ANWALT UND RECHTSBERATER IN POLEN
Das polnische Recht ist umfangreich und unterscheidet sich in vielen Punkten vom deutschen Recht. Aber nicht nur das Recht ist unterschiedlich. In Polen gibt es nicht den typischen Anwalt, sondern gleich zwei “Arten” von Anwälten in Polen.
In Polen gibt es sowohl Anwälte als auch sog. Rechtsberater. Der Rechtsanwalt in Polen nennt sich Adwokat, was man mit Anwalt übersetzen kann.
Der Rechtsberater in Polen nennt sich Radca Prawny, was man mit Rechtsberater übersetzen kann.
Für deutsche Mandanten ist dies schwierig zu verstehen.
Die Ausbildung des Adwokats und des Radca Prawny in Polen ist vergleichbar mit der deutschen Anwaltsausbildung. Die Dauer des Rechtsreferendaritats beträgt derzeit 3 Jahe und überwiegend in Anwaltskanzleien absolviert. Nur kurz ist der Referendariat bei Gericht oder bei der Staatsanwaltschaft. Anders als in Deutschland gibt es in Polen kein Ausbildung zum Volljuristen, der sowohl als Anwalt, Richter oder Staatsanwalt tätig werden kann. Vor dem Referendariat muss sich der Absolvent der juristischen Universität entscheiden, welche Laufbahn er in Polen einschlagen möchte.
Der Unterschied zwischen Anwälten und Rechtsberatern in Polen besteht in der Bezeichnung und der Ausbildung. Auch war es in der Vergangenheit so, dass der Rechtsberater in Polen anders als der Anwalt in Polen keine Vertretungen im Familienrecht und im Strafrecht vornehmen durfte und sich mehr auf polnische Wirtschaftssachen konzentrierte. Diese Unterschiede sind mittlerweile – fast – völlig beseitigt worden. Eine Annäherung – auch über die Kammern – zwischen Rechtsanwälten und Rechtsberatern findet in Polen langsam, aber stetig statt. Es gibt auch immer mehr “gemischte Kanzleien” in Polen.
Standesrecht – wie in Deutschland vor einiger Zeit
Grundsätzlich kann man sagen, dass die standesrechtlichen Vorschriften für Anwälte in Polen noch konventioneller sind als die deutschen Vorschriften (BRAO). Wobei das Standesrecht zwischen dem Adwokat und dem Radca Prawny auch unterschiedlich ist. Es ist zu beachten, dass hier aber eine Angleichung erfolgt, vor allem in Punkt Werbung und Weiterbildung. Allerdings ist in den letzten Jahren eine Liberalisierung des polnisches Standesrechts, gerade auch in Punkto Werbung zu beobachten. Auch erfolgt immer stärker eine Angleichung von polnischen Rechtsanwälten und Rechtsberatern, so z.B. durch ein gemeinsames Referendariat.
hoher sozialer Status
Der Anwalt in Polen hat einen guten Ruf und einen hohen sozialen Status; dies hängt auch damit zusammen, dass in Polen weitaus weniger Anwälte tätig sind als in Deutschland und es früher sehr schwer war Rechtsanwalt in Polen zu werden. Dies hat sich nun geändert. Während z.B. in der polnischen Stadt Stettin vor einigen Jahren nur 2 bis 3 neue Referendare (Aplikanten) pro Jahr zugelassen wurden, hat sich diese Zahl mittlerweile vervielfacht. Im Jahr 2013 werden in Stettin rund 20 neue Anwälte zugelassen werden.
Anwaltsausbildung in Polen
Die Anwaltsausbildung in Polen ist länger als in Deutschland und auch praxisbezogener. Es gibt – anders als in Deutschland – ein eigenes Referendariat für Anwälte, Rechtsberater, Richter, Staatsanwälte, Gerichtsvollzieher und Notare. Der polnische Jurist muss sich also – anders als in Deutschland – bereits nach dem erfolgreichen Jurastudium (Abschluss Magister) für eine juristische Laufbahn entscheiden. Das Jurastudium wird mit einer Magisterarbeit abgeschlossen. In Polen gibt es kein 1. Staatsexamen für Juristen. Dafür gibt es einen Zulassungstest für das juristische Referendariat. Zu beobachten ist aber, dass eine Annäherung zwischen den Rechtsberatern und Anwälten stetig erfolgt, so wird mittlerweile sogar ein identischer Zulassungstest zum Referendariat verwendet. Trotzdem gibt es aber immer noch 2 unterschiedliche juristische Referendariate, die von den jeweiligen Kammern organisiert werden. Beachtenswert ist, dass die Anwalts-Referendare ihre Ausbildung selbst finanzieren müssen. Sie bekommen zwar meist eine geringe Vergütung vom Ausbilder (Anwalt), müssen aber selbst an die Anwaltskammer für die Ausbildung zahlen.
Anwaltsreferendariat
So dauert das Referendariat (Aplikacja) in Polen für den Anwalt ungefähr 3 Jahre (früher sogar 3,5 Jahre) und ist viel stärker auf den Anwaltsberuf zugeschnitten. Fast die gesamte Zeit ist der Anwaltsreferendar bei seinem Rechtsanwalt (Adwokat) beschäftigt und nur kurze Zeit (6 Monate) bei Gericht und bei einer Behörde (z.B. Staatsanwaltschaft). Die meiste Zeit ist der polnische Referendar bei seinem Ausbilder (also beim Rechtsanwalt) und bearbeitet dort diverse Fälle und nimmt auch recht viele Gerichtstermine wahr. In Polen besteht ohnehin die Besonderheit, dass polnische Anwälte häufiger bei Gericht sind als deutsche, da in Polen eher selten Mandate im außergerichtlichen Bereich erteilt werden, da es keine Erstattungsfähigkeit von Anwaltsgebühren im außergerichtlichen Bereich – wie in Deutschland – gibt.
Unterschied zwischen Rechtsanwalt und Rechtsberater in Polen
Es gibt aber immer noch Unterschiede. Es bestehen zwischen dem Anwalt in Polen und den Rechtsberater aber immer noch Unterschiede in Bezug auf das Standesrecht (die Rechtsberater in Polen haben liberalere Vorschriften in Bezug auf die Werbung) und auf die Möglichkeit als Angestellter in einer Firma zu arbeiten. Der Rechtsberater in Polen kann nämlich anders als der polnische Rechtsanwalt im Angestelltenverhältnis beschäftigt werden. Dies wird wohl in Zukunft ein Vorteil sein, denn es gibt immer mehr Rechtsberater und Anwälte in Polen. Die Rechtsberater arbeiten meistens als Angestellte von Firmen und haben oft darüber hinaus auch noch ihre eigene Kanzlei.
Anwälte und Rechtsberater in Polen in Kooperation?
Kanzleien, in denen sowohl polnische Rechtsberater als auch polnische Anwälte arbeiten, findet man in Polen heutzutage häufig. Vor einigen Jahren war dies in Polen nicht gerne gesehen. Die Zusammenarbeit macht auch deshalb Sinn, da der polnische Rechtsberaterdann in den Kanzleien angestellt werden kann. Dies passiert aber nicht immer. Es gibt auch viele polnische Rechtsberater, die eben mehr in diese “Mischkanzleien” einbringen als ihre Arbeitskraft, nämlich gute Kontakte zur Wirtschaft. Wie gesagt, ist eine Anstellung als Rechtsanwalt / Rechtsberater so möglich.
Auch die Prüfungen für die Zulassung zur Anwaltsschaft finden mittlerweile gemeinsam statt und Weiterbildungsveranstaltungen werden gegenseitig anerkannt (ein Rechtsanwalt in Polen muss pro Jahr eine bestimmte Anzahl von Stunden an Weiterbildung nachweisen; ähnlich, wie in Deutschland der Fachanwalt, ansonsten gibt es ein “Bußgeld” von der Anwaltskammer).
Fachanwälte gibt es in Polen nicht. Bei viele polnischen Kollegen stößt man auf Unverständnis, wenn man die Vorteile der Spezialisierung benennt.
Wandel in der polnischen Anwaltschaft
Allerdings ist auch ein Wandel zu beobachten. Die Anwaltsdichte nimmt sehr stark zu, da die Beschränkungen des Zuganges zum Anwaltsberuf aufgehoben wurden. Weiter ist eine Liberalisierung der berufsrechtlichen Vorschriften der Anwälte und eine Angleichung zwischen den Vorschriften der Anwälte und den Rechtsberater. Die Unterscheidung macht ohnehin – diese stammt noch aus sozialistischen Zeiten – keinen Sinn.