenügend in folgenden Fällen:
– Atteste ohne Begründung und Benennung der gesundheitlichen Einschränkung und der ärztlichen Diagnose
– Atteste, aus denen nicht hervorgeht, welche Gesichtsmasken nicht getragen werden dürfen
– nichtärztliche Bescheinigungen / Eigendiagnosen
– allgemeine Atteste, die allgemeine gesundheitliche Einschränkungen verweisen
Landesarbeitsgericht Hamburg und Attest über Befreiung von Corona-Maske
Eine weitere Entscheidung zu der Problematik des Maskenbefreiungsattestes wurde nun vom Landesarbeitsgericht Hamburg erlassen.
Hier ging es nicht darum, inwieweit ein Befreiungsattest im Bezug auf das Tragen einer Corona Schutzmaske ein Gefälligkeitsattest ist und damit keine Wirkung hat, sondern darum, ob der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer trotz eines solchen Attestes notfalls einen anderen Arbeitsplatz zuweisen oder diesen sogar im Home Office beschäftigen muss.
LAG Hamburg
Das Landesarbeitsgericht Hamburg (Urteil vom 13.10.2021 – 7 Sa 23/21) kam zum Ergebnis, dass dies nicht der Fall ist.
Selbst wenn der Arbeitnehmer ein wirksames ärztliches Befreiungsattest hat, muss der Arbeitgeber diesen keinen anderen Arbeitsplatz zuweisen im Home Office beschäftigen. Dies gilt zumindest dann, wenn der Arbeitgeber im Wege des Direktionsrechts insgesamt die Pflicht zum Tragen von Masken am Arbeitsplatz mit Kundenbezug angeordnet hat, um weitere Infektion mit Corona zu vermeiden. Hier geht das Interesse des Arbeitgebers an Infektionsschutz im Betrieb vor dem Interesse des Arbeitnehmers ohne Maske am Arbeitsplatz aufgrund medizinischer Gründe zu arbeiten.
der Fall des LAG Hamburg
Der Entscheidung lag folgender Fall zugrunde:
Der Arbeitnehmer arbeitete als Bankberater in einer Filiale der beklagten Arbeitgeberin. Sein Vorgesetzter hatte diesen im Oktober 2020 zum Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung am Arbeitsplatz aufgefordert. Daraufhin legte der Arbeitnehmer ein ärztliches Attest zur Maskenbefreiung vor mit der Begründung, dass das Tragen einer Schutzmaske aufgrund eines Psychotraumas aus der Kindheit im siebten Lebensjahr „kontraindiziert“ sei, insbesondere wegen drohender Retraumatisierungen.
Daraufhin beschäftigte die beklagte Arbeitgeberin den Kläger nicht mehr in der Filiale und setzte ihn auch nicht in einer anderen Filiale in der Nähe des Wohnorts des klagenden Arbeitnehmers ein. Der Arbeitnehmer hatte nämlich der Arbeitgeberin vorgeschlagen, dort in einem Einzelbüro beschäftigt zu werden von zu Hause aus im Home-Office zu arbeiten.
Klage des Arbeitnehmers auf Bezahlung
Da der Arbeitnehmer keinen Lohn bekam, klagte er gegen die Arbeitgeberin auf Zahlung von sog. Annahmeverzugslohn.
Vor dem Arbeitsgericht Hamburg (Az 15 Ca 566/20) bekam er Recht. Im Berufungsverfahren vor dem Landesarbeitsgericht Hamburg verlor der Arbeitnehmer jedoch.
Der Kläger habe seine Arbeitsleistung nicht an dem ihn zugewiesenen Arbeitsplatz in der Filiale B angeboten.
Dem Arbeitgeber obliege es nach § 106 Satz 1 GewO, den Inhalt der zu leistenden Arbeit näher zu bestimmen. Erst die so bestimmte Tätigkeit sei die i.S.v. § 294 BGB zu bewirkende Arbeitsleistung.
Die Beklagte habe durchgängig an der Zuweisung des Arbeitsortes in der Filiale B festgehalten. Die Anordnung zum Tragen der Mund-Nasen-Bedeckung beim Betreten der Filiale sei im Oktober 2020 – zur Hochzeit der SARS-CoV-2 Pandemie – grds. vom Direktionsrecht erfasst und im Einzelfall auch geeignet und angemessen gewesen, weil sie dem Infektionsschutz in beide Richtungen gedient habe. Die Anordnung sei auch verhältnismäßig gewesen. Das gelte selbst dann, wenn man – wie vom Kläger behauptet – annehme, dass er an dem von ihm behaupteten Psychotrauma leide, denn das Interesse der Beklagten, den Ausstoß von Aerosolen in ihren Filialen auf dem geringstmöglichen Niveau zu halten, gehe in der Abwägung dem Interesse des Klägers, beim Betreten der Filiale keine Mund-Nasen-Bedeckung zu tragen, vor.
An dieser Wertung ändere auch § 296 BGB nichts. Die danach vorzunehmende Mitwirkungshandlung des Arbeitgebers bestehe darin, dem Arbeitnehmer überhaupt eine Arbeitsmöglichkeit zu eröffnen, den Arbeitsablauf fortlaufend zu planen und die Arbeitsmittel bereitzustellen. Aus § 296 BGB folge keine Verpflichtung des Arbeitgebers, die von ihm zunächst wirksam konkretisierte Arbeitspflicht nach den Wünschen oder Belangen des Arbeitnehmers neu zu bestimmen.
Wenn es der Arbeitgeber schuldhaft unterlasse, dem Arbeitnehmer leidensgerechte und vertragsgemäße Arbeit zuzuweisen, könne dies allenfalls zu Schadensersatzansprüchen führen. Darüber hatte das LAG nicht zu befinden, weil solche Ansprüche nicht Streitgegenstand waren.
Anmerkung:
Der Fall zeigt, dass selbst ein wirksames Maskenattest oft nicht viel bewirkt und nur dazu führt, dass der Arbeitnehmer am Ende keinen Lohn erhält. Es gilt der Grundsatz ohne Arbeit kein Lohn und wenn sich der Arbeitnehmer hier auf eine Ausnahme von diesem Grundsatz (hier Annahmeverzug des Arbeitgebers) beruft, so muss er die Voraussetzungen hierfür nachweisen.
Rechtsanwalt Andreas Martin
Aus den Medien konnte man entnehmen, dass es nun eine Impfpflicht gegen das Corona-Virus in der Pflege -und Gesundheitsbranche geben soll. Damit soll die Ausbreitung von Covid19 verhindert werden. Betroffen davon sind Pfleger und andere Mitarbeiter im Gesundheitswesen, wie zum Beispiel Krankenschwestern bzw. Ärzte. Der Bund soll ein entsprechendes Gesetz zur Impfpflicht für Pflegekräfte u.a. vorbereiten; insbesondere Markus Söder und Jens Spahn hatten darauf gedrängt. Eine allgemeine Impfpflicht für Personal soll es nicht geben. Eine solche allgemeine Impfpflicht für Beschäftigte wäre auch verfassungsrechtlich bedenklich. Die zukünftige Impfpflicht für Pflegeberufe soll sich ausschließlich auf Gesundheitsberufe beschränken, da diese stärker Umgang mit vulnerablen Personengruppen zu tun haben.
Einführung der Verpflichtung zur vollständigen Impfung für Pflege- und Krankenhauspersonal
Die Impfpflicht mit einen Covid19-Impfstoff für Beschäftigte der Gesundheitsbranche wird es von daher wohl kurzfristig geben.
Die Impfpflicht fürs Pflegepersonal lehnte bis vor kurzem die Politik noch ab, allerdings ist dies nun anders.Die Impfpflicht für Pflegekräfte soll nun gesetzlich normiert werden, was mittlerweile auch geschehen ist.
Hier soll es darum gehen, welche Auswirkungen auf das Arbeitsverhältnis eine solche Pflicht zur vollständigen Impfung für Pfleger und Krankenhauspersonal hätte. Es stellen sich dann diverse Fragen, wie, ob der Arbeitgeber weiter ungeimpfte Mitarbeiter beschäftigen darf und wenn nicht, ob er den Lohn zahlen muss? Kann die Impfpflicht für Pflegepersonal durch eine tägliche Testpflicht umgangen werden?
Muss sich dann jeder Mitarbeiter aus der Gesundheitsbranche impfen lassen?
Nach den bisherigen Pressemitteilungen soll die Impfpflicht für Pflegeberufe für die dort beschäftigen Mitarbeiter sein. Insbesondere sollen Arbeitnehmer, die in Alten- und Pflegeheimen tätig sind, verpflichtet werden sich impfen zu lassen. Dies soll auch für Mitarbeiter in Krankenhäusern gelten. Ob davon nur das Pflegepersonal und/oder auch Mitarbeiter in anderen Bereichen, wie zum Beispiel in der Küche oder Reinigungskräfte, betroffen sind, ist derzeit noch nicht abschließend geklärt. Es spricht aber einiges dafür, dass alle Mitarbeiter des Betriebes, der in den Anwendungsbereich des § 20 a Abs. 1 Satz i des Impfektionsschutzgesetzes fällt, gegen Corona geimpft sein müssen, es sei denn, dass diese bereits genesen sind. Die Pflicht zur Impfung ist einrichtungsbezogen/ betriebsbezogen.
Was steht dazu in der Gesetzesbegründung?
In der Gesetzesbegründung (20/188) steht dazu u.a.
Zum Schutz der öffentlichen Gesundheit und vulnerabler Personengruppen vor einer COVID-19-Erkrankung wird vorgesehen, dass in bestimmten Einrichtungen und Unternehmen tätige Personen geimpft oder genesen sein oder ein ärztliches Zeugnis über das Bestehen einer Kontraindikation gegen eine Impfung gegen CO- VID-19 besitzen müssen.
Dort steht also nichts davon, dass die Impfpflicht nur für Personen gilt, die Kontakt zu vulnerablen Personengruppen haben. Dies entspricht im Übrigen auch dem Wortlaut der gesetzlichen Regelung des § 20 a des Infektionsschutzgesetzes:
Personen, die in folgenden Einrichtungen oder Unternehmen tätig sind …
Auch hier wird nicht danach unterschieden, ob der jeweilige Mitarbeiter Kontakt zu bestimmten Patienten oder Personengruppen hat. Dies wäre auch schwierig durchsetzbar, weil dann eine Diskussion darüber entbrennen würde, ob und wie oft der jeweilige Arbeitnehmer einen Kontakt zu Patienten oder zu pflegenden Personen in Altenheimen oder Krankenhäusern hat.
Kann der Arbeitgeber mich zur Impfung zwingen?
Selbst wenn es eine Impfpflicht für Pflegekräfte und Mitarbeiter aus Krankenhäusern geben würde, so kann der Arbeitgeber selbst nicht den Arbeitnehmer zur Impfung zwingen. Der Arbeitgeber kann nur Sanktionen, die nach dem Arbeitsverhältnis zulässig sind, aussprechen. Dazu gehört, dass zum Beispiel der Arbeitgeber den Arbeitnehmer bei fehlenden Impf- oder Genesenennachweis, dann u.U. nicht mehr beschäftigen kann bzw. darf, da ein Beschäftigungsverbot durch die Behörde ausgesprochen wird. Der Arbeitnehmer würde dann keinen Lohn mehr erhalten. Darüberhinaus wäre auch denkbar, dass eine entsprechende Kündigung des Arbeitnehmers, insbesondere personenbedingte Kündigung, in Betracht kommt.
Was muss ich bis zum 15. März 2022 machen, wenn ich in der Pflege- oder in der Gesundheitsbranche tätig bin?
Bis zum Ablauf des 15. März 2022 haben alle Arbeitnehmer, in deren Betrieb die einrichtungsbezogene Impfpflicht gilt, der Leitung des Betriebs einen Impf- oder Genesenennachweis oder aber ein ärztliches Zeugnis über das Bestehen einer medizinischen Kontraindikation vorzulegen (vgl. § 20a Abs. 2 Satz 1 IfSG).
Welche Anforderungen sind an den Nachweis zu stellen?
Der Impf- oder Genesenennachweis muss den Anforderungen des § 2 Nr. 3 und 5 COVID-19-Schutzmaßnahmen-Ausnahmenverordnung entsprechen. Zu beachten ist, dass, die Verordnung ihrerseits zur Konkretisierung der Anforderungen an den Nachweis auf die auf den Internetseiten des Paul-Ehrlich-Instituts und des Robert Koch-Instituts veröffentlichten Vorgaben verweist.
Was passiert, wenn ich bis zum 15. März 2022 keinen Impfnachweis oder Genesenennachweis beim Arbeitgeber vorlege?
Legt der Arbeitnehmer bis zum 15. März 2022 keinen Nachweis über die Impfung oder die Genesung oder ein ärztliches Attest über ein “Impfverbot” vor, hat die Leitung des jeweiligen Unternehmens unverzüglich das Gesundheitsamt zu benachrichtigen (vgl. § 20a Abs. 2 Satz 2 IfSG).
Was gilt, wenn Zweifel an der Richtigkeit des Impfnachweises bestehen?
Bestehen Zweifel an der Echtheit oder der inhaltlichen Richtigkeit des Impfzertifikates muss der Arbeitgeber ebenfalls das Gesundheitsamt benachrichtigen.
Was kann das Gesundheitsamt dann machen?
Das Gesundheitsamt kann gegenüber Personen, die trotz Anforderung keinen Nachweis innerhalb angemessener Frist vorlegen oder wenn der Impfnachweis falsch ist, ein Betretungsverbot oder auch ein Tätigkeitsverbot verfügen (vgl. § 20a Abs. 5 Satz 3 IfSG).
Welche Konsequenzen hat es, wenn die Behörde ein Beschäftigungsverbot ausspricht?
Ein behördliches Beschäftigungsverbot führt dazu, dass der Arbeitnehmer nicht mehr vom Arbeitgeber beschäftigt werden darf. Er kann dann unentgeltlich freigestellt werden und muss erst dann wieder beschäftigt und bezahlt werden, wenn die Behörde das Tätigkeitsverbot aufhebt.
Was gilt für Personen, die erst ab dem 16.März 2022 beschäftigt werden?
Arbeitnehmer, die erst ab dem 16. März 2022 in einem Unternehmen der Pflege- oder Gesundheitsbranche beschäftigt werden sollen, haben vor Beginn ihrer Tätigkeit einen Nachweis nach § 20a Abs. 2 Satz 1 IfSG vorzulegen (vgl. § 20a Abs. 3 Satz 1 IfSG). Andernfalls dürfen sie dort weder beschäftigt werden noch tätig werden (vgl. § 20a Abs. 3 Sätze 4 und 5 IfSG).
Was gilt für Nachweise, die ab dem 16. März 2022 ihre Gültigkeit verlieren?
Nachweise (Genesung/ Impfung), die ab dem 16. März 2022 durch Zeitablauf ihre Gültigkeit verlieren, müssen innerhalb eines Monats nach Ablauf der Gültigkeit durch einen neuen Nachweis ersetzt werden (vgl. § 20a Abs. 4 Satz 1 IfSG).
Was passiert, wenn Mitarbeiter in der Pflege oder im Krankenhaus nicht geimpft sind?
Wenn die Corona-Schutzimpfung Voraussetzung für die Tätigkeit als Pfleger bzw. Pflegerin oder im Krankenhaus tatsächlich gesetzlich normiert wird, dann kann und darf der Arbeitgeber solche Mitarbeiter gar nicht ohne vollständigen Impfschutz beschäftigen. Dies gilt dann – und dies wird fast immer so eintreten – wenn die Behörde ein Beschäftigungsverbot nach Anzeige durch den Arbeitgeber beim Gesundheitsamt ausspricht. Dies führt dazu, dass der Arbeitnehmer keinen Anspruch auf Lohnzahlung (Grundsatz: “Ohne Arbeit kein Lohn!”) hat. Über die Problematik der behördlichen Betriebsschließung wegen Corona (Quarantäne) und das Entfallen des Lohnzahlungsanspruchs hatte ich ja bereits geschrieben. Dies ist auch nachvollziehbar, da das Beschäftigungshindernis in der Sphäre des Arbeitnehmers liegt. Vergleichbar könnte dies sein, wie zum Beispiel bei Mitarbeitern in der Gastronomie die ohne die “rote Karte” auch nicht arbeiten dürfen. Dies wird dann bei einer Impfpflicht beim Pflegepersonal nicht anders sein.
Reicht nicht ein täglicher Corona-Test für ungeimpfte Mitarbeiter aus?
Ein solcher täglicher Corona-Test für Ungeimpfte wird dann nicht mehr ausreichend sein. Davon wird ja heute schon Gebraucht gemacht und die Politik hält dies nicht für ausreichend. Wahrscheinlich wird es aber weiter eine Testpflicht geben, da selbst bei doppelter Impfung eine Erkrankung und Übertragung von Corona nicht ausgeschlossen ist. Allerdings – so die Wissenschaft – soll die doppelte Impfung einen schweren Verlauf der Corona-Erkrankung verringern.
Darf der Arbeitgeber mich kündigen, wenn ich nicht gegen Corona geimpft bin?
Eine Kündigung – und hier geht es ausschließlich um Mitarbeiter, die verpflichtet sind sich impfen zu lassen – ist durchaus denkbar. Der Arbeitgeber hat nämlich das Problem, dass er den Arbeitnehmer, selbst wenn er wollte, gar nicht mehr im Gesundheitswesen beschäftigen darf, sofern das Gesundheitsamt dann das Tätigkeitsverbot ausspricht. Wenn der Arbeitnehmer sich dann weigert die Impfung vorzunehmen, kann der Arbeitgeber den Arbeitnehmer zukünftig nicht mehr einsetzen und eine Kündigung aus personenbedingten Gründen dürfte zulässig sein. Wichtig ist dabei zu wissen, dass nicht eine typische “Corona-Kündigung” vorliegt. Der Grund für die Kündigung ist nicht die Corona-Pandemie, sondern die fehlende Impfung des Arbeitnehmers.
Kann der Arbeitgeber mich außerordentlich kündigen, wenn ich mich nicht impfen lasse?
Eine außerordentliche Kündigung braucht immer einen wichtigen Kündigungsgrund nach § 626 Abs. 1 BGB. Ein solcher Grund liegt in der Praxis selten vor. Die Weigerung sich impfen zu lassen, obwohl eine Impfpflicht besteht, kann nur im Ausnahmefall ein solcher wichtiger Grund sein. Dabei ist auch zu berücksichtigen, ob noch andere Beschäftigungsmöglichkeiten bestehen.
Wie kann ich mich gegen eine Kündigung des Arbeitgebers wehren?
Gegen eine Arbeitgeberkündigung wegen der Weigerung einer Covid19-Impfung oder der Vorlage eines Impf- oder Genesenennachweises kann sich der Arbeitnehmer mittels Kündigungsschutzklage zum Arbeitsgericht wehren. Die Klage muss innerhalb von 3 Wochen ab Zugang der Kündigung beim Arbeitnehmer eingereicht werden. Das Arbeitsgericht entscheidet dann über die Rechtmäßigkeit der Kündigung, wobei alle geltend gemachten Unwirksamkeitsgründe (auch formale) vom Gericht überprüft werden.
Darf der Arbeitgeber im Vorstellungsgespräch nach einer Impfung fragen?
Wer sich in der Gesundheitsbranche bewirbt, wird zukünftig-wenn die Impfpflicht tatsächlich eingeführt wird-wohl immer danach gefragt werden, ob er geimpft ist oder nicht. Dies muss er dann verbindlich erklären. Die Frage muss in der Regel wahrheitsgemäß beantwortet werden. Eine Recht zu Lüge wäre hier nicht zulässig. Der Grund ist der, dass der Arbeitgeber den Arbeitnehmer gar nicht beschäftigen darf, wenn dieser nicht geimpft ist.
Update: 12. Dezember 2021
Der Bundestag hat nun tatsächlich am Freitag, 10. Dezember 2021, den gemeinsamen Gesetzentwurf von SPD, Bündnis 90/Die Grünen und FDP zur Stärkung der Impfprävention gegen Covid-19 und zur Änderung weiterer Vorschriften im Zusammenhang mit der Covid-19-Pandemie beschlossen. Danach muss das Personal in Gesundheitsberufen und Berufen, die Pflegebedürftige und Menschen mit Behinderungen betreuen, einen Impfnachweis vorlegen. Geregelt ist dies in § 20 a Infektionsschutzgesetz.
Update: 10. Januar 2022
In mehreren Zeitungen wird darüber berichtet, dass wohl eine erhebliche Anzahl von Mitarbeitern der Gesundheits- und Pflegebranche über Eigenkündigungen nachdenkt. Es wird befürchtet, dass dies den ohnehin ausgelaugten Arbeitsmarkt schwächt und den den Pflegenotstand verschärft.
Update: 27. Januar 2022
Einige Politiker fordern, dass bei fehlender Impfung von Gesundheits- und Pflegepersonal kein Beschäftigungsverbot ausgesprochen wird, um zu verhindern, dass die Mitarbeiter dieser Branchen weiter dort arbeiten können. Dabei wird aber übersehen, dass die Rechtsfolge der gesetzlichen Regelung zwingend ist und nicht nach Belieben angewendet oder unterlassen werden kann.
Update: 10. Februar 2022
Heute hat das Bundesverfassungsgericht (BVerfG, Beschluss des Ersten Senats vom 10. Februar 2022 – 1 BvR 2649/21) den Antrag auf einstweilige Anordnung (Eilantrag mit verbundener Verfassungsbeschwerde) gegen die mit Art. 1 Nr. 4 und 9 Buchstabe a Doppelbuchstabe aa Nr. 7e bis 7h des Gesetzes zur Stärkung der Impfprävention gegen COVID-19 und zur Änderung weiterer Vorschriften im Zusammenhang mit der COVID-19-Pandemie vom 10. Dezember 2021 gesetzlich geregelte Impfpflicht in der Pflege- und Gesundheitsbranche abgelehnt.
“Das Bundesverfassungsgericht setzt ein Gesetz also nur dann nach § 32 BVerfGG vorläufig außer Vollzug, wenn die Gründe für den Erlass der einstweiligen Anordnung deutlich überwiegen (vgl. BVerfGE 157, 394 <402 f. Rn. 20> m.w.N.; stRspr). 2. Gemessen an diesen strengen Anforderungen hat der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung keinen Erfolg. Die zugrundeliegende Verfassungsbeschwerde ist zwar weder von vornherein unzulässig noch offensichtlich unbegründet (a). Die danach gebotene Folgenabwägung ergibt jedoch, dass die Nachteile, die einträten, wenn eine einstweilige Anordnung nicht erginge, der Antrag aber in der Hauptsache Erfolg hätte, nicht gegenüber den Nachteilen überwiegen, die entstünden, wenn die begehrte einstweilige Anordnung erlassen würde, dem Antrag in der Hauptsache aber der Erfolg zu versagen wäre (b).”
Interessant ist aber:
Sie ist auch nicht offensichtlich unbegründet. Zwar begegnet die Einführung einer einrichtungs- und unternehmensbezogenen Nachweispflicht in § 20a IfSG als solche unter Berücksichtigung der in diesem Verfahren eingeholten Stellungnahmen vor allem der sachkundigen Dritten zum Zeitpunkt dieser Entscheidung keinen durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken. Es bestehen aber jedenfalls Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der in § 20a IfSG gewählten gesetzlichen Regelungstechnik.
Es handelt sich hier um eine doppelte dynamische Verweisung, da zunächst der Gesetzgeber auf die COVID-19-Schutzmaßnahmen-Ausnahmenverordnung verweist, die ihrerseits aber dann zur Konkretisierung der Anforderungen an den vorzulegenden Impf- oder Genesenennachweis auf Internetseiten des Paul-Ehrlich-Instituts und des Robert Koch-Instituts verweist. Insoweit stellt sich die Frage, ob und inwieweit eine bindende Außenwirkung der dynamisch in Bezug genommenen Regelwerke der genannten Bundesinstitute hier noch eine hinreichende Grundlage im Gesetz findet (vgl. BVerfGE 129, 1 <22, 25 ff.>). Sollte dies der Fall sein, bedarf es weiterer Aufklärung, ob und inwieweit ein tragfähiger Sachgrund auch dafür vorliegt, dass nicht dem Verordnungsgeber selbst die Konkretisierung des vorzulegenden Impf- oder Genesenennachweises und damit auch der geimpften und genesenen Personen im Sinne des Gesetzes übertragen ist, sondern dies den genannten Bundesinstituten überlassen wird.
Update: 19.02.2022 / 27.02.2022
Sollte die allgemeine Impfpflicht tatsächlich (ab 18 Jahren) kommen, so spricht aufgrund der nachlassenden epidemischen Lage, immer mehr dafür, dass diese mit dem Grundgesetz nicht vereinbar ist. Mittlerweile sprechen sich immer mehr Politiker gegen die Einführung einer allgemeinen Impfpflicht gegen das Corona-Virus aus. Dafür spricht auch, dass wohl nicht wenige Personen Covid19 bekommen haben, trotz 3-facher Impfung.
Update: 20.02.2022
Nach Ansicht des wissenschaftlichen Dienstes des Bundestags besteht kein Anspruch auf Entschädigung nach § 56 Abs. 1 Satz 4 IfSG bei fehlender Booster-Impfung des Arbeitnehmers. Der Entschädigungsanspruch gem. § 56 Abs. 1 Satz 4 IfSG für geimpfte, aber dennoch mit dem Corona-Virus infizierte Arbeitnehmer, welche wegen der Quarantäne nicht arbeiten können und deshalb einen Verdienstausfall erleiden, besteht nicht nach dem wissenschaftlichen Dienst des Bundestages nicht, wenn der Betroffene die empfohlene COVID-19-Auffrischimpfung (= „Booster“) nicht hat vornehmen lassen. Wichtig ist dabei zu wissen, dass dies eine juristische Meinung darstellt und eine (höchstrichterliche) Entscheidung dazu nicht vorliegt.
Update: 10.03.2022
Nun jetzt Österreich die Impfpflicht gegen das Coronavirus aus. Basis für die Entscheidung ist ein Bericht der Expertenkommission. Danach ist die Impfpflicht bei der vorherrschenden Omikron-Variante nicht verhältnismäßig. Dies macht es noch unwahrscheinlicher, dass in Deutschland die Impfpflicht eingeführt wird.
Update 01.04.2022
Die allgemeine Impfpflicht ab 18 Jahren ist derzeit wohl vom Tisch. Jetzt wird über eine Impfpflicht für Personen ab 50 Jahre diskutiert. Ob diese kommt, bleibt abzuwarten.
Update 22.05.2022
Das Bundesverfassungsgericht (Beschluss vom 27. April 2022 – 1 BvR 2649/21) hat nun entschieden, dass die Regelung der “einrichtungs- und unternehmensbezogene Nachweispflicht” verfassungsgemäß und damit wirksam ist. Dies hatte sich nach der obigen Vorabentscheidung (Eilverfahren) bereits angekündigt. Das Bundesverfassungsgericht führte dazu in seiner Pressemitteilung (Nr. 42/2022 vom 19. Mai 2022) aus:
Mit heute veröffentlichtem Beschluss hat der Erste Senat des Bundesverfassungsgerichts eine Verfassungsbeschwerde zurückgewiesen, die sich gegen § 20a, § 22a und § 73 Abs. 1a Nr. 7e bis 7h des Gesetzes zur Verhütung und Bekämpfung von Infektionskrankheiten beim Menschen (Infektionsschutzgesetz – IfSG) richtet. Darin ist die auf bestimmte Einrichtungen und Unternehmen des Gesundheitswesens und der Pflege bezogene Pflicht geregelt, eine COVID-19-Schutzimpfung, eine Genesung von der COVID-19-Krankheit oder eine medizinische Kontraindikation für eine Impfung nachzuweisen (sogenannte „einrichtungs- und unternehmensbezogene Nachweispflicht“).
Die angegriffenen Vorschriften verletzen die Beschwerdeführenden nicht in ihren Rechten insbesondere aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG und Art. 12 Abs. 1 GG. Soweit die Regelungen in die genannten Grundrechte eingreifen, sind diese Eingriffe verfassungsrechtlich gerechtfertigt. Der Gesetzgeber hat im Rahmen des ihm zustehenden Einschätzungsspielraums einen angemessenen Ausgleich zwischen dem mit der Nachweispflicht verfolgten Schutz vulnerabler Menschen vor einer Infektion mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 und den Grundrechtsbeeinträchtigungen gefunden. Trotz der hohen Eingriffsintensität müssen die grundrechtlich geschützten Interessen der im Gesundheits- und Pflegebereich tätigen Beschwerdeführenden letztlich zurücktreten.
Update: 25.06.2022
Österreich hat die allgemeine Corona-Impfpflicht abgeschafft. Interessant ist auch die Begründung auf der Internetseite des österreichischen Bundesministerium für Soziales, Gesundheit, Pflege
und Konsumentenschutz. Dort heißt es:
Die epidemiologischen Rahmenbedingungen haben sich durch die Omikron-Variante erheblich geändert. Auch aus diesem Grund hat die im COVID-19-Impfpflichtgesetz eigens eingerichtete Kommission die Impfpflicht bisher zweimal als nicht verhältnismäßig eingestuft. Die Bundesregierung hat sich daher auf die Abschaffung der COVID-19-Impfpflicht geeinigt.
Update: 22.10.2022
Einige Bundesländer fordern nun die Abschaffung der einrichtungsbezogenen Impfpflicht. Dabei sind Bayern, Thüringen und Sachsen. Die Impflicht in der Pflege- und Gesundheitsbranche soll – nach der Vorstellung dieser Bundesländer – zum 31.12. 2022 auslaufen und nicht mehr verlängert werden. Der Grund ist der Fachkräftemangel in der Pflege. Da es sich um ein Bundesgesetz handelt, liegt die Entscheidung aber nicht bei den Ländern.
Update: 06.12.2022
Die bereits im Sommer angekündigte große Herbstwelle in Bezug auf Corona ist ausgeblieben. Die Corona Zahlen sind nicht besonders hoch und in den Ländern wird darüber diskutiert, ob die Maskenpflicht komplett abgeschafft werden soll.
Was gilt für Arbeitsverhältnisse, die vor oder bis zum 15. März 2022 geschlossen werden?
Für alle Arbeitsverhältnisse, die vor dem 16. März 2022 geschlossen wurden, gilt, dass Arbeitnehmer einen aktuellen Impfnachweis einer Impfung gegen Covid19 dem Arbeitgeber vorzulegen haben. Wenn dieser Nachweis nicht vorliegt, muss der Arbeitgeber das Gesundheitsamt informieren, dass dann in der Regel ein Tätigkeitsverbot aussprechen wird.
Was gilt für Arbeitsverhältnisse ab dem 16. März 2022?
Ab dem 16. März 2022 dürften Arbeitgeber dieser Branchen keine Arbeitnehmer ohne aktuelle Corona-Imfpung mehr beschäftigen. Selbstverständlich darf dann auch der Arbeitgeber ausdrücklich im Vorstellugnsgespräch nach einer Impfung / Genesung fragen und die Vorlage eines gültigen, aktuellen Imfpausweises / Genesenennachweises oder eine ärztlichen Attestes als Beschäftigungsvoraussetzung verlangen. Lügt hier der Arbeitnehmer im Vorstellungsgespräch kann der Arbeitgeber den Arbeitsvertrag wegen arglistiger Täusche anfechten. Klar ist auch, dass ein trotzdem eingestellter Arbeitnehmer ohne Schutzimpfung nicht vom Arbeitgeber beschäftigt werden darf.
die gesetzliche Regelung des § 20 a des Infektionsschutzgesetzes
Die neuen Regelungen haben ihre Rechtsgrundlage in § 20 a Infektionsschutzgesetz. Dort ist nun folgendes geregelt:
§ 20 a Immunitätsnachweis gegen COVID-19
(1) Folgende Personen müssen ab dem 15. März 2022 entweder geimpfte oder genesene Personen im Sinne des § 2 Nummer 2 oder Nummer 4 der COVID-19-Schutzmaßnahmen-Ausnahmenverordnung in der jeweils geltenden Fassung sein:
- 1. Personen, die in folgenden Einrichtungen oder Unternehmen tätig sind:
- a) Krankenhäuser,
- b) Einrichtungen für ambulantes Operieren,
- c) Vorsorge- oder Rehabilitationseinrichtungen,
- d) Dialyseeinrichtungen,
- e) Tageskliniken,
- f) Entbindungseinrichtungen,
- g) Behandlungs- oder Versorgungseinrichtungen, die mit einer der in den Buchstaben a bis f genannten Einrichtungen vergleichbar sind,
- h) Arztpraxen, Zahnarztpraxen,
- i) Praxen sonstiger humanmedizinischer Heilberufe,
- j) Einrichtungen des öffentlichen Gesundheitsdienstes, in denen medizinische Untersuchungen, Präventionsmaßnahmen oder ambulante Behandlungen durchgeführt werden,
- k) Rettungsdienste,
- l) sozialpädiatrische Zentren nach § 119 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch,
- m) medizinische Behandlungszentren für Erwachsene mit geistiger Behinderung oder schweren Mehrfachbehinderungen nach § 119c des Fünften Buches Sozialgesetzbuch,
- n) Einrichtungen der beruflichen Rehabilitation nach § 51 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch und Dienste der beruflichen Rehabilitation,
- o) Begutachtungs- und Prüfdienste, die auf Grund der Vorschriften des Fünften Buches Sozialgesetzbuch oder des Elften Buches Sozialgesetzbuch tätig werden,
- 2. Personen, die in voll- oder teilstationären Einrichtungen zur Betreuung und Unterbringung älterer, behinderter oder pflegebedürftiger Menschen oder in vergleichbaren Einrichtungen tätig sind,
- 3. Personen, die in ambulanten Pflegediensten und weiteren Unternehmen, die den in Nummer 2 genannten Einrichtungen vergleichbare Dienstleistungen im ambulanten Bereich anbieten, tätig sind; zu diesen Unternehmen gehören insbesondere:
- a) ambulante Pflegeeinrichtungen gemäß § 72 des Elften Buches Sozialgesetzbuch sowie Einzelpersonen gemäß § 77 des Elften Buches Sozialgesetzbuch,
- b) ambulante Pflegedienste, die ambulante Intensivpflege in Einrichtungen, Wohngruppen oder sonstigen gemeinschaftlichen Wohnformen erbringen,
- c) Unternehmen, die Assistenzleistungen nach § 78 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch erbringen,
- d) Unternehmen, die Leistungen der interdisziplinären Früherkennung und Frühförderung nach § 42 Absatz 2 Nummer 2 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch und § 46 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch in Verbindung mit der Frühförderungsverordnung oder heilpädagogische Leistungen nach § 79 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch erbringen,
- e) Beförderungsdienste, die für Einrichtungen nach Nummer 2 dort behandelte, betreute, gepflegte oder untergebrachte Personen befördern oder die Leistungen nach § 83 Absatz 1 Nummer 1 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch erbringen, und
- f) Leistungsberechtigte, die im Rahmen eines Persönlichen Budgets nach § 29 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch Personen für die Erbringung entsprechender Dienstleistungen beschäftigen.
Satz 1 gilt nicht für Personen, die auf Grund einer medizinischen Kontraindikation nicht gegen das Coronavirus SARS-CoV-2 geimpft werden können.
(2) Personen, die in den in Absatz 1 Satz 1 genannten Einrichtungen oder Unternehmen tätig sind, haben der Leitung der jeweiligen Einrichtung oder des jeweiligen Unternehmens bis zum Ablauf des 15. März 2022 folgenden Nachweis vorzulegen:
- 1. einen Impfnachweis im Sinne des § 2 Nummer 3 der COVID-19-Schutzmaßnahmen-Ausnahmenverordnung in der jeweils geltenden Fassung,
- 2. einen Genesenennachweis im Sinne des § 2 Nummer 5 der COVID-19-Schutzmaßnahmen-Ausnahmenverordnung in der jeweils geltenden Fassung oder
- 3. ein ärztliches Zeugnis darüber, dass sie auf Grund einer medizinischen Kontraindikation nicht gegen das Coronavirus SARS-CoV-2 geimpft werden können.
Wenn der Nachweis nach Satz 1 nicht bis zum Ablauf des 15. März 2022 vorgelegt wird oder wenn Zweifel an der Echtheit oder inhaltlichen Richtigkeit des vorgelegten Nachweises bestehen, hat die Leitung der jeweiligen Einrichtung oder des jeweiligen Unternehmens unverzüglich das Gesundheitsamt, in dessen Bezirk sich die jeweilige Einrichtung oder das jeweilige Unternehmen befindet, darüber zu benachrichtigen und dem Gesundheitsamt personenbezogene Daten zu übermitteln. Die oberste Landesgesundheitsbehörde oder die von ihr bestimmte Stelle kann bestimmen, dass
- 1. der Nachweis nach Satz 1 nicht der Leitung der jeweiligen Einrichtung oder des jeweiligen Unternehmens, sondern dem Gesundheitsamt oder einer anderen staatlichen Stelle gegenüber zu erbringen ist,
- 2. die Benachrichtigung nach Satz 2 nicht durch die Leitung der jeweiligen Einrichtung oder des jeweiligen Unternehmens, sondern durch die nach Nummer 1 bestimmte Stelle zu erfolgen hat,
- 3. die Benachrichtigung nach Satz 2 nicht gegenüber dem Gesundheitsamt, in dessen Bezirk sich die jeweilige Einrichtung oder das jeweilige Unternehmen befindet, sondern gegenüber einer anderen staatlichen Stelle zu erfolgen hat.
(3) Personen, die in den in Absatz 1 Satz 1 genannten Einrichtungen oder Unternehmen ab dem 16. März 2022 tätig werden sollen, haben der Leitung der jeweiligen Einrichtung oder des jeweiligen Unternehmens vor Beginn ihrer Tätigkeit einen Nachweis nach Absatz 2 Satz 1 vorzulegen. Wenn Zweifel an der Echtheit oder inhaltlichen Richtigkeit des vorgelegten Nachweises bestehen, hat die Leitung der jeweiligen Einrichtung oder des jeweiligen Unternehmens unverzüglich das Gesundheitsamt, in dessen Bezirk sich die jeweilige Einrichtung oder das jeweilige Unternehmen befindet, darüber zu benachrichtigen und dem Gesundheitsamt personenbezogene Daten zu übermitteln. Absatz 2 Satz 3 gilt entsprechend. Eine Person nach Satz 1, die keinen Nachweis nach Absatz 2 Satz 1 vorlegt, darf nicht in den in Absatz 1 Satz 1 genannten Einrichtungen oder Unternehmen beschäftigt werden. Eine Person nach Satz 1, die über keinen Nachweis nach Absatz 2 Satz 1 verfügt oder diesen nicht vorlegt, darf nicht in den in Absatz 1 Satz 1 genannten Einrichtungen oder Unternehmen tätig werden. Die oberste Landesgesundheitsbehörde oder die von ihr bestimmte Stelle kann allgemeine Ausnahmen von den Sätzen 4 und 5 zulassen, wenn das Paul-Ehrlich-Institut auf seiner Internetseite einen Lieferengpass zu allen Impfstoffen mit einer Komponente gegen das Coronavirus SARS-CoV-2, die für das Inverkehrbringen in Deutschland zugelassen oder genehmigt sind, bekannt gemacht hat; parallel importierte und parallel vertriebene Impfstoffe mit einer Komponente gegen das Coronavirus SARS-CoV-2 bleiben unberücksichtigt.(4) Soweit ein Nachweis nach Absatz 2 Satz 1 ab dem 16. März 2022 seine Gültigkeit auf Grund Zeitablaufs verliert, haben Personen, die in den in Absatz 1 Satz 1 genannten Einrichtungen oder Unternehmen tätig sind, der Leitung der jeweiligen Einrichtung oder des jeweiligen Unternehmens einen neuen Nachweis nach Absatz 2 Satz 1 innerhalb eines Monats nach Ablauf der Gültigkeit des bisherigen Nachweises vorzulegen. Wenn der neue Nachweis nach Satz 1 nicht innerhalb dieses Monats vorgelegt wird oder wenn Zweifel an der Echtheit oder inhaltlichen Richtigkeit des vorgelegten Nachweises bestehen, hat die Leitung der jeweiligen Einrichtung oder des jeweiligen Unternehmens unverzüglich das Gesundheitsamt, in dessen Bezirk sich die jeweilige Einrichtung oder das jeweilige Unternehmen befindet, darüber zu benachrichtigen und dem Gesundheitsamt personenbezogene Daten zu übermitteln. Absatz 2 Satz 3 gilt entsprechend.(5) Die in Absatz 1 Satz 1 genannten Personen haben dem Gesundheitsamt, in dessen Bezirk sich die jeweilige Einrichtung oder das jeweilige Unternehmen befindet, auf Anforderung einen Nachweis nach Absatz 2 Satz 1 vorzulegen. Bestehen Zweifel an der Echtheit oder inhaltlichen Richtigkeit des vorgelegten Nachweises, so kann das Gesundheitsamt eine ärztliche Untersuchung dazu anordnen, ob die betroffene Person auf Grund einer medizinischen Kontraindikation nicht gegen das Coronavirus SARS-CoV-2 geimpft werden kann. Das Gesundheitsamt kann einer Person, die trotz der Anforderung nach Satz 1 keinen Nachweis innerhalb einer angemessenen Frist vorlegt oder der Anordnung einer ärztlichen Untersuchung nach Satz 2 nicht Folge leistet, untersagen, dass sie die dem Betrieb einer in Absatz 1 Satz 1 genannten Einrichtung oder eines in Absatz 1 Satz 1 genannten Unternehmens dienenden Räume betritt oder in einer solchen Einrichtung oder einem solchen Unternehmen tätig wird. Widerspruch und Anfechtungsklage gegen eine vom Gesundheitsamt nach Satz 2 erlassene Anordnung oder ein von ihm nach Satz 3 erteiltes Verbot haben keine aufschiebende Wirkung.(6) Die Absätze 1 bis 5 gelten nicht für die in den Einrichtungen oder von den Unternehmen behandelten, betreuten, gepflegten oder untergebrachten Personen.(7) Durch die Absätze 1 bis 5 wird das Grundrecht der körperlichen Unversehrtheit (Artikel 2 Absatz 2 Satz 1 des Grundgesetzes) eingeschränkt.
allgemeine Impfpflicht in Deutschland
weitere Urteile zum aktuellen Corona-Themen
1. Corona-Test und Arbeitslohn
Das Landesarbeitsgericht München (Urteil vom 26.10.2021, Az. 9 Sa 332/21) hat nun entschieden, dass es rechtmäßig ist, wenn ein Arbeitnehmer keinen aktuellen PCR-Test vor Arbeitsbeginn vorlegt, dass der Arbeitgeber diesen dann nicht beschäftigen und bezahlen muss. Eine Arbeitnehmerin / Musikerin verweigerte die Vorlage eines Corona-Tests und wurde daraufhin unbezahlt freigestellt. Diese klagte auf Beschäftigung und Lohnzahlung und verlor vor dem LAG München. Die Vorlagepflicht für den negativen PCR-Test ergab sich aber nicht aus § 28 b Infektionsschutzgesetzes, sondern aus einem Tarifvertrag.
2. kein Zuschlag für das Tragen der Maske
Das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg, Urteil vom 17.11.2021, Aktenzeichen 17 Sa 1067/21 hat entschieden, dass ein Gebäudereiniger keine tarifvertraglichen Erschwerniszuschlag für das Tragen einer Corona-Schutzmaske erhält. Beschäftigte der Reinigungsbranche, die bei der Durchführung der Arbeiten eine sogenannte OP-Maske tragen, haben keinen Anspruch auf einen tariflichen Erschwerniszuschlag, da die Atemschutzmaske kein Teil der persönlichen Schutzausrüstung des Arbeitnehmers ist.
3. Abmahnung vor Kündigung wegen Verweigerung von Corona-Test
Das Arbeitsgericht Hamburg (Urteil vom 24.11.2021 – 27 Sa 208/21) hat entschieden, dass wenn ein Arbeitnehmer in der Corona-Pandemie die Durchführung ihm durch den Arbeitgeber zur Verfügung gestellter Corona-Schnelltests verweigert, ist vor Ausspruch einer Kündigung eine Abmahnung erforderlich. Verweigert ein Arbeitnehmer wiederholt die Durchführung der Schnelltests, muss der Arbeitgeber ihn zunächst abmahnen, bevor er kündigt, so das Arbeitsgericht.
4. Kündigung eines Corona-Leugners
Das Arbeitsgericht Darmstadt (Urteil vom 9.11.2021 – 9 Ca 163/21) hat entschieden, dass es einen Kündigungsgrund darstellt, wenn ein Berufschullehrer gegenüber seinen Schülern die Corona-Pandemie als Verschwörung bezeichnet, deren Existenz leugnet, Infektionsschutzmaßnahmen mit der NS-Diktatur vergleicht und sich unter Berufung auf die Meinungsfreiheit weigert, Arbeitsschutzvorschriften einzuhalten.
5. Pfändbarkeit von Corona-Prämien
Nach einer Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Niedersachen vom 25.11.2021 (6 Sa 216/21) können Corona-Prämien, die einem Arbeitnehmer in der Gastronomie vom Arbeitgeber zusätzlich zum geschuldeten Arbeitslohn gezahlt wurden als unpfändbare Erschwerniszuschläge gem. § 850 a Nr. 3 ZPO qualifiziert werden.
6. Kein Anspruch des Arbeitnehmers auf Versetzung wegen Maskenbefreiungsattest
Das Landesarbeitsgericht Hamburg (Urteil vom 13.10.2021 – 7 Sa 23/21) hat entschieden, dass trotz Vorlage eines „Maskenbefreiungsattestes“ der Arbeitgeber im Wege des Direktionsrechts im Betrieb das Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung anzuordnen darf. Zur Begründung führte das LAG aus, dass das Interesse des Arbeitgebers, den Ausstoß von Aerosolen auf dem geringstmöglichen Niveau zu halten, dem Interesse des Arbeitnehmers aus gesundheitlichen Gründen keine Mund-Nasen-Bedeckung tragen, vorgehen kann. Auch folgt aus § 296 BGB keine Verpflichtung des Arbeitgebers, die Arbeitspflicht nach den Wünschen oder Belangen des Arbeitnehmers zu bestimmen.
7. Kündigung wegen fehlender Impfung/ Arbeitsgericht Berlin
Das Arbeitsgericht Berlin, Urteil vom 3.2.2022 – 17 Ca 11178/21 hat entschieden (Pressemitteilung Nr. 03/22 v. 3.3.2022), dass ein Arbeitgeber in einem Musicalaufführungsbetrieb ein „2G-Modell“ einführen und durchsetzen darf und damit einer Darstellerin, die über keine Corona-Schutzimpfung verfügt, noch vor Vertragsbeginn das Arbeitsverhältnis kündigen darf. Nach der Entscheidung stellt eine solche Kündigung insbesondere auch keine Maßregelung gem. § 612a BGB dar und der Kündigungsvorgang verstößt nach dem Arbeitsgericht Berlin auch nicht gegen das AGG.
8. Freistellung von umgeimpften Pflegern zulässig
Das Arbeitsgericht Gießen (Beschluss vom 12.4.2022 – 5 Ga 1/22) hat in zwei Verfahren im Wege einer einstweiligen Verfügung entschieden, dass ein Pflegeheim berechtigt ist, (langjährig tätige) umgeimpfte Mitarbeiter von der Arbeit freizustellen. Ob diese unbezahlt oder bezahlt freizustellen sind, wurde in diesem Verfahren aber nicht entschieden. Der Hintergrund ist, dass der Gesetzgeber es schlicht versäum hat, ein klares Beschäftigungsverbot auch für alle vor dem 16.3.2022 bereits in Pflege- und Gesundheitseinrichtungen Beschäftigten zu normieren.
9. Kündigung wegen gefälschtem Impfpass zulässig
Das Arbeitsgericht Köln (Urteil vom 23.3.2022 – 18 Ca 6830/21) hat entschieden, dass eine Arbeitnehmerin, die unter Verwendung eines gefälschten Impfpasses gegenüber dem Arbeitgeber die im Betrieb vorgegebene 2-G-Regel umgangen hat und Kontakt zu Kunden hatte, obwohl dies umgeimpft nicht zulässig war, vom Arbeitgeber gekündigt werden darf. Die fristlose/ außerordentliche Kündigung durch den Arbeitgeber ist nach Ansicht des Arbeitsgerichts Köln zulässig.
10. Vorlage einer Kopie eines gefälschten Impfausweis kann Kündigung rechtfertigen
Allein die Vorlage einer Kopie eines gefälschten Impfausweises kann schon eine Kündigung durch den Arbeitgeber rechtfertigen, so das Arbeitsgericht Düsseldorf (Urteil vom 18.2.2022 – 11 Ca 5388/21).
11. kein anlasslose Anordnung eines Corona-Tests durch den Arbeitgeber zulässig
Das Arbeitsgericht Villingen-Schwenningen (Urteil vom. 22.10.2021 – 2 Ca 52/21) hat entschieden, dass der Arbeitgeber nicht ohne Anlass vom Arbeitnehmer einen Corona-Test verlangen darf. Gibt es aber einen Anlass (Kontakt mit einem an Corona erkrankten Mitarbeiter) darf ein Test im Rahmen des allgemeinen Weisungsrechts vom Arbeitgeber angeordnet werden.
12. Kündigung unwirksam wegen Vorlage von Corona-Testnachweisen aus dem Internet
Das Arbeitsgericht Bielefeld (Urteil vom 24.3.2022 – 1 Ca 2311/21) hat entschieden, dass bei der Vorlage eines Testzertifikats, bei dem ein negatives Testergebnis (Corona-Test) bescheinigt wird, obwohl der Aussteller des Testergebnisses die Durchführung des Corona-Schnelltests nicht beaufsichtig hat, dies nicht als Kündigungsgrund ausreicht. Der Arbeitgeber hätte hier vorher abmahnen müssen. Die ausgesprochene Kündigung war unwirksam. Zu unterscheiden ist der Fall von den obigen Fällen, bei denen ein gefälschtes Impfzertifikat von den Arbeitnehmern benutzt wurde.
13. kein Beschäftigungsverbot bei fehlender Impfung
14. kein Schmerzensgeld vom Arbeitgeber bei Corona-Infektion
Das Arbeitsgericht Siegburg (Urteil vom 30.3.2022 – 3 Ca 1848/21) hat entschieden, das eine mit Corona infizierte und erkrankte Krankenschwester keinen Anspruch auf Schadensersatz und Schmerzensgeld gegen ihren Arbeitgeber hat, wenn sie nicht nachweisen kann, dass der Arbeitgeber die Schuld an der Erkrankung trägt.
15. Anhusten mit Corona-Absicht als wichtiger Kündigungsgrund
Das Landesarbeitsgericht Düsseldorf (Urt. vom 27.04.2021, Az.: 3 Sa 646/20) hat entschieden, dass das vorsätzliche Anhusten eines Arbeitskollegen mit den Worten “Ich hoffe, Du bekommst Corona” auch ohne vorherige Abmahnung zur außerordentlichen fristlosen Kündigung durch den Arbeitgeber berechtigt.
16. Bundesarbeitsgericht: Corona-Testpflicht für Arbeitnehmer ist rechtmäßig
Das Bundesarbeitsgericht (Urteil vom 1.6.2022 – 5 AZR 28/22) hat entschieden, dass der Arbeitgeber zur Umsetzung der ihn treffenden arbeitsschutzrechtlichen Verpflichtungen berechtigt ist, auf Grundlage eines betrieblichen Schutz- und Hygienekonzepts Corona-Tests einseitig anzuordnen. Damit positioniert sich auch das BAG für bestimmte Corona-Maßnahmen durch Arbeitgeber.
17. gefälschter Genesenennachweis und Kündigung – Arbeitsgericht Berlin
Das Arbeitsgericht Berlin (Urteil vom 26.04.2022, Aktenzeichen 58 Ca 12302/21) hat entschieden, dass eine fristlose Kündigung von Seiten des Landes Berlin zulässig ist, wenn ein Justizangestellter einen geflälschten Genesenennachweis einsetzt, um ohne Corona-Test an seinen Arbeitsplatz zu gelangen (Gericht).
18. BAG: unentgeltliche Freistellung nach Urlaub unzulässig
Das Bundesarbeitsgericht (Urteil vom 10. August 2022 – 5 AZR 154/22) entschied zu Gunsten eines Arbeitnehmers, der nach seinem Türkeiurlaub (Hochrisikogebiet) vom Arbeitgeber in Quarantäne für 14 Tage ohne Entgelt geschickt wurde. Das BAG führte aus, dass der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer die Möglichkeit des Nachweises, dass keine Corona-Infektion bestand, hätte geben müssen.
19. LAG Berlin-Brandenburg: Teilnahme am betrieblichen Sommerfest einer Klinik nur mit 2G+ und negativen Test
Die von einer Klinik für ein betriebliches Sommerfest festgelegte Zugangsregelung, wonach für die Teilnahme am Betriebsfest eine gültige vollständige Impfung und/oder Genesung sowie ein tagesaktueller negativer Antigen-Schnelltest erforderlich ist, ist rechtmäßig. Dies entschied das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg (Urteil vom 1.7.2022 – 6 Ta 673/22).
20. LAG Hessen – Keine Pflicht, nicht geimpftes Pflegepersonal in Seniorenheim zu beschäftigen
Das Hessische Landesarbeitsgericht (Urteile vom 11.08.2022, Az. 5 SaGa 728/22 und 7 SaGa 729/22) hat in zwei Verfahren auf einstweiligen Rechtsschutz die Anträge von in der Pflege tätigen Klägern abgewiesen, die eine Weiterbeschäftigung ohne Impfung erreichen wollten. Nach dem LAG wirke der erforderliche Impfnachweis wie eine berufliche Tätigkeitsvoraussetzung.
21. Arbeitsgericht Siegburg – Täuschung über Corona-Impfstatus und fristlose Kündigung
Das Arbeitsgericht Siegburg (Urteil vom 23.06.2022 – 3 Ca 2171/21) hat entschieden, dass die Täuschung gegenüber dem Arbeitgeber über den Impfstatus des Arbeitnehmers durch Vorlage eines falschen Impfnachweises eine fristlose Kündigung rechtfertigen kann.
22. Arbeitsgericht Köln – kein Anspruch auf Beschäftigung und Annahmeverzugslohn
Das Arbeitsgericht Köln (Urteil vom 21.7.2022 – 8 Ca 1779/22) hat entschieden, dass eine nicht gegen SARS-CoV-2 geimpfte und aus diesem Grunde freigestellte Pflegekraft keinen Anspruch auf tatsächliche Beschäftigung sowie Zahlung von Annahmeverzugslohn hat. Nach dem Gericht steht dem Beschäftigungsanspruch der Arbeitnehmerin bereits § 20a Abs. 1 IfSG entgegen, aus dem sich seit dem 16.3.2022 ein unmittelbares gesetzliches Tätigkeitsverbot für nicht immunisierte Pflegekräfte ergibt. Einer gesonderten behördlichen Entscheidung des Gesundheitsamtes bedarf es hierfür nicht, so das Arbeitsgericht Köln.
23. Eilantrag gegen Praxisverbot abgewiesen – OVG Rheinland-Pfalz
Das Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz (Beschluss vom 2.9.2022 – 6 B 10723/22) hat einen Eilantrag einer in einer Zahnarztpraxis beschäftigten Mitarbeiterin abgewiesen. Diese war nicht gegen das Coronavirus geimpft. Sie klagte (deshalb haben hier die Verwaltungsgericht entschieden) nicht gegen den Arbeitgeber, sondern gegen den Landkreis, der das Betretungsverbot erlassen hatte. Die Klage blieb ohne Erfolg.
24. Tätigkeitsverbot ungeimpfter Pfleger nur durch das Gesundheitsamt
Das Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg (Urteil vom 3.2.2023 – 7 Sa 67/22) hat entschieden, dass Freistellung ungeimpfter Pflegekräfte nur nach Verhängung eines Tätigkeitsverbots durch das Gesundheitsamt möglich ist. Der Arbeitgeber kann nicht von sich aus eine Tätigkeitsverbot “aussprechen” und dann unbezahlt freistellen.
Weiter hat das LAG Baden-Württemberg in Bezug auf Annahmeverzugslohnansprüche des Arbeitnehmers entschieden, dass die Leistungsfähigkeit und auch Leistungswilligkeit des Arbeitnehmers im Rahmen der §§ 293 ff. BGB sich auf die nach § 294 BGB zu bewirkende Beschäftigung beziehen muss. Ein fehlender Impfnachweis gemäß § 20a Abs. 1 IfSG steht dem nicht entgegen.
25. gefälschter Impfausweis und Vorlage beim Arbeitgeber
Nach dem Landesarbeitsgericht Düsseldorf (Urteil vom 7.2.2023 – 8 Sa 326/22) stellt die Vorlage eines gefälschten Impfausweises in der Absicht die Nachweispflicht des § 28b Abs. 1 IfSG zu umgehen, eine schwere Verletzung einer arbeitsvertraglichen Nebenpflicht des Arbeitnehmers dar, die geeignet ist, eine außerordentliche Kündigung zu rechtfertigen. Dies gilt auch dann, wenn der Arbeitnehmer bereits seit 19 Jahren beim Arbeitgeber beschäftigt ist.
26. Kündigung wegen verweigerter Impfung
Das Bundesarbeitsgericht (Urteil vom 30. März 2023 – 2 AZR 309/22 ) hat entschieden, dass die Kündigung einer Mitarbeiterin im Krankenhaus, die sich weigerte sich gegen Corona impfen zu lassen wirksam ist und nicht gegen das Maßregelungsverbot verstößt. Die Besonderheiten des Fall es sind aber, dass dieser vor der Impfpflicht in der Gesundheitsbranche spielt und darüber hinaus es sich um eine Kündigung in der Wartezeit (Probezeit) handelt.
27. Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall Nr. 1
Das Landesarbeitsgericht Hamm (Urteil vom 24.8.2023 – 15 Sa 1033/22) hat entschieden, dass ein an COVID-19 erkrankter Arbeitnehmer infolge Krankheit objektiv an seiner Arbeitsleistung verhindert ist, wenn er sich in Quarantäne begeben muss. Eine Ausnahme besteht dann, wenn der Arbeitgeber von ihm verlangen kann im Homeoffice zu arbeiten.
28. Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall Nr. 2
Das Landesarbeitsgericht Thüringen (Urteil vom 8.8.2023 – 1 Sa 41/23) hat entschieden, dass im Fall einer symptomlosen Infektion mit dem SARS-CoV-2-Virus keine krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit im Sinne von § 3 EFZG vorliegt. Daran ändert auch eine Quarantäneanordnung wegen einer Infektion mit dem SARS-CoV-2-Virus nichts.
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