Kündigungsschutz und Schwerbehinderung
Schwerbehinderte Arbeitnehmer sind vor einer Kündigung des Arbeitgebers besonders geschützt. Mitarbeiter mit Schwerbehinderung und ihnen Gleichgestellte unterliegen grundsätzlich gemäß § 168 SGB IX einem besonderen Kündigungsschutz (Sonderkündigungsschutz). Der Arbeitgeber braucht nämlich für die Kündigung (unerheblich ob ordentlich oder außerordentlich) die vorherige Zustimmung des Integrationsamtes. Von daher genießen schwerbehinderte Personen neben dem allgemeinen Kündigungsschutz nach dem Kündigungsschutzgesetz auch besonderen Kündigungsschutz nach dem SGB IX.
Zustimmung des Integrationsamtes vor Kündigung
Die Zustimmung des Integrationsamtes ist vor jeder ordentlichen und außerordentlichen Kündigung des Arbeitgebers erforderlich. Die gleichberechtigte Teilhabe schwerbehinderter Menschen am Leben, insbesondere auch im Arbeitsleben, ist ein besonderes Anliegen der deutschen Gesetzgebung. Das Zustimmungserfordernis des Integrationsamtes nach dem SGB IX ist ein Ergebnis dieser Gesetzgebung. Durch den Sonderkündigungsschutz werden Schwerbehinderte zusätzlich im Arbeitsverhältnis geschützt.
Was heißt besonderer Kündigungsschutz eines Schwerbehinderten?
Vielen Arbeitnehmern ist bekannt, dass für den Fall der Anwendung des Kündigungsschutzgesetzes auf das Arbeitsverhältnis ein allgemeiner Kündigungsschutz gilt. Der Arbeitgeber braucht für eine Kündigung einen Kündigungsgrund und kann hier nur verhaltensbedingt, personenbedingt oder betriebsbedingt kündigen.
allgemeiner Kündigungsschutz
Das Kündigungsschutzgesetz ist dann auf das Arbeitsverhältnis anzuwenden, wenn mehr als zehn Arbeitnehmer im Betrieb in Vollzeit tätig sind und das Arbeitsverhältnis bereits länger als sechs Monate besteht. Diesen allgemeinen Kündigungsschutz genießen selbstverständlich auch Schwerbehinderte.
besonderer Kündigungsschutz
Darüberhinaus genießen diese aber auch einen sogenannten Sonderkündigungsschutz. Dies heißt einen besonderen Kündigungsschutz, den normale Arbeitnehmer nicht bekommen. Dieser ist geregelt in die § 168-175 SGB IX. Danach kann das Arbeitsverhältnis eines schwerbehinderten Arbeitnehmers nicht ohne weiteres gekündigt werden. Zusätzlich zu den allgemeinen Voraussetzungen für eine Kündigung ist die Zustimmung des Integrationsamtes zur Kündigung notwendig. Dies heißt, dass Arbeitnehmer mit einer Schwerbehinderung zweifach geschützt sind, zum einen aufgrund des allgemeinen Kündigungsschutzes und zum anderen aufgrund des besonderen Kündigungsschutzes nach dem SGB IX.
Welche Arbeitnehmer haben einen Anspruch auf Sonderkündigungsschutz als Schwerbehinderte?
Alle schwerbehinderten Arbeitnehmer eines Betriebes, unabhängig von ihrer Stellung im Betrieb, haben den Sonderkündigungsschutz eines Schwerbehinderten, solange diese länger als sechs Monate im Betrieb beschäftigt sind. Als schwerbehinderte Person gilt eine Person mit einem Grad der Behinderung (GdB) von 50 oder mehr (§ 2 Abs. 2 SGB IX).
Gleichgestellte Arbeitnehmer
Allerdings können auch Personen, die einen Grad der Behinderung von wenigstens 30 haben, aber noch keinen GdB 50 den Sonderkündigungsschutz eines Schwerbehinderten genießen, wenn sie diesen als Schwerbehinderten gleichgestellt wurden. Eine solche Gleichstellung, die immer beantragt werden sollte, wenn die Voraussetzungen vorliegen, erfolgt nur auf den Antrag des Arbeitnehmers und wird über einen Bescheid festgestellt. Diesen Antrag muss der Arbeitnehmer wenigstens drei Wochen vor Zugang der Kündigung stellen.
Gilt der Sonderkündigungsschutz auch im Kleinbetrieb?
Ja, der Arbeitgeber braucht die Zustimmung des Integrationsamtes auch, wenn er nur einen Kleinbetrieb führt und das Kündigungsschutzgesetz keine Anwendung findet. Der Sonderkündigungsschutz steht also unabhängig vom Kündigungsschutzgesetz bzw. vom allgemeinen Kündigungsschutz.
Gilt der besondere Kündigungsschutz auch in der Probezeit/ Wartezeit?
Nein, der besondere Kündigungsschutz gilt hier in der Probezeit / Wartezeit nicht, sondern erst nach 6 Monaten. Dies heißt, dass innerhalb der ersten sechs Monate des Arbeitsverhältnisses ein Sonderkündigungsschutz nicht besteht. Ein schwerbehinderte Arbeitnehmer kann also ohne Kündigungsschutz innerhalb der ersten sechs Monate des Arbeitsverhältnisses gekündigt werden. Dabei spielt auch keine Rolle, wie lang die Probezeit (§ 622 III BGB) vereinbart ist.
Beispiel: Der schwerbehinderte Arbeitnehmer A bekommt einen Arbeitsvertrag, in welchem eine Probezeit mit drei Monaten geregelt ist. Innerhalt der Probezeit kann das Arbeitsverhältnis von beiden Seiten mit eine Frist von 2 Wochen gekündigt werden (§ 622 III BGB). Im vierten Monat – also nach Ablauf der vereinbarten Probezeit – kündigt der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis. Darf er dies?
Antwort: Ja. Die Probezeit ist letztendlich nur eine Vereinbarung einer kürzeren Kündigungsfrist. Der Sonderkündigungsschutz greift erst nach sechs Monaten, unabhängig davon, wie lang die Probezeit im Arbeitsvertrag vereinbart wurde.
Gibt es Ausnahmen, bei denen das Integrationsamt nicht zustimmen muss?
In der Regel muss das Integrationsamt einer jeden Kündigung des Arbeitgebers – also egal, ob eine ordentliche, außerordentliche, eine Beendigungskündigung oder Änderungskündigung erklärt wird – zustimmen. Eine Ausnahme gilt dann, wenn der Arbeitnehmer das 58. Lebensjahr vollendet hat und einen Anspruch auf Abfindung o. ä. Leistung hat. Dies dürfte allerdings selten vorkommen.
Darüberhinaus ist auch eine Zustimmung des Integrationsamtes nicht erforderlich, wenn innerhalb der ersten sechs Monate des Arbeitsverhältnisses gekündigt wurde (siehe oben).
Was ist, wenn der Arbeitgeber von der Schwerbehinderung nichts weiß?
Es gibt Fälle, in denen der Arbeitgeber nichts von der Schwerbehinderung des Arbeitnehmers weiß und ohne Zustimmung des Integrationsamtes kündigt. In dieser Situation muss der Arbeitnehmer dringend handeln. Er muss dem Arbeitgeber innerhalb von drei Wochen nach Zugang der Kündigung seine Schwerbehinderung anzeigen. Dies sollte rechtssicher geschehen, sodass auch nachweisbar ist, dass der Arbeitgeber innerhalb dieser drei Wochen vom Arbeitnehmer über die Schwerbehinderung informiert wurde. Weiter muss der Arbeitnehmer zwingend Kündigungsschutzklage einreichen. Wenn der Arbeitnehmer also gegen die Kündigung nicht klagt und nicht innerhalb der drei Wochen die Schwerbehinderung anzeigt, dann hat er recht schlechte Karten in der Sache überhaupt noch etwas zu gewinnen. Die Kündigung wird dann nach § 7 des Kündigungsschutzgesetzes wirksam. In Bezug auf die Klagefrist gilt aber zu Gunsten des Arbeitnehmers der § 4 Abs. 1, Satz 4 KSchG. Trotzdem sollte immer die Kündigungsschutzklage innerhalb von 3 Wochen ab Zugang der Kündigung erhoben werden.
Wie hoch ist die Abfindung bei einer Kündigung eines Schwerbehinderten?
Interessant ist natürlich für Arbeitnehmer, die eine Kündigung des Arbeitgebers erhalten und schwerbehindert sind, in welcher Höhe sie gegebenenfalls eine Abfindung erhalten können. Dabei ist wichtig zu wissen, dass auch für Schwerbehinderte in der Regel kein gesonderter Abfindungsanspruch besteht.
Für den Arbeitnehmer, der nicht schwerbehindert ist ist es in den meisten Fällen so-und dies gilt auch für schwerbehinderte Arbeitnehmer-dass nur in seltenen Fällen tatsächlich ein Anspruch auf Zahlung einer Entlassungsentschädigung besteht.
Abfindungshöhe ist oft reine Verhandlungssache
Die Höhe der Abfindung kann niemand genau voraussagen. Diese ist oft reine Verhandlungssache. Wenn der Arbeitnehmer einen besonders starken Kündigungsschutz hat und damit das Prozessrisiko für den Arbeitgeber besonders hoch ist, ist in der Regel mit einer höheren Abfindung zu rechnen, insbesondere dann, wenn der Arbeitgeber auf keinen Fall mehr den Arbeitnehmer beschäftigen möchte.
Abfindungsformel
In der Regel wird man von der allgemeinen Abfindungsformel von einem halben Bruttomonatsgehalt pro Arbeitsjahr (Arbeitsgericht Berlin) ausgehen und diese dann etwas beim Schwerbehinderten erhöhen.
Formel auf Zahlung einer Entlassungsentschädigung ohne Verbindlichkeit
Wichtig ist, dass diese Formel keinerlei Rechtsverbindlichkeit hat. Allerdings ist zu beachten, dass ein schwerbehinderter Arbeitnehmer einen besseren Kündigungsschutz hat und von daher sollte man in Bezug auf die Abfindung hier höher in die Verhandlung zum Gütetermin gehen. Hier ist es auf jeden Fall sinnvoll sich anwaltlich beraten zu lassen und sich auch im Rahmen des Kündigungsschutzverfahrens von einem Fachanwalt für Arbeitsrecht vertreten lassen, da nur dieser über entsprechende Kenntnisse und auch über die Erfahrungen im Aushandeln einer Abfindung hat.
Arbeitsplatz nicht vorschnell aufgeben
Trotzdem sollte man sich genau überlegen, ob man tatsächlich den „sicheren Arbeitsplatz“ aufgibt für eine Abfindung, die wahrscheinlich dann auch recht schnell verbraucht wird, oder ob man tatsächlich hier als schwerbehinderte Person um den Arbeitsplatz kämpft.
Muss das Integrationsamt zustimmen, wenn ein Aufhebungsvertrag geschlossen wird?
Nein. Das Integrationsamt muss nur entsprechend bei einer Kündigung beteiligt werden. Schließt der Arbeitnehmer einen Aufhebungsvertrag und ist schwerbehindert, so ist dies grundsätzlich ohne Zustimmung des Integrationsamtes möglich. Der Grund ist der, dass der Schutz des Arbeitnehmers gerade dann erfolgen soll, wenn gegen den Willen des Arbeitnehmers zum Beispiel durch Kündigung des Arbeitgebers hier gehandelt wird. Einen Aufhebungsvertrag schließt der Arbeitnehmer in der Regel aber freiwillig und von daher besteht hier kein besonderer Schutz und ist in der Regel auch nicht notwendig.
In Ausnahmefällen kann der Schwerbehinderte Arbeitnehmer-in Ausnahmefällen-auch gegen einen Aufhebungsvertrag vorgehen und diesen anfechten, wenn die Voraussetzungen dafür vorliegen.
Wie prüft das Integrationsamt die Kündigung?
Wie oben bereits ausgeführt wurde, ist das Zustimmungserfordernis des Integrationsamtes vor einer Kündigung des Arbeitgebers notwendig. Der Grund ist die besondere Schutzbedürftigkeit des schwerbehinderten Arbeitnehmers im Betrieb. Wenn der Arbeitgeber also kündigen möchte, muss er zuvor die Zustimmung des Integrationsamtes einholen. Dazu wird der Normalfall einen Fragebogen ausfüllen und dort unter anderen auch den Kündigungsgrund, der hier entscheidend ist, mitteilen. Das Integrationsamt hört dann den Arbeitnehmer gemäß § 170 Abs. 2 SGB IX an. Der Arbeitnehmer bekommt also schon vorab-vor eine Entscheidung des Integrationsamtes-den Antrag des Arbeitgebers übersandt mit der Bitte eine Stellungnahme abzugeben und weiß dann schon, dass bald die Arbeitgeberkündigung kommt. Das Integrationsamt entscheidet dann nachdem es beide Schreiben (Arbeitgeber und Arbeitnehmer) erhalten hat, ob es der Kündigung zustimmt oder nicht. Der Arbeitnehmer muss aber keine Stellungnahme abgeben.
Integrationsamt soll innerhalb eines Monats entscheiden
Die Entscheidung des Integrationsamtes soll innerhalb eines Monats getroffen werden (§ 171 Abs. 1 SGB IX).
Grundsätzlich kann man sagen, dass das Integrationsamt-zumindest in Berlin-recht großzügig die Anträge der Arbeitgeber auf Zustimmung zur Kündigung prüft. Wenn das Integrationsamt der Meinung ist, dass eine außerordentliche Kündigung in Betracht kommt oder für eine ordentliche Kündigung zum Beispiel betriebsbedingte Gründe vorliegen, wird das Integrationsamt keine großartigen Nachforschungen anstellen und in der Regel der Kündigung zustimmen.
Der Arbeitnehmer ist hier aber nicht rechtlos gestellt und hat die Möglichkeit dann Kündigungsschutzklage einzureichen und das Gericht prüft dann auch noch mal – und zwar erheblich genauer – den rechtlichen Schutz (nach dem Kündigungsschutzgesetz) des Arbeitnehmers.
Darf der Arbeitgeber nach der Schwerbehinderung fragen?
Der Arbeitgeber ist im bestehenden Arbeitsverhältnis berechtigt, den Arbeitnehmer nach dem Bestehen einer Schwerbehinderung zu fragen. Es steht dabei dem Arbeitnehmer zwar frei, die Frage wahrheitsgemäß zu beantworten, allerdings sollte der Arbeitnehmer in der Regel hier wahrheitsgemäß antworten, ansonsten kann sein Kündigungsschutz verwirken und er kann sich im Kündigungsschutzverfahren nicht mehr auf seine Schwerbehinderteneigenschaft berufen (Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 16.02.2012 – 6 AZR 553/10).
Rechtsanwalt Andreas Martin – Fachanwalt für Arbeitsrecht
Die Kündigung des Arbeitgebers ist eine einschneidende Maßnahme. Dies erlebe ich als Anwalt in Marzahn -Hellersdorf (Berlin) oft, wenn Mandanten sich zum Thema Kündigungsschutz beraten lassen. Die Arbeitnehmer sind oft menschlich vom Arbeitgeber enttäuscht.
Kostentragung im Kündigungsschutzverfahren vor dem Arbeitsgericht
Wenn der Arbeitnehmer sich gegen die Kündigung des Arbeitgeber nicht mittels Kündigungsschutzklage wehrt , bestimmt § 7 des Kündigungsschutzgesetzes, dass das Arbeitsverhältnis aufgrund der Kündigung endet. Dies ist die sogenannte Wirksamkeitsfiktion. Aufgrund des oft nicht unerheblichen Kostenrisikos kann sich derjenige Arbeitnehmer glücklich schätzen, der über eine Rechtsschutzversicherung für Arbeitsrecht verfügt, die das Kündigungsschutzverfahren finanziert. Ansonsten bleibt nur die Kündigungsschutzklage ohne Anwalt über die Rechtsantragsstelle des Arbeitsgerichts oder die Eigenfinanzierung des Anwalts.
rückwirkend eine Arbeitsrechtsschutzversicherung abschließen
Nachfolgend geht es um die Möglichkeit nachträglich eine solche Rechtschutzversicherung abzuschließen.
Kündigungsschutzklage ist die einzige Möglichkeit auf Abfindung
Der Arbeitnehmer hat nur die Möglichkeit sich gegen die Kündigung mittels Kündigungsschutzklage zu wehren. Eine Klage auf Abfindung ist meistens nicht möglich. Trotzdem werden im Kündigungsschutzverfahren, meistens in der Güteverhandlung, Abfindungen an Arbeitnehmer gezahlt. Dies ist auch beim Arbeitsgericht Berlin ständige Praxis. Wie hoch die Abfindung ist, ist reine Verhandlungssache und hat nicht sehr viel mit der Abfindungsformel (beim Arbeitsgericht Berlin ist diese 1/2-Bruttomonatsgehalt pro Arbeitsjahr) zu tun.
Abfindung ist oft reine Verhandlungssache
Es geht im Endeffekt allein darum, wie hoch das Prozessrisiko für den Arbeitgeber ist und ob dieser den Arbeitnehmer unbedingt loswerden möchte.
Kosten des Kündigungsschutzverfahrens sind oft nicht unerheblich
Unabhängig vom Ausgang des Kündigungsschutzverfahrens hat der Arbeitnehmer immer die Kosten seines eigenen Anwalts zu tragen. Dies gilt im außergerichtlichen Bereich und auch im Arbeitsgerichtsverfahren/Kündigungsschutzverfahren in der 1. Instanz. In der zweiten Instanz ändert sich dies, dort gibt es dann eine Kostenerstattungspflicht. Geregelt ist dies in § 12 a des Arbeitsgerichtsgesetzes.
§ 12a Arbeitsgerichtsgesetz- Kostentragungspflicht
(1) 1In Urteilsverfahren des ersten Rechtszugs besteht kein Anspruch der obsiegenden Partei auf Entschädigung wegen Zeitversäumnis und auf Erstattung der Kosten für die Zuziehung eines Prozeßbevollmächtigten oder Beistandes.
eigene Anwaltsgebühren sind Kostenrisiko, wenn nicht rechtschutzversichert
Dies heißt für den Arbeitnehmer, dass er das Kündigungsschutzverfahren selbst finanzieren muss. Die Anwaltskosten sind ein erheblicher Teil dieser Kosten. Diese können – abhängig vom Bruttomonatsverdienst des Arbeitnehmers zwischen € 1.500 und € 3.500 betragen.
Die Gerichtskosten sind meistens gering und entfallen komplett, wenn ein Vergleich geschlossen wird.
Anwaltsgebühren sind abhängig vom Streitwert
Die Anwaltskosten bestimmen sich nach dem Streitwert, der vom Gericht festgesetzt wird. Dieser wiederum bestimmt sich nach dem Bruttomonatseinkommen des Arbeitnehmers (Der Streitwert im Kündigungschutzverfahren ist in der Regel, das dreifache Bruttomonatsgehalt des Arbeitnehmers.).
Beispiel: Der Arbeitnehmer hat ein Bruttomonatseinkommen von 2500 €. Nach dem Streitwertkatalog der Arbeitsgerichtsbarkeit beträgt von daher der Streitwert für das Verfahren bei einer Kündigungsschutzklage 7500 €. Aus diesem Streitwert kann man dann die Gerichtskosten und die Anwaltsgebühren berechnen. Die Anwaltsgebühren betragen hier – ohne Vergleich – € 1.517,25 nach dem RVG 2021. Kommt es zum Vergleich, dann betragen die gesetzlichen Gebühren für den Anwalt € 2.114,63. Beim gerichtlichen Vergleich entfallen die Gerichtskosten.
Kostenfrage entscheidet oft über Erhebung der Kündigungsschutzklage vor dem Arbeitsgericht
Von daher ist die Frage, ob der Arbeitnehmer gegen die Kündigung vorgeht oder nicht, auch oft eine Kostenfrage. Der Arbeitnehmer, der eine Arbeitsrechtsschutzversicherung hat, hat hier keine großen Probleme sich zu entscheiden. In der Regel wird er sich immer für die Erhebung der Kündigungschutzklage entscheiden, da dies für ihn – abgesehen von der Selbstbeteiligung, wenn eine besteht – kostenneutral ist.
Rechtschutzversicherung im Arbeitsrecht übernimmt eigene Anwaltskosten
Die Rechtschutzversicherung übernimmt in der Regel die kompletten eigenen Anwaltsgebühren (die der Gegenseite müssen ja nicht gezahlt werden). Damit entstehen für den Arbeitnehmer keine eigenen Kosten, es sei denn, dass er möchte, dass der Anwalt spezielle Anträge im Kündigungsschutzverfahren stellt, die von der Rechtschutzversicherung nicht übernommen werden (z.B. oft gibt es Probleme beim Weiterbeschäftigungsantrag/ Annahmeverzugsantrag).
Rechtschutzversicherung und Vergleichsabschluss beim Arbeitsgericht
Auch beim Abschluss eines Vergleichs, der eine zusätzliche Anwaltsgebühren (die sog. Einigungsgebühr) auslöst, übernimmt die Rechtschutzversicherung die zusätzlichen Kosten; manchmal gibt es Probleme beim Vergleichsabschluss mit sog. Vergleichsmehrwert. Ein Vergleichsmehrwert liegt dann vor, wenn zum Beispiel auch eine Freistellung oder ein Arbeitszeugnis (bei verhaltensbedingter Kündigung) im Vergleich geregelt werden, was für den Arbeitnehmer aber sinnvoll ist.
erheblicher finanzieller Vorteil beim rechtzeitigen Abschluss einer Rechtschutzversicherung für das Arbeitsrecht
Unabhängig von kleineren möglichen Zuzahlungen, die selten vorkommen, ist das Bestehen und der Eintritt einer Rechtsschutzversicherung für den Arbeitnehmer ein erheblicher finanzieller Vorteil. Der Grund dafür ist auch der, dass der Arbeitnehmer fast nie vorher weiß, wie das Kündigungsschutzverfahren ausgehen wird. Oft geht es nur um die Zahlung einer Abfindung, auf die aber selten ein Anspruch besteht. Wie oben ausgeführt, ist die Abfindung reine Verhandlungssache. Der Arbeitgeber muss diese nicht zahlen und muss dann, wenn er den Prozess verliert, den Arbeitnehmer weitergeschäftigen. Der Arbeitnehmer kann also nicht sicher sein, dass überhaupt etwas am Ende des Verfahrens vom Arbeitgeber bekommt. Wenn aber finanziell nichts zu verlieren ist, da die Rechtschutz greift, dann ist die Entscheidung für den Arbeitnehmer einfach. Er wird in der Regel klagen.
Rechtschutz oder Selbstzahler
Für viele Arbeitnehmer ist von daher die Kostenfrage entscheidungserheblich. Der Arbeitnehmer, der keine Rechtschutzversicherung hat, hat nur die Möglichkeit selbst Kündigungsschutzklage einzureichen oder-bei sehr schlechten Einkommen und fehlenden Vermögen -über Prozesskostenhilfe versuchen das Kündigungsschutzverfahren zu finanzieren.
Abschluss einer Rechtschutzversicherung für das Arbeitsrecht nach Erhalt der Kündigung durch den Arbeitgeber noch möglich und sinnvoll?
Nach dem Erhalt der Kündigung noch schnell eine Rechtsschutzversicherung für Arbeitsrecht abschließen, die dann greift; ist dies möglich?
Wartezeit besteht für das Arbeitsrecht bei jeder Rechtschutzversicherung von 3 Monaten oder länger
Die Antwort ist recht einfach. Die Rechtschutzversicherungen haben in der Regel eine dreimonatige Wartezeit, die auf jeden Fall im Arbeitsrecht gilt. Geregelt ist dies in den allgemeinen Rechtschutzversicherungsbedingungen, die bei allen Rechtsschutzversicherungen ähnlich sind
Wer also nach Zugang der Kündigung eine Rechtschutzversicherung für das Arbeitsrecht abschließt, muss wissen, dass diese nicht für diese Kündigung greift. Der Arbeitnehmer muss die Kosten des Kündigungsschutzverfahrens selbst finanzieren.
Die Rechtschutzversicherung kann erst dann eintreten, wenn gegebenenfalls nach drei Monaten eine weitere Kündigung kommen, dieses aber für viele Arbeitnehmer natürlich nicht sonderlich interessant, denn es geht ja um Abwehr der aktuellen Kündigung.
Zusammenfassung:
Wer als Arbeitnehmer einer Rechtschutzversicherung hat, die die Kosten des Kündigungsschutzverfahrens deckt, kann getrost gegen die Kündigung des Arbeitgebers vorgehen. Dies lohn sich meistens. Wer keine Rechtschutz zum Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung hat, der kann auch nicht durch den Abschluss eines Rechtschutzversicherungsvertrags für das Arbeitsrecht das Kündigungsschutzverfahren finanzieren. Die Rechtschutz für Arbeitsrecht greift immer erst nach 3 Monaten Wartezeit. Wenn Ihnen der Versicherungsmakler etwas anderes sagt, dann sollten Sie sich dessen Zusicherung schriftlich geben lassen.
Rechtsanwalt Andreas Martin – Fachanwalt für Arbeitsrecht – Berlin Marzahn -Hellersdorf
Das Arbeitsgericht Berlin (Urteil vom 16. Januar 2019, Aktenzeichen 60 Ca 7170/18) hat die Kündigungsschutzklage eines Berliner Lehrers abgewiesen. Dieser ist außerordentlich, verhaltensbedingt aufgrund von Äußerungen auf seinen YouTube-Kanal („Der Volkslehrer“) vom Land Berlin gekündigt worden.
Kündigung aufgrund von verhaltensbedingten Gründen
Das Arbeitsgericht Berlin führte dazu in seiner Pressemitteilung vom 17.01.2019 aus:
Die außerordentliche Kündigung sei gerechtfertigt, weil dem Kläger die persönliche Eignung für eine Tätigkeit als Lehrer im öffentlichen Dienst fehle. Es könne nicht angenommen werden, dass der Kläger zukünftig in dem tarifvertraglich oder gesetzlich geforderten Maße bereit sei, sich zur freiheitlich demokratischen Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes zu bekennen. Dem Kläger komme es darauf an, die verfassungsmäßige Ordnung der Bundesrepublik Deutschland in den von ihm verbreiteten Videos in Frage zu stellen und sie verächtlich zu machen. Diese Einstellung sei mit der Tätigkeit als Lehrer des beklagten Landes unvereinbar und berechtige zur sofortigen Auflösung des Arbeitsverhältnisses.
Anmerkung:
Es wäre hier interessant zu wissen gewesen, was genau der „Volkslehrer“ gesagt haben soll, denn an eine außerordentliche Kündigung sind generell hohe Anforderungen zu stellen, insbesondere auch im Hinblick auf die Meinungsfreiheit. In der Regel ist zuvor abzumahnen. Dies ist aber unter UKmständen entbehrlich, wenn der Arbeitnehmer klar zu verstehen gibt, dass er sich in Zukunft nicht anders verhalten wird.
Erhält der Arbeitnehmer eine Kündigung seines Arbeitsverhältnisses durch den Arbeitgeber dann hat er nur 3 Wochen Zeit um gegen die Kündigung zu klagen, nämlich Kündigungsschutzklage (in Berlin ist hier das Arbeitsgericht Berlin zuständig) einzureichen.
Die Kündigungsschutzklage kann auf Seiten des Arbeitnehmers nicht unerhebliche Anwaltskosten auslösen. Andererseits ist aber auch so, dass ohne Anwalt (am besten für Fachanwalt für Arbeitsrecht) der Erfolg einer solcher Klage – hier geht es oft eher um Abfindung als um Weiterarbeit – meist schlecht ist.
Der Arbeitnehmer, der hier eine Rechtschutzversicherung hat, hat gute Karten und bekommt in der Regel die Kosten der Kündigungsschutzklage finanziert.
Die Frage ist nun, ob der Arbeitnehmer – vor dem Termin beim Anwalt – bereits sich mit seinem Rechtschutzversicherer in Verbindung setzt oder dies dem Anwalt überlässt?
Dem rechtsschutzversicherten Arbeitnehmer ist dringend zu raten vor dem Beratungstermin beim Anwalt sich mit seinem Rechtschutzversicherer in Verbindung zu setzen. Nur so kann er sicher sein, dass sowohl die Beratungskosten beim Anwalt als auch die Kündigungsschutzklage finanziert werden.
Wichtig ist dabei, dass immer der Kontakt direkt zum Rechtschutzversicherer aufgenommen wird und nie zum Versicherungsmakler. Aus eigener Erfahrung kann ich sagen, dass die meisten Versicherungsmakler keine Ahnung von den Rechtschutzversicherungsverträgen haben und dann ohne weitere Prüfung einfach dem Versicherungsnehmer/ Arbeitnehmer sagen, dass alles versichert sei. Dies ist nichts wert. Die Deckungszusage erteil die Rechtschutzversicherung (am besten über die jeweilige Hotline anrufen).
Auch wenn der Versicherungsnehmer nicht immer sofort die sog. Schadennummer von der Versicherung erhält, so bekommt er aber Auskunft ob in seinem Fall eine Deckungszusage erteil wird oder nicht. Darüber hinaus sollte auch erfragt werden, in welcher Höhe hier eine Selbstbeteiligung besteht.
Zu beachten ist auch, dass nach dem Beratungstermin die meisten Anwälte – kostenlose -nochmals schriftlich die Deckungszusage für die Kündigungsschutzklage einholen (für die außergerichtliche Vertretung besteht oft kein Rechtschutz – diese ist in den meisten Fällen auch nicht notwendig).
Weiter ist wichtig, dass der Versicherungsnehmer/ Arbeitnehmer freie Anwaltswahl hat. Er muss nicht den oft von der Rechtschutzversicherung vorgeschlagenen Rechtsanwalt als Prozessvertreter wählen. Arbeitnehmer als Marzahn-Hellersdorf können sich also einen Rechtsanwalt in Marzahn (Fachanwalt für Arbeitsrecht) suchen.
Rechtsanwalt Andreas Martin
Fachanwalt für Arbeitsrecht
Kanzlei Berlin Marzahn – Hellersdorf
Kontakt
Rechtsanwalt Andreas Martin
Marzahner Promenade 22
12679 Berlin
Tel.: 030 74 92 1655
Fax: 030 74 92 3818
E-mail: [email protected]