„Mit diesem Vertrag sind sämtliche gegenseitige Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis und seiner Beendigung – gleich seien sie bekannt oder nicht bekannt – gleich aus welchem Rechtsgrund – geregelt und abgegolten.“
Auflösungsvertrag und die Erledigung aller weiteren Ansprüche
Solche Ausgleichs- oder Erledigungsklauseln findet man aber nicht nur in Auflösungsverträgen. Nicht nur im Rahmen der Vereinbarung eines Aufhebungsvertrags werden diese Klauseln verwendet, sondern auch bei der Regelung einer Abfindung des Arbeitnehmers im Prozessvergleichs vor dem Arbeitsgericht werden solche Ausgleichsklauseln aufgenommen, um eine abschließende Regelung herbeizuführen.
Abwicklung des Arbeitsvertrags durch die Verwendung von Ausschlussklauseln
Mit derartigen Klauseln wollen Arbeitgeber und Arbeitnehmer in der Regel das Arbeitsverhältnis abschließend regeln und abwickeln und alle Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis erledigen, gleichgültig ob sie bei Abschluss des Aufhebungsvertrags an diese dachten oder nicht.
Vorsicht bei der Verwendung
Solche Klauseln können für beide Seiten, meist aber für den Arbeitnehmer, gefährlich sein, da sie dazu führen können, dass Ansprüche, an die keine Partei zum Zeitpunkt des Vergleichs denkt, ausgeschlossen werden. Von daher ist es ratsam sich sehr genau zu überlegen, ob man einer solchen Erledigung zustimmt. Generell sind Aufhebungsverträge mit Nachteilen für den Arbeitnehmer verbunden.
Achtung im bestehenden Arbeitsverhältnis
Im bestehenden Arbeitsverhältnis sollte man auf keinen Fall eine solche Ausgleichsklausel verwenden. Trotzdem versuche manche Arbeitgeber/ Anwälte der Arbeitgeber bei Vergleich vor dem Arbeitsgericht auch bei einem noch einige Zeit fortbestehenden Arbeitsverhältnis derartige Klauseln in einem Prozessvergleich aufzunehmen. Dies kann aber auch für den Arbeitgeber gefährlich sein. Ein Prozessvergleich kommt oft nach einer Kündigung durch den Arbeitgeber zustande. Der Arbeitnehmer erhebt dann Kündigungsschutzklage und es gibt dann einen sog. Gütetermin beim Arbeitsgericht. Hier kommt es dann oft zum Vergleich über die Zahlung einer Abfindung und oft enden solche Abfindungsvergleiche mit einer großen Erledigungs- und Abgeltungsklausel.
Auslegung der Klausel bei Zweifeln
Im Zweifel sind die Klauseln auszulegen, gerade im Hinblick auf ihre Reichweite. Grenze der Auslegung ist der Wortlaut. Zweifel gehen zu Lasten des Verwenders (Arbeitgebers). Dies ist vielen Arbeitgebern aber nicht bekannt.
nicht alle Ansprüche werden erfasst
Nicht alle Ansprüche werden von den Abgeltungsklauseln erfasst.
Das Bundesarbeitsgericht hat dazu entschieden (BAG, Urteil vom 19.01.2011 – 10 AZR 873/08) zum Beispiel den Begriff „Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis“ ausgelegt und eine Einschränkung vorgenommen. Nach dem BAG sind danach nicht nur die sich unmittelbar aus dem Arbeitsvertrag selbst ergebenden Ansprüche von der Ausgleichsklausel erfasst, sondern beispielsweise auch wechselseitige Ansprüche aus einem nachvertraglichen Wettbewerbsverbot, allerdings jedoch nicht Ansprüche, die sich aus anderen, selbstständig neben dem Arbeitsvertrag abgeschlossenen zivilrechtlichen Verträgen ergeben. Dazu zählen zum Beispiel Forderungen aus Werkmietverträgen, Kaufverträgen oder auch aus einem Arbeitgeberdarlehen denn diese Ansprüche fallen in der Regel nicht unter eine Ausgleichsklausel, die sich lediglich auf „Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis“ bezieht.
Achtung: Sperre beim Arbeitslosengeld
Arbeitnehmer, die einen Auflösungsvertrag schließen, bekommen in der Regel eine Sperre beim Arbeitslosengeld, da diese aktiv an der Beendigung ihres Arbeitsverhältnisses mitwirken.
Entscheidung des LAG Mecklenburg-Vorpommern
Nach einer aktuellen Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Mecklenburg-Vorpommern vom 20.4.2022 – 5 Sa 100/21 ging es um die Frage, ob eine umfassende Ausschlussklausel auch eine Aufrechnung des Arbeitgebers mit Ansprüchen auf Lohnüberzahlung ausschließt.
Sachverhalt des Entscheidung des Landesarbeitsgerichts
Der Entscheidung lag folgender Sachverhalt zu Grunde:
Arbeitnehmer und Arbeitgeber schlossen eine Aufhebungsvereinbarung, nach der das Arbeitsverhältnis zum 31.10.2020 beendet werden sollte.
Unter § 4 wurde in der Vereinbarung eine Ausgleichsklausel wie folgt vereinbart:
„Die Parteien sind sich darüber einig, dass mit der Erfüllung dieser Aufhebungsvereinbarung sämtliche wechselseitigen Ansprüche aus und in Verbindung mit dem Arbeitsverhältnis und seiner Beendigung, gleich aus welchem Rechtsgrund, ob bekannt oder unbekannt, vollständig erledigt sind.“
Die Arbeitgeberin kürzte danach den Nettoverdienst um eine Nettoüberzahlung aus den Nachberechnungen für die Monate Juni und Juli 2020 von rund 1.474 €.
Die Arbeitnehmerin sah dies anders und berief sich u.a. auf die Ausschlussklausel, die ja einen Ausschluss weiterer Ansprüche/ Gegenansprüche vorsah und erhob Lohnklage zum Arbeitsgericht.
Das Arbeitsgericht hat die Klage der Arbeitnehmerin auf Zahlung abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin hat das Landesarbeitsgericht die Entscheidung abgeändert und die Arbeitgeberin verurteilt, den zuvor gekürzten Betrag an die Klägerin auszuzahlen.
Das LAG begründet dies wie folgt:
Die Parteien hatten eine Aufhebungsvereinbarung mit Ausgleichsklausel getroffen. Die Regelung erfasste auch einen evtl. Bereicherungsanspruch wegen einer Gehaltsüberzahlung im Juni/Juli 2020. Welche Rechtsqualität und welchen Umfang eine Ausgleichsklausel hat, ist durch Auslegung zu ermitteln. Ausgleichsklauseln in einem gerichtlichen oder außergerichtlichen Vergleich oder in einem Aufhebungsvertrag sind im Interesse klarer Verhältnisse grundsätzlich weit auszulegen. Durch eine Ausgleichsklausel im Zusammenhang mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses wollen die Parteien in der Regel das Arbeitsverhältnis abschließend bereinigen und alle Ansprüche erledigen, gleichgültig, ob sie an diese dachten oder nicht.
Anmerkung:
Hier hatte der Arbeitgeber mal Pech bei der Verwendung der Klausel, denn auch er ist an diese gebunden. Dies gilt sogar, wenn die Klausel wegen des Verstoßes gegen AGB-Vorschriften unwirksam ist. Der Verwender einer unwirksamen Klausel (dies ist zum Beispiel in Arbeitsverträgen und bei Aufhebungsverträgen der Arbeitgeber, denn diese stammen ja vom Arbeitgeber) ist auch an eine unwirksame Klausel gebunden, sofern dieses für ihn nachteilig ist. Der Arbeitnehmer hingegen nicht. Ein typisches Beispiel dafür sind Ausschlussfristen im Arbeitsverträgen. Wenn diese unwirksam sind, dann verfallen die Ansprüche des Arbeitnehmers nicht, aber die des Arbeitgebers. Von daher ist es gefährlich, wenn Arbeitgeber ihre Arbeitsverträge ohne Abstimmung mit einem Anwalt umschreiben. In der Praxis kommt dies aber häufig vor.
Die Kündigung wegen der Fälschung von Impfzertifikaten durch Arbeitnehmer oder die Verwendung von gefälschten Impfpässen ist derzeit bereits von mehreren Arbeitsgerichten als legitim beurteilt worden. Es gibt nun immer mehr Entscheidungen der Arbeitsgerichte dazu. Die Tendenz geht klar in Richtung, dass hier „Betrügereien“ der Arbeitnehmer in der Regel eine außerordentliche Kündigung durch den Arbeitgeber rechtfertigen. Es wird hier zur Übersicht der einzelnen Entscheidungen auf meinen Artikel zur „Impfpflicht in der Gesundheitsbranche“ verwiesen. Dort sind aktuelle Entscheidungen zum Thema Corona und Kündigung aufgelistet.
Corona-Test aus Internet – Kündigung wirksam oder nur Abmahnung?
Hier geht es nun aber darum, ob die Vorlage eines ungeprüften negativen Coronatest, den sich ein Arbeitnehmer aus dem Internet bezogen hat, grundsätzlich als Kündigungsgrund ausreicht. Darf der Arbeitgeber aufgrund einer solchen ungeprüften Testbescheinigung das Arbeitsverhältnis durch Kündigung beenden? Es geht hier also nicht um gefälschte Impfausweise, sondern nur um ungeprüfte „Online-Corona-Tests“.
Entscheidung des Arbeitsgerichts Bielefeld
Das Arbeitsgericht Bielefeld (Urteil vom 24.3.2022 – 1 Ca 2311/21) hat dies verneint und war der Meinung, dass der Arbeitgeber hier allenfalls hätte abmahnen dürfen. Für eine Kündigung reichte der Sachverhalt nach Meinung der Arbeitsrichter nicht aus.
Fall des Arbeitsgerichts Bielefeld
Der Fall war wie folgt:
Der Arbeitnehmer war auf einen städtischen Bauhof beschäftigt. Das Arbeitsverhältnis bestimmte sich nach den Tarifverträgen für den öffentlichen Dienst der Kommunen. Beim Bauhof gab es ab dem 22.11.2021 nach § 28 b IFSG eine 3G-Regel am Arbeitsplatz. Nach dieser Regelung mussten alle Arbeitnehmer durch Nachweiskontrollen die Voraussetzungen der 3G-Regel täglich erfüllen und dies musste Arbeitgeberseits überwacht werden.
Von Seiten des Bauhofs wurde alle nicht geimpften Arbeitnehmer ab dem 24.11.2021 tägliche Tests unter Aufsicht angeboten. Der nicht geimpfte Kläger machte von diesem Angebot ab dem 24.11.2021 täglich Gebrauch und wurde stets negativ getestet.
In den folgenden Tagen kam es auf dem Bauhof zu gehäuften Corona-Erkrankungen. Der Arbeitnehmer hatte in dieser Woche erstmalig auch ein Testzertifikat über die Internetseite Dr. B. bezogen. Das Gesundheitsministerium des Landes NRW warnte allerdings seit dem 28.11.2021 vor diesen „nicht verkehrsfähigen Testnachweisen“. Die Verwendung solcher „Online – Tests“ im Rechtsverkehr stelle eine Ordnungswidrigkeit dar, die mit einem Bußgeld geahndet werden könne. Es braucht nicht näher ausgeführt werden, dass diese „Testnachweise“ keine solche sind.
Am 7.12.2021 wurde der Arbeitnehmer zum Personalgespräch geladen und ihm wurde mitgeteilt, dass es sich bei der Vorlage des Testnachweises um eine Straftat handeln könnte und außerdem eine fristlose Kündigung beabsichtigt sei. Ab dem 8.12.2021 war der Arbeitnehmer dann arbeitsunfähig krank.
Am 15.12.2021 erfolgte die außerordentliche, vorsorglich ordentlich Kündigung durch den Arbeitgeber.
Gegen diese Kündigungen wehrte sich der Arbeitnehmer/ Kläger mittels Kündigungsschutzklage zum Arbeitsgericht Bieldefeld.
Entscheidung zu Gunsten des Arbeitnehmers
Das Arbeitsgericht Bielefeld gab dem Arbeitnehmer Recht und führte dazu aus:
Die streitbefangene Kündigung hat das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht beendet.
Ein „wichtiger Grund“ zur Kündigung kann nicht nur in der erheblichen Verletzung einer vertraglichen Hauptleistungspflicht liegen. Auch die schuldhafte Verletzung von Nebenpflichten kann ein wichtiger Grund zur außerordentlichen Kündigung sein. Hinsichtlich der Vorlage eines Negativtests aus dem Internet steht das ArbG Hamburg in seiner Entscheidung vom 31.03.2022 – 4 Ca 323/21 auf dem Standpunkt, die Vorlage eines Testzertifikats, das unzutreffend bescheinigt, der Antigen-Schnelltest sei von dem Leistungserbringer i.S.d. § 6 Abs. 1 TestV selbst durchgeführt worden, in der Absicht, den in § 28 b Abs. 1 Satz 1 IfSG geregelte Nachweispflicht zu umgehen, sei „an sich“ geeignet, eine fristlose Kündigung zu rechtfertigen. Dabei komme es nicht auf die strafrechtliche Würdigung des Sachverhalts an. Entscheidend sei vielmehr der Verstoß gegen vertragliche Haupt- oder Nebenpflichten und der damit verbundene Vertrauensbruch.
Der Auffassung des ArbG Hamburg kann allerdings nicht zugestimmt werden. Erhebliche Gefahren für den Gesundheitsschutz Dritter liegen nach Ansicht der Kammer erst dann vor, wenn das Testergebnis, das bescheinigt wird, ein unzutreffendes Testergebnis ist. Der Beklagten ist es deshalb nicht gelungen, dem Kläger nachzuweisen, dass er ein gefälschtes Gesundheitszeugnis vorgelegt hatte. Er hatte der Beklagten „lediglich“ ein nicht gültiges Testzertifikat vorgelegt.
Legt der Kläger vor Betreten der Arbeitsstätte dem Arbeitgeber einen aufgrund des Fehlens der gesetzlichen Voraussetzungen nicht ordnungsgemäßen Testnachweis vor, erfüllt er nach Ansicht der Kammer die nach § 28 b Abs. 3 Satz 2 IfSG obliegende Nachweispflicht. Damit darf der Arbeitnehmer den Betrieb nicht betreten und verliert den Entgeltanspruch. Er hat dadurch selbst mindestens eine Ordnungswidrigkeit begangen und die Beklagte in Gefahr gebracht, dass sie sich ebenfalls bußgeldpflichtig macht, indem sie Arbeitnehmer beschäftigt, die kein gültiges Negativattest vorgelegt haben.
Der Kammer fehlt jedes Verständnis für die Vorlage eines den gesetzlichen Vorgaben nicht entsprechenden Negativattests, nur um sich der Vorlage eines täglichen Bürgertests zu entziehen. Wenn man Impfskeptiker ist, muss man dazu und zu den sich daraus ergebenden Konsequenzen stehen und kann sich nicht durch Vorlage eines „Fake“-Attests aus dem Internet Vorteile verschaffen, für die man kein Risiko eingehen möchte. Dem Kläger konnte letztlich aber nicht wiederlegt werden, dass er der Richtigkeit der Angaben auf der Internetseite von Dr. B. vertraut hatte. Vor diesem Hintergrund reicht nach Ansicht der Kammer im vorliegenden Fall der Ausspruch einer Abmahnung zur Beseitigung der Störung ihres Dauerschuldverhältnisses als milderes Mittel aus.
Anmerkung: Nicht immer ist bei einem Verstoß gegen Corona-Schutzbestimmungen im Betrieb eine Kündigung rechtmäßig. Wie so oft kommt es immer auf den Einzelfall an.
eingescannte Unterschrift beim befristeten Arbeitsvertrag
Vorsicht bei eingescannter Unterschrift beim befristeten Arbeitsvertrag – Formfehler mit Folgen!
Befristete Arbeitsverhältnisse werden oft geschlossen, sofern ein Arbeitnehmer neu im Betrieb eingestellt werden soll. Die Befristung hat für den Arbeitgeber mehrere Vorteile, insbesondere kann damit das Kündigungsschutzgesetz „ausgehebelt“ werden. Der Arbeitnehmer kann zwar gegen eine Kündigung eines befristeten Arbeitsverhältnisses mittels Kündigungsschutzklage vorgehen, allerdings kann er das „befristete“ Ende des Arbeitsverhältnisses nicht mit einer Kündigungsschutzklage angreifen. Das Arbeitsverhältnis endet ohne dass es einer Kündigung bedarf zum Befristungstermin.
Befristungskontrollklage als Mittel um gegen eine rechtswidrige Befristung vorzugehen
Gegen eine unwirksame Befristung kann sich der Arbeitnehmer aber mittels einer Befristungskontrollklage (Entfristungsklage) wehren. Diese muss innerhalb von drei Wochen nach Ende des Arbeitsverhältnisses beim Arbeitsgericht erhoben werden. In Berlin ist dafür das Arbeitsgericht Berlin örtlich zuständig. Die Befristungskontrollklage oder Entfristungsklage bewirkt, wenn diese positiv entschieden wird, dass durch das Arbeitsgericht festgestellt wird, dass das Arbeitsverhältnis unbefristet fortbesteht.
Sonderkündigungsschutz wirkt nicht im befristeten Arbeitsverhältnis
Auch der Sonderkündigungsschutz – z.B. für Schwangere oder schwerbehinderte Arbeitnehmer – kommt nur bei einer Kündigung bis zum Ende der Befristung zum tragen. Der Grund ist der, dass das Arbeitsverhältnis eben nicht durch eine Kündigung beendet wird, sondern durch die Vereinbarung der Befristung. Die schwangere Arbeitnehmerin, z.B. ist nur gegen die Kündigung, nicht aber gegen die Befristung ihres Arbeitsverhältnisses geschützt.
Befristungen von Arbeitsverträgen sind oft unwirksam
Allerdings kommt es in der Praxis oft vor, dass Befristungen unwirksam sind und damit die Befristungskontrollklagen oft Erfolg haben. Hier gibt es viele Fallstricke, die von Arbeitgeberseite oft nicht gesehen werden.
Schriftform der Befristungsvereinbarung im Arbeitsrecht
Eine „neue Möglichkeit“, wie eine Befristung, die einfach per Schriftform vereinbart werden kann, unwirksam „machen kann“, hat das Arbeitsgericht Berlin bzw. das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg hier aufgezeigt.
Vorsicht bei eingescannter Unterschrift beim befristeten Arbeitsvertrag – Formvorschriften beachten!
Ein Arbeitgeber wollte besonders fortschrittlich sein und schloss mit einem Arbeitnehmer einen Arbeitsvertrag (nebst mehrerer Verlängerungen) per elektronischer Form mit eingescannte Unterschrift. Dies heißt faktisch, dass es keinen schriftlichen (unterschriebenen) Arbeitsvertrag gibt und auch nicht mit einer qualifizierte elektronische Signatur der Arbeitsvertrag unterzeichnet wurde (kommt sehr selten vor).
elektronische Form ist nicht Schriftform
Das Problem dabei ist nur, dass das Gesetz in § 14 des Teilzeit -Befristungsgesetzes vorsieht, dass eine Befristung grundsätzlich schriftlich geschlossen werden muss. Die elektronische Form ersetzt die Schriftform nicht, allerdings neuerdings die qualifizierte elektronische Signatur (so wie z.B. von Anwälten beim elektronischen Rechtsverkehr mit den Gerichten verwenden). Zumindest gilt dies dann, wenn einfach nur die Unterschrift eingescannt ist bzw. der Vertrag nicht im Original unterschrieben wurde.
§ 14 Abs. 4 des Teilzeit -Befristungsgesetzes lautet:
(4) Die Befristung eines Arbeitsvertrages bedarf zu ihrer Wirksamkeit der Schriftform.
Schriftformgebot und befristete Arbeitsverträge
Das Schriftformgebot des § 14 Abs. 4 TzBfG erfasst grundsätzlich jede Befristung eines Arbeitsvertrags unabhängig von der Rechtsgrundlage, nach der sie vereinbart wird. erfasst grundsätzlich jede Befristung eines Arbeitsvertrags unabhängig von der Rechtsgrundlage, nach der sie vereinbart wird.
Die Befristungsabrede eines befristeten Arbeitsverhältnisses von daher zwingend schriftlich abzuschließen. Es gibt nur eine einzige „elektronische Ausnahme“, nämlich das Unterzeichnen mit einer qualifizierte elektronische Signatur. Diese Ausnahme kommt sehr selten in der Praxis vor.
Entscheidungen zur Schriftform von befristeten Arbeitsverhältnissen
Dabei gilt das Schriftformerfordernis nach dem Urteil des Bundesarbeitsgerichts (Urteil vom 23.06.2004 – 7 AZR 636/03) ausschließlich auf die Befristungsabrede, aber nicht für den Sachgrund.
Zur Wahrung der Schriftform ist es nach der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts (Urteil vom 26.07.2006 – 7 AZR 514/05) ausreichend, wenn die eine Vertragspartei in einem von ihr unterzeichneten, an die andere Vertragspartei gerichteten Schreiben den Abschluss eines befristeten Arbeitsverhältnisses anbietet und die andere Vertragspartei das Vertragsangebot annimmt, indem sie das Schriftstück ebenfalls unterzeichnet und an die andere Partei zurücksendet. Hier liegen zwei Originalunterschriften (auf Papier) vor.
Nach der Entscheidung des BAG (Urteil vom 16.04.2008 – 7 AZR 1048/06) ist die Schriftform ebenfalls gewahrt, wenn der Arbeitgeber den von ihm unterschriebenen befristeten Arbeitsvertrag vor dem Arbeitsbeginn an den Arbeitnehmer zur Unterzeichnung mit der Bitte um Rücksendung übersendet und dieser den Vertrag jedoch erst nach dem Arbeitsbeginn zurückgibt. Hier geht es auch noch zusätzlich um das Problem, dass die Befristung vor der Arbeitsaufnahme schriftlich vereinbart werden muss, wenn es sich um eine sachgrundlose (erstmalige) Befristung handelt.
Rechtsfolge einer rechtswidrigen Befristung
Die Rechtsfolge einer formell unwirksamen Befristung ist folgende:
Ist der befristete Arbeitsvertrag nur aufgrund der fehlenden Schriftform rechtsunwirksam, so gilt gemäß § 16 S. 2 TzBfG der befristete Arbeitsvertrag als geschlossen, allerdings als auf unbestimmte Zeit, Dies hat zur Folge, dass zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber ein unbefristetes Arbeitsverhältnis besteht.
Entscheidung des Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg zum befristeten Arbeitsvertrag mit eingescannter Unterschrift
Zurück zum Fall des Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg (Urteil vom 16.03.2022, Aktenzeichen 23 Sa 1133/21) mit den eingescannten Unterschriften:
Der Arbeitnehmer, der sich hier gegen Befristung mittels Befristungsklage gewehrt hat, gewann vor dem Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg und konnte sich über ein unbefristetes Arbeitsverhältnis freuen. Der Grund war der, dass durch die eingescannte Unterschrift die Schriftform nicht eingehalten wurde. Damit ist ein unbefristetes Arbeitsverhältnis zustande gekommen.
Begründung des Urteils des LAG Berlin-Brandenburg
Das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg (Urteil vom 16.03.2022, Aktenzeichen 23 Sa 1133/21) führte dazu in seiner Pressemitteilung Nr. 07/22 vom 13.04.2022 folgendes aus:
Für eine wirksame Befristung eines Arbeitsvertrages reicht eine eingescannte Unterschrift nicht aus. Dies gilt auch dann, wenn der Arbeitsvertrag nur für einige wenige Tage geschlossen worden ist, wie das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg bestätigt hat.
Das Landesarbeitsgericht hat der Klage wie bereits das Arbeitsgericht stattgegeben. Die vereinbarte Befristung sei mangels Einhaltung der gemäß § 14 Absatz 4 Teilzeit- und Befristungsgesetz zwingend vorgeschriebenen Schriftform unwirksam. Schriftform im Sinne des § 126 Bürgerliches Gesetzbuch erfordere eine eigenhändige Unterschrift oder eine qualifizierte elektronische Signatur. Der vorliegende Scan einer Unterschrift genüge diesen Anforderungen nicht. Bei einer mechanischen Vervielfältigung der Unterschrift, auch durch datenmäßige Vervielfältigung durch Computereinblendung in Form eines Scan liege keine Eigenhändigkeit vor. Den Anforderungen an eine qualifizierte elektronische Signatur genüge ein Scan ebenfalls nicht. Eine etwaige spätere eigenhändige Unterzeichnung des befristeten Vertrages auch durch den Personalverleiher führe nicht zur Wirksamkeit der Befristung. Vielmehr müsse die eigenhändig unterzeichnete Befristungsabrede bei der Klägerin als Erklärungsempfängerin vor Vertragsbeginn vorliegen. Dass die Klägerin diese Praxis in der Vergangenheit hingenommen habe, stehe der jetzt innerhalb der dreiwöchigen Frist nach vorgesehenem Befristungsablauf gemäß § 17 Teilzeit- und Befristungsgesetz erhobenen Klage nicht entgegen. Die Klägerin verhalte sich mit ihrer Klage nicht treuwidrig, vielmehr sei ein etwaiges arbeitgeberseitiges Vertrauen in eine solche nicht rechtskonforme Praxis nicht schützenswert. Aufgrund der Unwirksamkeit der Befristungsabrede bestehe das Arbeitsverhältnis bis zur Beendigung durch die zwischenzeitlich ausgesprochene Kündigung fort.
Das Landesarbeitsgericht hat die Revision zum Bundesarbeitsgericht nicht zugelassen.
Anmerkung zum Urteil:
Zu modern sollte man auch als Arbeitgeber nicht sein. Ich rate als Anwalt (Berlin Marzahn-Hellersdorf) immer davon ab, dass man in Arbeitsrecht als Laie „Neuland“ betritt. Das Einscannen der Unterschriften mag bequem sein und den allgemeinen Zeitgeist entsprechen; juristisch ist dies aber klar falsch und damit nachteilig für den Arbeitgeber, der sich dies ausgedacht hatte. An anderer Stelle hatte ich auch die Unsitte bei einigen Arbeitgebern beklagt, die nun anfangen ihre Arbeitsverträge auf Englisch zu schreiben, obwohl oft die Grundkenntnisse des deutschen Arbeitsrechts nicht vorhanden sind. All dies geht zu Lasten desjenigen der den Arbeitsvertrag stellt und dies ist der Arbeitgeber.
Ein in der Praxis häufig vorkommendes arbeitsrechtliches Problem ist die Kündigung wegen fehlender Corona-Schutzimpfung.Damit hatte sich nun auch das Arbeitsgericht Berlin zu beschäftigen. Hier ging es sogar darum, dass der Arbeitgeber vor Arbeitsantritt das Arbeitsverhältnis aufgrund fehlender Corona-Impfung gekündigt hatte.
Schutzimpfung nur für bestimmte Branchen vorgeschrieben
Aufgrund der gesetzlichen Regelung nach dem Infektionsschutzgesetz ist eine solche Kündigung grundsätzlich unproblematisch möglich, wenn Personen aus der Gesundheitsbereich (einrichtungsbezogene Impfpflicht) der Impfpflicht nicht nachkommen. Der Arbeitgeber kann hier einen Nachweis der Impfung oder Genesung verlangen, wenn dieser nicht vorliegt, dann ist eine Kündigung grundsätzlich möglich, da der Arbeitgeber im Normalfall den Arbeitgeber gar nicht weiter beschäftigen darf (das Gesundheitsamt wird hier in der Regel ein Beschäftigungsverbot aussprechen). Darüber hatte ich bereits berichtet.
keine Impfpflicht für die meisten Branchen
Es gibt auch viele Fälle, wo es eben nicht um eine Arbeit geht, bei der der Arbeitnehmer gesetzlich zur Impfung verpflichtet ist. In den meisten Berufen besteht keine gesetzliche Impfpflicht gegen Corona. Eine allgemeiner Impfpflicht gibt es (noch) nicht. Ob diese überhaupt eingeführt wird, ist fraglich.
Kündigung bei fehlender Corona-Impfung
Trotzdem ist es so, dass überwiegend die Arbeitsgerichte eine Kündigung durch den Arbeitgeber dann bejahen, wenn der Arbeitnehmer aufgrund gesetzlicher Vorgaben oder aufgrund nachvollziehbarer innerbetrieblicher Regelungen nicht ungeimpft oder ungenesen im Betrieb beschäftigt werden kann.
innerbetriebliche Schutzmaßnahmen gegen Corona
Innerbetriebliche Vorgaben sind zum Beispiel die, dass der Arbeitgeber im Betrieb bestimmte Coronaschutzmaßnahmen vorschreibt, wie zum Beispiel indem er eine 2G-Regelung im Betrieb einführt.
Entscheidung des Arbeitsgerichts Berlin
Das Arbeitsgericht Berlin hatte sich nun mit einem Fall zu beschäftigen, wonach der Arbeitgeber im Betrieb eine 2G-Regelung eingeführt hatte und eine Arbeitnehmerin noch vor dem Beginn des Arbeitsverhältnisses-wegen fehlende Impfung-das Arbeitsverhältnis gekündigt wurde. Zum Zeitpunkt des Vertragsschluss wusste der Arbeitgeber nichts von der fehlenden Impfung. Die Arbeitnehmerin hatte angeboten, dass diese täglich aktuelle Corona-Test vorlegen würde. Dies reichte dem Arbeitgeber nicht, der das Arbeitsverhältnis ordentlich vor Arbeitsbeginn kündigte.
Die Arbeitnehmerin wandte auch ein, dass diese diskriminiert werde und darüber hinaus auch ein Maßregelungsverbot vorlegen. Sie erhob gegen die Kündigung eine Kündigungsschutzklage zum Arbeitsgericht Berlin.
Berliner Richter hält Kündigung des Arbeitgebers für wirksam
Das Arbeitsgericht Berlin (Urteil vom 03.02.2022, Aktenzeichen 17 Ca 11178/21) sah dies grundsätzlich anders und hielt auch die Kündigung nur aufgrund der Einführung des 2-D Modells im Betrieb für zulässig und saht auch keinen Rechtsmissbrauch. Das Arbeitsgericht entschied
Corona-Kündigung schon vor Arbeitsantritt zulässig
In seiner Pressemitteilung Nr. 03/22 vom 02.03.2022 führte das Arbeitsgericht aus:
Ein Arbeitgeber darf in einem Musicalaufführungsbetrieb ein „2G-Modell“ durchsetzen und einer Darstellerin, die über keine Corona-Schutzimpfung verfügt, noch vor Vertragsbeginn kündigen.
Zur Begründung hat das Gericht ausgeführt, dass die Kündigungen insbesondere keine Maßregelung gemäß § 612a Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) darstellen würden. Die persönliche Haltung der Klägerin zur Corona-Schutzimpfung sei nicht tragendes Motiv für den Kündigungsentschluss gewesen, sondern habe lediglich den Anlass zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses gegeben. Der Arbeitgeber könne als Ausdruck seiner unternehmerischen Entscheidungsfreiheit das „2G-Modell“ als allgemeingültiges Anforderungsprofil für alle Arbeitsplätze im Betrieb durchsetzen. Wenn dies mit der höchstpersönlichen Entscheidung der Klägerin, sich nicht impfen zu lassen, unvereinbar sei, liege keine Maßregelung vor. Der Ausschluss nicht geimpfter Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer verstoße auch nicht gegen das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG). Auch sei das „2G-Modell“ nicht willkürlich gewählt, da insbesondere das tägliche Vorlegen eines negativen Corona-Testergebnisses die Betriebsabläufe stärker beeinträchtigen und die Beschäftigung nicht geimpfter Personen aufgrund der strengeren Quarantäneregelungen ein höheres Risiko für etwaige Personalausfälle für den Musicalbetrieb darstellen würde. Die Klägerin könne nicht verlangen, dass die Arbeitgeberinnen ein Schutzkonzept umsetzen, das einen höheren Kosten- und Personalaufwand verursache, da neben der unternehmerischen Handlungsfreiheit der Arbeitgeberinnen auch die körperliche Unversehrtheit der übrigen Belegschaft zu berücksichtigen sei.
Anmerkung:
Zu beachten ist auch, dass hier ohnehin noch kein allgemeiner Kündigungsschutz bestanden hat und eine Kündigung innerhalb der Probezeit ohne Grund mit einer Zweiwochenfrist nach Arbeitsvertragsbeginn unproblematisch möglich wäre. Ein Missbrauch liegt hier nicht vor. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.
befristete Aufstockung der regelmäßigen Arbeitszeit im Arbeitsvertrag
Neben der Befristung des gesamten Arbeitsverhältnisses können auch nur einzelne Arbeitsbedingungen befristet werden, dazu gehört auch die Arbeitszeit im Arbeitsvertrag. Dies ist die sogenannte befristete Aufstockung. Der Arbeitgeber kann also mit dem Arbeitnehmer eine Regelung treffen, dass die Arbeitszeit befristet erhöht wird (z.B. von 30 h pro Woche auf 40 h pro Woche). Dies ist aber nicht immer zulässig. Was erlaubt ist und was nicht, erfahren Sie hier.
Muss die befristete Erhöhung der Arbeitszeit schriftlich erfolgen?
Nein, die Befristung einer einzelnen Arbeitsvertragsbedingung muss dabei nicht schriftlich vereinbart werden. Dies ist anders als ein gänzlich befristeter Arbeitsvertrag. Die gesetzliche Regelung des § 14 Absatz 4 TzBfG erfordert nur die Schriftform für die Befristung ganzer Arbeitsverträge (Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 18.06.2008 – 7 AZR 245/07).
Ist es sinnvoll die zeitweise Erhöhung der Arbeitszeit im Arbeitsvertrag schriftlich zu vereinbaren?
Ja, der Arbeitgeber muss dies nachweisen, wenn die Befristung bestritten wird. Von daher ist – für den Arbeitgeber – die Schriftform unbedingt anzuraten.
Wird die befristete Arbeitszeiterhöhung durch das Arbeitsgericht kontrolliert?
Bei einer befristeten Erhöhung der Arbeitszeit im Arbeitsvertrag handelt es sich in der Regel um eine allgemeine Geschäftsbedingung (§ 317 BGB). Die allgemeinen Geschäftsbedingungen sind grundsätzlich durch das Arbeitsgericht überprüfbar. Das Gericht führt eine Angemessenheitskontrolle durch. Auch muss das Gericht dann eine umfassende Berücksichtigung und Bewertung rechtlich anzuerkennender Interessen beider Vertragsparteien vornehmen. Allerdings ist die Prüfung hier nicht so stark, wie bei einer Befristung eines Arbeitsvertrags, für welchen ja ein sachlicher Grund vorliegen muss (mit Ausnahme der sachgrundlosen Befristung). Die Befristung einer Arbeitsvertragsbedingung ist also einfacher und an diese sind weniger strenge Voraussetzungen geknüpft.
Gibt es dazu Entscheidungen der Arbeitsgerichte?
Ja, nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 25.04.2018 – 7 AZR 520/16) ist eine befristete Erhöhung grundsätzlich zulässig. Wenn die Erhöhung der Arbeitszeit aber im erheblichen Umfang erfolgt, dann kann diese unzulässig sein, wenn keine Umstände vorliegen, die eine Befristung eines Arbeitsvertrags insgesamt nach § 14 Abs. 1 TzBfG rechtfertigen würden.
Die befristete Erhöhung der Arbeitszeit in erheblichem Umfang erfordert nach dem BAG zur Annahme einer nicht unangemessenen Benachteiligung des Arbeitnehmers Umstände, die die Befristung eines über das erhöhte Arbeitszeitvolumen gesondert abgeschlossenen Arbeitsvertrags rechtfertigen würden. Eine Arbeitszeiterhöhung in erheblichem Umfang liegt nach dem BAG in der Regel vor, wenn sich das Erhöhungsvolumen auf mindestens 25 % eines entsprechenden Vollzeitarbeitsverhältnisses beläuft (Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 23.03.2016 – 7 AZR 828/13).
Gibt es noch weitere Urteile zur Aufstockung?
Das Landesarbeitsgericht Köln, Urteil vom 09.05.2012 – 3 Sa 1179/11 führt zur Frage der befristeten Aufstockung eines 75%-Vertrags um – 1/4 der durchschnittlichen Arbeitszeit eines Vollbeschäftigten durch 25 sich aneinanderreihende Verträge aus:
cc. Die rund zweieinhalbmonatige Befristung der Arbeitszeiterhöhung der wöchentlichen Arbeitszeit der Klägerin im sog. Ergänzungsvertrag vom 12.04.2012 benachteiligt die Klägerin gemäß § 307 Abs. 1 BGB in unangemessener Weise.
aaa. Unangemessen ist nach der vorgenannten ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts jede Beeinträchtigung eines rechtlich anerkannten Interesses des Arbeitnehmers, die nicht durch begründete und billigenswerte Interessen des Arbeitgebers gerechtfertigt ist oder durch gleichwertige Vorteile ausgeglichen wird. Die Feststellung einer unangemessenen Benachteiligung setzt eine wechselseitige Berücksichtigung und Bewertung rechtlich anzuerkennender Interessen der Vertragspartner voraus. Es bedarf einer umfassenden Würdigung der beiderseitigen Positionen unter Berücksichtigung des Grundsatzes von Treu und Glauben. Bei der Beurteilung der Unangemessenheit ist ein genereller, typisierender, vom Einzelfall losgelöster Maßstab anzulegen. Abzuwägen sind die Interessen des Verwenders gegenüber den Interessen der typischerweise beteiligten Vertragspartner. Im Rahmen der Inhaltskontrolle sind dabei Art und Gegenstand, Zweck und besondere Eigenart des jeweiligen Geschäfts zu berücksichtigen. Zu prüfen ist, ob der Klauselinhalt bei der in Rede stehenden Art des Rechtsgeschäfts generell und unter Berücksichtigung der typischen Interessen der beteiligten Verkehrskreise eine unangemessene Benachteiligung des Vertragspartners ergibt. Betrifft die Inhaltskontrolle einen Verbrauchervertrag, sind nach § 310 Abs. 3 Nr. 3 BGB bei der Beurteilung der unangemessenen Benachteiligung auch die den Vertragsschluss begleitenden Umstände zu berücksichtigen (BAG, Urteil vom 02.09.2099 – 7 AZR 233/08 -, NZA 2009, 1253; zuletzt BAG, Urteil vom 15.12.2011 – 7 AZR 394/10 -, NZA 2012, 674 mit weiteren Nachweisen aus der Rechtsprechung).
Ferner führt das Bundesarbeitsgericht in der vorgenannten Entscheidung zutreffend aus, dass es jedenfalls dann, wenn eine befristete Arbeitszeiterhöhung von erheblichem Umfang vorliegt, trotz der Unanwendbarkeit des Teilzeit- und Befristungsgesetzes zur Annahme einer nicht unangemessenen Benachteiligung bei der Befristung der Aufstockung der Arbeitszeit solcher Umstände bedarf, die die Befristung des gesamten – über das erhöhte Arbeitszeitvolumen gesondert geschlossenen – Vertrages rechtfertigen würden (BAG, Urteil vom 15.12.2011 – 7 AZR 394/10, NZA 2012, 674). Das Gericht stellt zu Recht heraus, dass die dem Teilzeit- und Befristungsgesetz zugrunde liegende Wertung, dass der unbefristete Vertrag der Normalfall und der befristete Vertrag die Ausnahme ist, auch für die Vereinbarung des Umfangs der Arbeitszeit gilt. Denn das sozialpolitisch erwünschte – auch seinem Inhalt nach – unbefristete Arbeitsverhältnis soll dem Arbeitnehmer ein dauerhaftes Auskommen sichern und zu einer längerfristigen Lebensplanung beitragen. Für diese Planung des Arbeitnehmers ist regelmäßig auch die Höhe des von ihm erzielten Einkommens maßgebend. Diese hängt u. a. vom Umfang seiner Arbeitszeit ab. Eine längerfristige Planungssicherheit wird dem Arbeitnehmer daher nicht schon allein durch den Abschluss eines unbefristeten Arbeitsvertrags ermöglicht, sondern nur dann, wenn auch der Umfang der Arbeitszeit unbefristet vereinbart wird (BAG, Urteil vom 15.12.2011 – 7 AZR 394/10 -, NZA 2012, 674 mit weiteren Nachweisen aus der Rechtsprechung).
Wann ist eine befristete Aufstockungsvereinbarung keine allgemeine Geschäftsbedingung?
Wenn der Arbeitnehmer die Vereinbarung ausgehandelt hat bzw. auch tatsächlichen Einfluss genommen hat (Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 15.12.2011 – 7 AZR 394/10), dann wird eine Individualvereinbarung vorliegen. Im Normalfall wird diese dann vom Gericht nicht mehr so streng überprüft. Der Grund ist der, dass der Arbeitnehmer die Möglichkeit hatte hier seine Interessen bei der Vereinbarung wahrzunehmen.
Wie wehrt man sich gegen eine unwirksame zeitlich begrenzte Erhöhung der Arbeitszeit?
Bekannt ist den meisten Arbeitnehmer, dass man sich gegen eine unwirksame Befristung mittels Entfristungsklage (3 – Wochen-Frist) wehrt. Bei einer zeitlich begrenzten Erhöhung der regelmäßigen Arbeitszeit kann der Arbeitnehmer eine Klage auf Feststellung zum Arbeitsgericht erheben, dass seine regelmäßige Arbeitszeit, zum Beispiel 40 h pro Woche beträgt und sich nicht aufgrund der Befristung im Arbeitsvertrag vom … mit Ablauf des …. auf … reduziert hat.
Ist auch eine Befristung im Bezug auf eine Arbeitszeitverringerung möglich?
Die arbeitsvertraglich vereinbarte Befristung ist nach dem Bundesarbeitsgericht (BAG, Urteil vom 10.12.2014 – 7 AZR 1009/12) dann zulässig, wenn mit der Befristungsabrede der gesetzliche Anspruch auf Verringerung und Neuverteilung der Arbeitszeit (Teilzeitarbeit) zeitlich beschränkt wird. Besteht ein Teilzeitanspruch nicht, bewirkt die Befristung der Arbeitszeitverringerung keine unangemessene Benachteiligung.
interessante Urteile und Artikel zum Thema: Arbeitszeit
Nachfolgend finden Sie noch weitere Urteil, die sich mit dem Thema der Arbeitszeit im Arbeitsverhältnis auseinandersetzen:
Kündigung wegen Weiterleitung von privaten E-Mails an Dritte
Dem Arbeitnehmer ist es nicht erlaubt private elektronische Nachrichten/E-Mails von anderen Mitarbeitern oder sogar vom Vorgesetzten zu lesen und schon gar nicht diese an Dritte weiterzuleiten. Aus dem Arbeitsverhältnis ergeben sich impfen auch eine Reihe von Nebenpflichten und Schutzpflichten. Dazu gehören auch Geheimhaltungspflichten und die Pflicht die Privatsphäre von Mitarbeitern/Vorgesetzten nicht zu verletzen.
Was bedeutet Datenschutz im E-Mail Verkehr?
Der Datenschutz gilt auch im elektronischen Verkehr. Nach dem Datenschutz sind sowohl die Inhalte als auch die E-Mail-Adressen von Absender und Adressat geschützt. Im Betrieb kommt noch hinzu, dass auch Geschäftsgeheimnisse geschützt werden.
Gilt der Datenschutz auch bei der Weiterleitung von E-Mails?
Ja, auch hier gilt der Datenschutz. Da Dritte so private und nicht für diese bestimmte Informationen erhalten und benutzen können. Das Recht auf informationelle Selbstbestimmung wird so gewahrt.
Darf ein Arbeitgeber meine E-Mails am Arbeitsplatz überwachen?
Eine permanente und willkürliche Überwachung ist letztendlich nicht zulässig. Der Arbeitgeber darf aber, wenn auch klar ist, dass sie ihnen ausdrücklich nur für den Geschäftsverkehr erlaubt ist, den E-Mail Verkehr stichprobenweise überprüfen. Hier musst dazu aber eine gewisse Veranlassung bestehen. Eine heimliche Überwachung ist nicht zulässig und führt zum Beweisverwertungsverbot. Allerdings darf der Arbeitgeber – auch wenn er die private Nutzung des Accounts in den Pausen erlaubt hat – grundsätzlich geschäftliche E-Mail einsehen (LAG Berlin-Brandenburg, 14.01.2016 – 5 Sa 657/15 ) .
Darf der Arbeitgeber die private Nutzung der E-Mail am Arbeitsplatz verbieten?
Ja, das Verbot der privaten Nutzung des E-Mail-Postfaches ist zulässig und gerade in großen Firmen auch üblich. Der Arbeitgeber kann so bestimmten, dass das elektronische Postfach für für die dienstliche Nutzung bestimmt ist und der Arbeitnehmer nur den dienstlichen Account nutzen darf. Eine exzessive Nutzung über einen längeren Zeitraum durch den Arbeitnehmer kann zur Kündigung berechtigen (Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg, 14.01.2016 – 5 Sa 657/15). Die beschränkte Nutzung (Versenden von privaten Mails in den Pausen) ist ebenfalls möglich.
Darf der Arbeitnehmer E-Mails von Arbeitskollegen oder vom Chef lesen?
Sofern keine Erlaubnis vorliegt und die entsprechenden Nachrichten für Dritte bestimmt sind, ist der Arbeitnehmer nicht berechtigt diese zu lesen. Dies gilt um so mehr, wenn klar ist, dass es sich nicht um dienstliche E-Mails handelt, sondern es um private E-Mails geht.
Welche Konsequenz droht, wenn der Arbeitnehmer unerlaubt Nachrichten von Kollegen oder von Vorgesetzten liest?
Dieses einen Nebenpflichtverletzung aus dem Arbeitsverhältnis unberechtigt zumindest zur Abmahnung. In schweren Fällen kann auch eine außerordentliche Kündigung oder eine ordentliche Kündigung aus verhaltensbedingten Gründen in Betracht kommen ohne vorherige Abmahnung. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn bereits strafbares Handeln vorliegt. So ist zum Beispiel nach § 202 a des Strafgesetzbuches das ausspähen von Daten strafbar. Allerdings wird in den meisten Fällen keine strafbare Handlung nach dieser Vorschrift vorliegen, da die Voraussetzungen recht streng sind.
Darf der Arbeitnehmer Nachrichten, die für ihn nicht bestimmt sind an Dritte weiterleiten?
Auch dies darf der Arbeitnehmer nicht. Hier liegen dann sogar zwei Pflichtverletzung vor und zwar das unerlaubte Lesen der Nachrichten und darüber hinaus auch das unerlaubte Weiterleiten, was besonders schwer wiegt, da hier massiv die Privatsphäre von Dritten verletzt werden kann. Es kommt im Einzelfall darauf an, welche Informationen hier weitergeleitet werden und inwieweit diese Interessen Dritter tangieren.
Muss der Arbeitgeber immer vor einer Kündigung abmahnen?
Nein, bei Schweden Pflichtverletzungen und dann, wenn das Vertrauensverhältnis zwischen ihm und dem Arbeitnehmer massiv gestört ist, ist eine Abmahnung entbehrlich und der Arbeitgeber kann dann das Arbeitsverhältnis auch aus verhaltensbedingten Gründen kündigen.
Gibt es Fälle, bei denen bereits eine fristlose Kündigung vom Arbeitsgericht als wirksam gesehen wurde?
Ja, das Landesarbeitsgericht Köln hat entschieden, dass eine fristlose Kündigung bei unbefugter Datenweitergabe gerechtfertigt ist. Eine Arbeitnehmerin hatte hier private Daten, einen Chat-Verlauf ihres Vorgesetzten mit einer dritten Person, es ging hier auch um sexuellen Missbrauch, an Dritte weitergeleitet. Der Arbeitgeber kündigte daraufhin das Arbeitsverhältnis außerordentlich und fristlos. Das Landesarbeitsgericht Köln gab dem Arbeitgeber hier Recht. In der ersten Instanz hatte die Arbeitnehmerin noch das Kündigungsschutzverfahren gewonnen.
Was hat das LAG Köln dazu geschrieben?
Das Landesarbeitsgericht Köln hat dazu in seiner Pressemitteilung 1/2022 vom 3. Januar 2022 folgendes ausgeführt:
Das Landesarbeitsgericht Köln (Urteil vom 2.11.2021 – 4 Sa 290/21) sah das für die Aufgaben der Klägerin notwendige Vertrauensverhältnis als unwiederbringlich zerstört an. In der unbefugten Kenntnisnahme und Weitergabe fremder Daten lag für das Gericht auch wegen der damit einhergehenden Verletzung von Persönlichkeitsrechten ein schwerwiegender Verstoß gegen die arbeitsvertragliche Rücksichtnahmepflicht. Dieser sei auch nicht durch die von der Klägerin vorgetragenen Beweggründe, die im Kirchenasyl lebende Frau schützen und Beweise sichern zu wollen, gerechtfertigt gewesen. Denn mit ihrer Vorgehensweise habe die Klägerin keines der angegebenen Ziele erreichen können. Angesichts der Schwere der Pflichtverletzung überwiege das Lösungsinteresse der Gemeinde das Beschäftigungsinteresse der Klägerin deutlich. Selbst die erstmalige Hinnahme dieser Pflichtverletzung sei der Gemeinde nach objektiven Maßstäben unzumutbar und damit offensichtlich – auch für die Klägerin erkennbar – ausgeschlossen.
Anmerkung:
Die Weiterleitung von persönlichen Daten/ Chatverläufen gerade im Zusammenhang mit möglichen Straftaten des Arbeitgebers ist ein schwerer Vertrauensbruch. Eine außerordentliche Kündigung ist hier oft möglich. Trotzdem heißt dies nicht, dass der Arbeitnehmer immer mit einer außerordentlichen Kündigung rechnen muss. Ein versehentliches Weiterleiten rechtfertigt in der Regel keine fristlose Kündigung. Es kommt – wie immer – auf den Einzelfall an.
Aus den Medien konnte man entnehmen, dass es nun eine Impfpflicht gegen das Corona-Virusin der Pflege -und Gesundheitsbranche geben soll. Damit soll die Ausbreitung von Covid19 verhindert werden. Betroffen davon sind Pfleger und andere Mitarbeiter im Gesundheitswesen, wie zum Beispiel Krankenschwestern bzw. Ärzte. Der Bund soll ein entsprechendes Gesetz zur Impfpflicht für Pflegekräfte u.a. vorbereiten; insbesondere Markus Söder und Jens Spahn hatten darauf gedrängt. Eine allgemeine Impfpflicht für Personal soll es nicht geben. Eine solche allgemeine Impfpflicht für Beschäftigte wäre auch verfassungsrechtlich bedenklich. Die zukünftige Impfpflicht für Pflegeberufe soll sich ausschließlich auf Gesundheitsberufe beschränken, da diese stärker Umgang mit vulnerablen Personengruppen zu tun haben.
Einführung der Verpflichtung zur vollständigen Impfung für Pflege- und Krankenhauspersonal
Die Impfpflicht mit einen Covid19-Impfstoff für Beschäftigte der Gesundheitsbranche wird es von daher wohl kurzfristig geben.
Die Impfpflicht fürs Pflegepersonal lehnte bis vor kurzem die Politik noch ab, allerdings ist dies nun anders.Die Impfpflicht für Pflegekräfte soll nun gesetzlich normiert werden, was mittlerweile auch geschehen ist.
Hier soll es darum gehen, welche Auswirkungen auf das Arbeitsverhältnis eine solche Pflicht zur vollständigen Impfung für Pfleger und Krankenhauspersonal hätte. Es stellen sich dann diverse Fragen, wie, ob der Arbeitgeber weiter ungeimpfte Mitarbeiter beschäftigen darf und wenn nicht, ob er den Lohn zahlen muss? Kann die Impfpflicht für Pflegepersonal durch eine tägliche Testpflicht umgangen werden?
Muss sich dann jeder Mitarbeiter aus der Gesundheitsbranche impfen lassen?
Nach den bisherigen Pressemitteilungen soll die Impfpflicht für Pflegeberufe für die dort beschäftigen Mitarbeiter sein. Insbesondere sollen Arbeitnehmer, die in Alten- und Pflegeheimen tätig sind, verpflichtet werden sich impfen zu lassen. Dies soll auch für Mitarbeiter in Krankenhäusern gelten. Ob davon nur das Pflegepersonal und/oder auch Mitarbeiter in anderen Bereichen, wie zum Beispiel in der Küche oder Reinigungskräfte, betroffen sind, ist derzeit noch nicht abschließend geklärt. Es spricht aber einiges dafür, dass alle Mitarbeiter des Betriebes, der in den Anwendungsbereich des § 20 a Abs. 1 Satz i des Impfektionsschutzgesetzes fällt, gegen Corona geimpft sein müssen, es sei denn, dass diese bereits genesen sind. Die Pflicht zur Impfung ist einrichtungsbezogen/ betriebsbezogen.
Zum Schutz der öffentlichen Gesundheit und vulnerabler Personengruppen vor einer COVID-19-Erkrankung wird vorgesehen, dass in bestimmten Einrichtungen und Unternehmen tätige Personen geimpft oder genesen sein oder ein ärztliches Zeugnis über das Bestehen einer Kontraindikation gegen eine Impfung gegen CO- VID-19 besitzen müssen.
Dort steht also nichts davon, dass die Impfpflicht nur für Personen gilt, die Kontakt zu vulnerablen Personengruppen haben. Dies entspricht im Übrigen auch dem Wortlaut der gesetzlichen Regelung des § 20 a des Infektionsschutzgesetzes:
Personen, die in folgenden Einrichtungen oder Unternehmen tätig sind …
Auch hier wird nicht danach unterschieden, ob der jeweilige Mitarbeiter Kontakt zu bestimmten Patienten oder Personengruppen hat. Dies wäre auch schwierig durchsetzbar, weil dann eine Diskussion darüber entbrennen würde, ob und wie oft der jeweilige Arbeitnehmer einen Kontakt zu Patienten oder zu pflegenden Personen in Altenheimen oder Krankenhäusern hat.
Kann der Arbeitgeber mich zur Impfung zwingen?
Selbst wenn es eine Impfpflicht für Pflegekräfte und Mitarbeiter aus Krankenhäusern geben würde, so kann der Arbeitgeber selbst nicht den Arbeitnehmer zur Impfung zwingen. Der Arbeitgeber kann nur Sanktionen, die nach dem Arbeitsverhältnis zulässig sind, aussprechen. Dazu gehört, dass zum Beispiel der Arbeitgeber den Arbeitnehmer bei fehlenden Impf- oder Genesenennachweis, dann u.U. nicht mehr beschäftigen kann bzw. darf, da ein Beschäftigungsverbot durch die Behörde ausgesprochen wird. Der Arbeitnehmer würde dann keinen Lohn mehr erhalten. Darüberhinaus wäre auch denkbar, dass eine entsprechende Kündigung des Arbeitnehmers, insbesondere personenbedingte Kündigung, in Betracht kommt.
Was muss ich bis zum 15. März 2022 machen, wenn ich in der Pflege- oder in der Gesundheitsbranche tätig bin?
Bis zum Ablauf des 15. März 2022 haben alle Arbeitnehmer, in deren Betrieb die einrichtungsbezogene Impfpflicht gilt, der Leitung des Betriebs einen Impf- oder Genesenennachweis oder aber ein ärztliches Zeugnis über das Bestehen einer medizinischen Kontraindikation vorzulegen (vgl. § 20a Abs. 2 Satz 1 IfSG).
Welche Anforderungen sind an den Nachweis zu stellen?
Der Impf- oder Genesenennachweis muss den Anforderungen des § 2 Nr. 3 und 5 COVID-19-Schutzmaßnahmen-Ausnahmenverordnung entsprechen. Zu beachten ist, dass, die Verordnung ihrerseits zur Konkretisierung der Anforderungen an den Nachweis auf die auf den Internetseiten des Paul-Ehrlich-Instituts und des Robert Koch-Instituts veröffentlichten Vorgaben verweist.
Was passiert, wenn ich bis zum 15. März 2022 keinen Impfnachweis oder Genesenennachweis beim Arbeitgeber vorlege?
Legt der Arbeitnehmer bis zum 15. März 2022 keinen Nachweis über die Impfung oder die Genesung oder ein ärztliches Attest über ein „Impfverbot“ vor, hat die Leitung des jeweiligen Unternehmens unverzüglich das Gesundheitsamt zu benachrichtigen (vgl. § 20a Abs. 2 Satz 2 IfSG).
Was gilt, wenn Zweifel an der Richtigkeit des Impfnachweises bestehen?
Bestehen Zweifel an der Echtheit oder der inhaltlichen Richtigkeit des Impfzertifikates muss der Arbeitgeber ebenfalls das Gesundheitsamt benachrichtigen.
Was kann das Gesundheitsamt dann machen?
Das Gesundheitsamt kann gegenüber Personen, die trotz Anforderung keinen Nachweis innerhalb angemessener Frist vorlegen oder wenn der Impfnachweis falsch ist, ein Betretungsverbot oder auch ein Tätigkeitsverbot verfügen (vgl. § 20a Abs. 5 Satz 3 IfSG).
Welche Konsequenzen hat es, wenn die Behörde ein Beschäftigungsverbot ausspricht?
Ein behördliches Beschäftigungsverbot führt dazu, dass der Arbeitnehmer nicht mehr vom Arbeitgeber beschäftigt werden darf. Er kann dann unentgeltlich freigestellt werden und muss erst dann wieder beschäftigt und bezahlt werden, wenn die Behörde das Tätigkeitsverbot aufhebt.
Was gilt für Personen, die erst ab dem 16.März 2022 beschäftigt werden?
Arbeitnehmer, die erst ab dem 16. März 2022 in einem Unternehmen der Pflege- oder Gesundheitsbranche beschäftigt werden sollen, haben vor Beginn ihrer Tätigkeit einen Nachweis nach § 20a Abs. 2 Satz 1 IfSG vorzulegen (vgl. § 20a Abs. 3 Satz 1 IfSG). Andernfalls dürfen sie dort weder beschäftigt werden noch tätig werden (vgl. § 20a Abs. 3 Sätze 4 und 5 IfSG).
Was gilt für Nachweise, die ab dem 16. März 2022 ihre Gültigkeit verlieren?
Nachweise (Genesung/ Impfung), die ab dem 16. März 2022 durch Zeitablauf ihre Gültigkeit verlieren, müssen innerhalb eines Monats nach Ablauf der Gültigkeit durch einen neuen Nachweis ersetzt werden (vgl. § 20a Abs. 4 Satz 1 IfSG).
Was passiert, wenn Mitarbeiter in der Pflege oder im Krankenhaus nicht geimpft sind?
Wenn die Corona-Schutzimpfung Voraussetzung für die Tätigkeit als Pfleger bzw. Pflegerin oder im Krankenhaus tatsächlich gesetzlich normiert wird, dann kann und darf der Arbeitgeber solche Mitarbeiter gar nicht ohne vollständigen Impfschutz beschäftigen. Dies gilt dann – und dies wird fast immer so eintreten – wenn die Behörde ein Beschäftigungsverbot nach Anzeige durch den Arbeitgeber beim Gesundheitsamt ausspricht. Dies führt dazu, dass der Arbeitnehmer keinen Anspruch auf Lohnzahlung (Grundsatz: „Ohne Arbeit kein Lohn!“) hat. Über die Problematik der behördlichen Betriebsschließung wegen Corona (Quarantäne) und das Entfallen des Lohnzahlungsanspruchs hatte ich ja bereits geschrieben. Dies ist auch nachvollziehbar, da das Beschäftigungshindernis in der Sphäre des Arbeitnehmers liegt. Vergleichbar könnte dies sein, wie zum Beispiel bei Mitarbeitern in der Gastronomie die ohne die „rote Karte“ auch nicht arbeiten dürfen. Dies wird dann bei einer Impfpflicht beim Pflegepersonal nicht anders sein.
Reicht nicht ein täglicher Corona-Test für ungeimpfte Mitarbeiter aus?
Ein solcher täglicher Corona-Test für Ungeimpfte wird dann nicht mehr ausreichend sein. Davon wird ja heute schon Gebraucht gemacht und die Politik hält dies nicht für ausreichend. Wahrscheinlich wird es aber weiter eine Testpflicht geben, da selbst bei doppelter Impfung eine Erkrankung und Übertragung von Corona nicht ausgeschlossen ist. Allerdings – so die Wissenschaft – soll die doppelte Impfung einen schweren Verlauf der Corona-Erkrankung verringern.
Darf der Arbeitgeber mich kündigen, wenn ich nicht gegen Corona geimpft bin?
Eine Kündigung – und hier geht es ausschließlich um Mitarbeiter, die verpflichtet sind sich impfen zu lassen – ist durchaus denkbar. Der Arbeitgeber hat nämlich das Problem, dass er den Arbeitnehmer, selbst wenn er wollte, gar nicht mehr im Gesundheitswesen beschäftigen darf, sofern das Gesundheitsamt dann das Tätigkeitsverbot ausspricht. Wenn der Arbeitnehmer sich dann weigert die Impfung vorzunehmen, kann der Arbeitgeber den Arbeitnehmer zukünftig nicht mehr einsetzen und eine Kündigung aus personenbedingten Gründen dürfte zulässig sein. Wichtig ist dabei zu wissen, dass nicht eine typische „Corona-Kündigung“ vorliegt. Der Grund für die Kündigung ist nicht die Corona-Pandemie, sondern die fehlende Impfung des Arbeitnehmers.
Kann der Arbeitgeber mich außerordentlich kündigen, wenn ich mich nicht impfen lasse?
Eine außerordentliche Kündigung braucht immer einen wichtigen Kündigungsgrund nach § 626 Abs. 1 BGB. Ein solcher Grund liegt in der Praxis selten vor. Die Weigerung sich impfen zu lassen, obwohl eine Impfpflicht besteht, kann nur im Ausnahmefall ein solcher wichtiger Grund sein. Dabei ist auch zu berücksichtigen, ob noch andere Beschäftigungsmöglichkeiten bestehen.
Wie kann ich mich gegen eine Kündigung des Arbeitgebers wehren?
Gegen eine Arbeitgeberkündigung wegen der Weigerung einer Covid19-Impfung oder der Vorlage eines Impf- oder Genesenennachweises kann sich der Arbeitnehmer mittels Kündigungsschutzklage zum Arbeitsgericht wehren. Die Klage muss innerhalb von 3 Wochen ab Zugang der Kündigung beim Arbeitnehmer eingereicht werden. Das Arbeitsgericht entscheidet dann über die Rechtmäßigkeit der Kündigung, wobei alle geltend gemachten Unwirksamkeitsgründe (auch formale) vom Gericht überprüft werden.
Darf der Arbeitgeber im Vorstellungsgespräch nach einer Impfung fragen?
Wer sich in der Gesundheitsbranche bewirbt, wird zukünftig-wenn die Impfpflicht tatsächlich eingeführt wird-wohl immer danach gefragt werden, ob er geimpft ist oder nicht. Dies muss er dann verbindlich erklären. Die Frage muss in der Regel wahrheitsgemäß beantwortet werden. Eine Recht zu Lüge wäre hier nicht zulässig. Der Grund ist der, dass der Arbeitgeber den Arbeitnehmer gar nicht beschäftigen darf, wenn dieser nicht geimpft ist.
Impfpflicht in der Gesundheitsbranche
Update: 12. Dezember 2021
Der Bundestag hat nun tatsächlich am Freitag, 10. Dezember 2021, den gemeinsamen Gesetzentwurf von SPD, Bündnis 90/Die Grünen und FDP zur Stärkung der Impfprävention gegen Covid-19 und zur Änderung weiterer Vorschriften im Zusammenhang mit der Covid-19-Pandemie beschlossen. Danach muss das Personal in Gesundheitsberufen und Berufen, die Pflegebedürftige und Menschen mit Behinderungen betreuen, einen Impfnachweis vorlegen. Geregelt ist dies in § 20 a Infektionsschutzgesetz.
Update: 10. Januar 2022
In mehreren Zeitungen wird darüber berichtet, dass wohl eine erhebliche Anzahl von Mitarbeitern der Gesundheits- und Pflegebranche über Eigenkündigungen nachdenkt. Es wird befürchtet, dass dies den ohnehin ausgelaugten Arbeitsmarkt schwächt und den den Pflegenotstand verschärft.
Update: 27. Januar 2022
Einige Politiker fordern, dass bei fehlender Impfung von Gesundheits- und Pflegepersonal kein Beschäftigungsverbot ausgesprochen wird, um zu verhindern, dass die Mitarbeiter dieser Branchen weiter dort arbeiten können. Dabei wird aber übersehen, dass die Rechtsfolge der gesetzlichen Regelung zwingend ist und nicht nach Belieben angewendet oder unterlassen werden kann.
Update: 10. Februar 2022
Heute hat das Bundesverfassungsgericht (BVerfG, Beschluss des Ersten Senats vom 10. Februar 2022 – 1 BvR 2649/21) den Antrag auf einstweilige Anordnung (Eilantrag mit verbundener Verfassungsbeschwerde) gegen die mit Art. 1 Nr. 4 und 9 Buchstabe a Doppelbuchstabe aa Nr. 7e bis 7h des Gesetzes zur Stärkung der Impfprävention gegen COVID-19 und zur Änderung weiterer Vorschriften im Zusammenhang mit der COVID-19-Pandemie vom 10. Dezember 2021 gesetzlich geregelte Impfpflicht in der Pflege- und Gesundheitsbranche abgelehnt.
„Das Bundesverfassungsgericht setzt ein Gesetz also nur dann nach § 32 BVerfGG vorläufig außer Vollzug, wenn die Gründe für den Erlass der einstweiligen Anordnung deutlich überwiegen (vgl. BVerfGE 157, 394 <402 f. Rn. 20> m.w.N.; stRspr). 2. Gemessen an diesen strengen Anforderungen hat der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung keinen Erfolg. Die zugrundeliegende Verfassungsbeschwerde ist zwar weder von vornherein unzulässig noch offensichtlich unbegründet (a). Die danach gebotene Folgenabwägung ergibt jedoch, dass die Nachteile, die einträten, wenn eine einstweilige Anordnung nicht erginge, der Antrag aber in der Hauptsache Erfolg hätte, nicht gegenüber den Nachteilen überwiegen, die entstünden, wenn die begehrte einstweilige Anordnung erlassen würde, dem Antrag in der Hauptsache aber der Erfolg zu versagen wäre (b).“
Interessant ist aber:
Sie ist auch nicht offensichtlich unbegründet. Zwar begegnet die Einführung einer einrichtungs- und unternehmensbezogenen Nachweispflicht in § 20a IfSG als solche unter Berücksichtigung der in diesem Verfahren eingeholten Stellungnahmen vor allem der sachkundigen Dritten zum Zeitpunkt dieser Entscheidung keinen durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken. Es bestehen aber jedenfalls Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der in § 20a IfSG gewählten gesetzlichen Regelungstechnik.
Es handelt sich hier um eine doppelte dynamische Verweisung, da zunächst der Gesetzgeber auf die COVID-19-Schutzmaßnahmen-Ausnahmenverordnung verweist, die ihrerseits aber dann zur Konkretisierung der Anforderungen an den vorzulegenden Impf- oder Genesenennachweis auf Internetseiten des Paul-Ehrlich-Instituts und des Robert Koch-Instituts verweist. Insoweit stellt sich die Frage, ob und inwieweit eine bindende Außenwirkung der dynamisch in Bezug genommenen Regelwerke der genannten Bundesinstitute hier noch eine hinreichende Grundlage im Gesetz findet (vgl. BVerfGE 129, 1 <22, 25 ff.>). Sollte dies der Fall sein, bedarf es weiterer Aufklärung, ob und inwieweit ein tragfähiger Sachgrund auch dafür vorliegt, dass nicht dem Verordnungsgeber selbst die Konkretisierung des vorzulegenden Impf- oder Genesenennachweises und damit auch der geimpften und genesenen Personen im Sinne des Gesetzes übertragen ist, sondern dies den genannten Bundesinstituten überlassen wird.
Update: 19.02.2022 / 27.02.2022
Sollte die allgemeine Impfpflicht tatsächlich (ab 18 Jahren) kommen, so spricht aufgrund der nachlassenden epidemischen Lage, immer mehr dafür, dass diese mit dem Grundgesetz nicht vereinbar ist. Mittlerweile sprechen sich immer mehr Politiker gegen die Einführung einer allgemeinen Impfpflicht gegen das Corona-Virus aus. Dafür spricht auch, dass wohl nicht wenige Personen Covid19 bekommen haben, trotz 3-facher Impfung.
Update: 20.02.2022
Nach Ansicht des wissenschaftlichen Dienstes des Bundestags besteht kein Anspruch auf Entschädigung nach § 56 Abs. 1 Satz 4 IfSG bei fehlender Booster-Impfung des Arbeitnehmers. Der Entschädigungsanspruch gem. § 56 Abs. 1 Satz 4 IfSG für geimpfte, aber dennoch mit dem Corona-Virus infizierte Arbeitnehmer, welche wegen der Quarantäne nicht arbeiten können und deshalb einen Verdienstausfall erleiden, besteht nicht nach dem wissenschaftlichen Dienst des Bundestages nicht, wenn der Betroffene die empfohlene COVID-19-Auffrischimpfung (= „Booster“) nicht hat vornehmen lassen. Wichtig ist dabei zu wissen, dass dies eine juristische Meinung darstellt und eine (höchstrichterliche) Entscheidung dazu nicht vorliegt.
Update: 10.03.2022
Nun jetzt Österreich die Impfpflicht gegen das Coronavirus aus. Basis für die Entscheidung ist ein Bericht der Expertenkommission. Danach ist die Impfpflicht bei der vorherrschenden Omikron-Variante nicht verhältnismäßig. Dies macht es noch unwahrscheinlicher, dass in Deutschland die Impfpflicht eingeführt wird.
Update 01.04.2022
Die allgemeine Impfpflicht ab 18 Jahren ist derzeit wohl vom Tisch. Jetzt wird über eine Impfpflicht für Personen ab 50 Jahre diskutiert. Ob diese kommt, bleibt abzuwarten.
Update 22.05.2022
Das Bundesverfassungsgericht (Beschluss vom 27. April 2022 – 1 BvR 2649/21) hat nun entschieden, dass die Regelung der „einrichtungs- und unternehmensbezogene Nachweispflicht“ verfassungsgemäß und damit wirksam ist. Dies hatte sich nach der obigen Vorabentscheidung (Eilverfahren) bereits angekündigt. Das Bundesverfassungsgericht führte dazu in seiner Pressemitteilung (Nr. 42/2022 vom 19. Mai 2022) aus:
Mit heute veröffentlichtem Beschluss hat der Erste Senat des Bundesverfassungsgerichts eine Verfassungsbeschwerde zurückgewiesen, die sich gegen § 20a, § 22a und § 73 Abs. 1a Nr. 7e bis 7h des Gesetzes zur Verhütung und Bekämpfung von Infektionskrankheiten beim Menschen (Infektionsschutzgesetz – IfSG) richtet. Darin ist die auf bestimmte Einrichtungen und Unternehmen des Gesundheitswesens und der Pflege bezogene Pflicht geregelt, eine COVID-19-Schutzimpfung, eine Genesung von der COVID-19-Krankheit oder eine medizinische Kontraindikation für eine Impfung nachzuweisen (sogenannte „einrichtungs- und unternehmensbezogene Nachweispflicht“).
Die angegriffenen Vorschriften verletzen die Beschwerdeführenden nicht in ihren Rechten insbesondere aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG und Art. 12 Abs. 1 GG. Soweit die Regelungen in die genannten Grundrechte eingreifen, sind diese Eingriffe verfassungsrechtlich gerechtfertigt. Der Gesetzgeber hat im Rahmen des ihm zustehenden Einschätzungsspielraums einen angemessenen Ausgleich zwischen dem mit der Nachweispflicht verfolgten Schutz vulnerabler Menschen vor einer Infektion mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 und den Grundrechtsbeeinträchtigungen gefunden. Trotz der hohen Eingriffsintensität müssen die grundrechtlich geschützten Interessen der im Gesundheits- und Pflegebereich tätigen Beschwerdeführenden letztlich zurücktreten.
Update: 25.06.2022
Österreich hat die allgemeine Corona-Impfpflicht abgeschafft. Interessant ist auch die Begründung auf der Internetseite des österreichischen Bundesministerium für Soziales, Gesundheit, Pflege
und Konsumentenschutz. Dort heißt es:
Die epidemiologischen Rahmenbedingungen haben sich durch die Omikron-Variante erheblich geändert. Auch aus diesem Grund hat die im COVID-19-Impfpflichtgesetz eigens eingerichtete Kommission die Impfpflicht bisher zweimal als nicht verhältnismäßig eingestuft. Die Bundesregierung hat sich daher auf die Abschaffung der COVID-19-Impfpflicht geeinigt.
Update: 22.10.2022
Einige Bundesländer fordern nun die Abschaffung der einrichtungsbezogenen Impfpflicht. Dabei sind Bayern, Thüringen und Sachsen. Die Impflicht in der Pflege- und Gesundheitsbranche soll – nach der Vorstellung dieser Bundesländer – zum 31.12. 2022 auslaufen und nicht mehr verlängert werden. Der Grund ist der Fachkräftemangel in der Pflege. Da es sich um ein Bundesgesetz handelt, liegt die Entscheidung aber nicht bei den Ländern.
Update: 06.12.2022
Die bereits im Sommer angekündigte große Herbstwelle in Bezug auf Corona ist ausgeblieben. Die Corona Zahlen sind nicht besonders hoch und in den Ländern wird darüber diskutiert, ob die Maskenpflicht komplett abgeschafft werden soll.
Was gilt für Arbeitsverhältnisse, die vor oder bis zum 15. März 2022 geschlossen werden?
Für alle Arbeitsverhältnisse, die vor dem 16. März 2022 geschlossen wurden, gilt, dass Arbeitnehmer einen aktuellen Impfnachweis einer Impfung gegen Covid19 dem Arbeitgeber vorzulegen haben. Wenn dieser Nachweis nicht vorliegt, muss der Arbeitgeber das Gesundheitsamt informieren, dass dann in der Regel ein Tätigkeitsverbot aussprechen wird.
Was gilt für Arbeitsverhältnisse ab dem 16. März 2022?
Ab dem 16. März 2022 dürften Arbeitgeber dieser Branchen keine Arbeitnehmer ohne aktuelle Corona-Imfpung mehr beschäftigen. Selbstverständlich darf dann auch der Arbeitgeber ausdrücklich im Vorstellugnsgespräch nach einer Impfung / Genesung fragen und die Vorlage eines gültigen, aktuellen Imfpausweises / Genesenennachweises oder eine ärztlichen Attestes als Beschäftigungsvoraussetzung verlangen. Lügt hier der Arbeitnehmer im Vorstellungsgespräch kann der Arbeitgeber den Arbeitsvertrag wegen arglistiger Täusche anfechten. Klar ist auch, dass ein trotzdem eingestellter Arbeitnehmer ohne Schutzimpfung nicht vom Arbeitgeber beschäftigt werden darf.
die gesetzliche Regelung des § 20 a des Infektionsschutzgesetzes
Die neuen Regelungen haben ihre Rechtsgrundlage in § 20 a Infektionsschutzgesetz. Dort ist nun folgendes geregelt:
§ 20 aImmunitätsnachweis gegen COVID-19
(1) Folgende Personen müssen ab dem 15. März 2022 entweder geimpfte oder genesene Personen im Sinne des § 2 Nummer 2 oder Nummer 4 der COVID-19-Schutzmaßnahmen-Ausnahmenverordnung in der jeweils geltenden Fassung sein:
1. Personen, die in folgenden Einrichtungen oder Unternehmen tätig sind:
a) Krankenhäuser,
b) Einrichtungen für ambulantes Operieren,
c) Vorsorge- oder Rehabilitationseinrichtungen,
d) Dialyseeinrichtungen,
e) Tageskliniken,
f) Entbindungseinrichtungen,
g) Behandlungs- oder Versorgungseinrichtungen, die mit einer der in den Buchstaben a bis f genannten Einrichtungen vergleichbar sind,
j) Einrichtungen des öffentlichen Gesundheitsdienstes, in denen medizinische Untersuchungen, Präventionsmaßnahmen oder ambulante Behandlungen durchgeführt werden,
k) Rettungsdienste,
l) sozialpädiatrische Zentren nach § 119 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch,
m) medizinische Behandlungszentren für Erwachsene mit geistiger Behinderung oder schweren Mehrfachbehinderungen nach § 119c des Fünften Buches Sozialgesetzbuch,
n) Einrichtungen der beruflichen Rehabilitation nach § 51 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch und Dienste der beruflichen Rehabilitation,
o) Begutachtungs- und Prüfdienste, die auf Grund der Vorschriften des Fünften Buches Sozialgesetzbuch oder des Elften Buches Sozialgesetzbuch tätig werden,
2. Personen, die in voll- oder teilstationären Einrichtungen zur Betreuung und Unterbringung älterer, behinderter oder pflegebedürftiger Menschen oder in vergleichbaren Einrichtungen tätig sind,
3. Personen, die in ambulanten Pflegediensten und weiteren Unternehmen, die den in Nummer 2 genannten Einrichtungen vergleichbare Dienstleistungen im ambulanten Bereich anbieten, tätig sind; zu diesen Unternehmen gehören insbesondere:
a) ambulante Pflegeeinrichtungen gemäß § 72 des Elften Buches Sozialgesetzbuch sowie Einzelpersonen gemäß § 77 des Elften Buches Sozialgesetzbuch,
b) ambulante Pflegedienste, die ambulante Intensivpflege in Einrichtungen, Wohngruppen oder sonstigen gemeinschaftlichen Wohnformen erbringen,
c) Unternehmen, die Assistenzleistungen nach § 78 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch erbringen,
d) Unternehmen, die Leistungen der interdisziplinären Früherkennung und Frühförderung nach § 42 Absatz 2 Nummer 2 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch und § 46 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch in Verbindung mit der Frühförderungsverordnung oder heilpädagogische Leistungen nach § 79 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch erbringen,
e) Beförderungsdienste, die für Einrichtungen nach Nummer 2 dort behandelte, betreute, gepflegte oder untergebrachte Personen befördern oder die Leistungen nach § 83 Absatz 1 Nummer 1 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch erbringen, und
f) Leistungsberechtigte, die im Rahmen eines Persönlichen Budgets nach § 29 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch Personen für die Erbringung entsprechender Dienstleistungen beschäftigen.
Satz 1 gilt nicht für Personen, die auf Grund einer medizinischen Kontraindikation nicht gegen das Coronavirus SARS-CoV-2 geimpft werden können.
(2) Personen, die in den in Absatz 1 Satz 1 genannten Einrichtungen oder Unternehmen tätig sind, haben der Leitung der jeweiligen Einrichtung oder des jeweiligen Unternehmens bis zum Ablauf des 15. März 2022 folgenden Nachweis vorzulegen:
1. einen Impfnachweis im Sinne des § 2 Nummer 3 der COVID-19-Schutzmaßnahmen-Ausnahmenverordnung in der jeweils geltenden Fassung,
2. einen Genesenennachweis im Sinne des § 2 Nummer 5 der COVID-19-Schutzmaßnahmen-Ausnahmenverordnung in der jeweils geltenden Fassung oder
3. ein ärztliches Zeugnis darüber, dass sie auf Grund einer medizinischen Kontraindikation nicht gegen das Coronavirus SARS-CoV-2 geimpft werden können.
Wenn der Nachweis nach Satz 1 nicht bis zum Ablauf des 15. März 2022 vorgelegt wird oder wenn Zweifel an der Echtheit oder inhaltlichen Richtigkeit des vorgelegten Nachweises bestehen, hat die Leitung der jeweiligen Einrichtung oder des jeweiligen Unternehmens unverzüglich das Gesundheitsamt, in dessen Bezirk sich die jeweilige Einrichtung oder das jeweilige Unternehmen befindet, darüber zu benachrichtigen und dem Gesundheitsamt personenbezogene Daten zu übermitteln. Die oberste Landesgesundheitsbehörde oder die von ihr bestimmte Stelle kann bestimmen, dass
1. der Nachweis nach Satz 1 nicht der Leitung der jeweiligen Einrichtung oder des jeweiligen Unternehmens, sondern dem Gesundheitsamt oder einer anderen staatlichen Stelle gegenüber zu erbringen ist,
2. die Benachrichtigung nach Satz 2 nicht durch die Leitung der jeweiligen Einrichtung oder des jeweiligen Unternehmens, sondern durch die nach Nummer 1 bestimmte Stelle zu erfolgen hat,
3. die Benachrichtigung nach Satz 2 nicht gegenüber dem Gesundheitsamt, in dessen Bezirk sich die jeweilige Einrichtung oder das jeweilige Unternehmen befindet, sondern gegenüber einer anderen staatlichen Stelle zu erfolgen hat.
(3) Personen, die in den in Absatz 1 Satz 1 genannten Einrichtungen oder Unternehmen ab dem 16. März 2022 tätig werden sollen, haben der Leitung der jeweiligen Einrichtung oder des jeweiligen Unternehmens vor Beginn ihrer Tätigkeit einen Nachweis nach Absatz 2 Satz 1 vorzulegen. Wenn Zweifel an der Echtheit oder inhaltlichen Richtigkeit des vorgelegten Nachweises bestehen, hat die Leitung der jeweiligen Einrichtung oder des jeweiligen Unternehmens unverzüglich das Gesundheitsamt, in dessen Bezirk sich die jeweilige Einrichtung oder das jeweilige Unternehmen befindet, darüber zu benachrichtigen und dem Gesundheitsamt personenbezogene Daten zu übermitteln. Absatz 2 Satz 3 gilt entsprechend. Eine Person nach Satz 1, die keinen Nachweis nach Absatz 2 Satz 1 vorlegt, darf nicht in den in Absatz 1 Satz 1 genannten Einrichtungen oder Unternehmen beschäftigt werden. Eine Person nach Satz 1, die über keinen Nachweis nach Absatz 2 Satz 1 verfügt oder diesen nicht vorlegt, darf nicht in den in Absatz 1 Satz 1 genannten Einrichtungen oder Unternehmen tätig werden. Die oberste Landesgesundheitsbehörde oder die von ihr bestimmte Stelle kann allgemeine Ausnahmen von den Sätzen 4 und 5 zulassen, wenn das Paul-Ehrlich-Institut auf seiner Internetseite einen Lieferengpass zu allen Impfstoffen mit einer Komponente gegen das Coronavirus SARS-CoV-2, die für das Inverkehrbringen in Deutschland zugelassen oder genehmigt sind, bekannt gemacht hat; parallel importierte und parallel vertriebene Impfstoffe mit einer Komponente gegen das Coronavirus SARS-CoV-2 bleiben unberücksichtigt.
(4) Soweit ein Nachweis nach Absatz 2 Satz 1 ab dem 16. März 2022 seine Gültigkeit auf Grund Zeitablaufs verliert, haben Personen, die in den in Absatz 1 Satz 1 genannten Einrichtungen oder Unternehmen tätig sind, der Leitung der jeweiligen Einrichtung oder des jeweiligen Unternehmens einen neuen Nachweis nach Absatz 2 Satz 1 innerhalb eines Monats nach Ablauf der Gültigkeit des bisherigen Nachweises vorzulegen. Wenn der neue Nachweis nach Satz 1 nicht innerhalb dieses Monats vorgelegt wird oder wenn Zweifel an der Echtheit oder inhaltlichen Richtigkeit des vorgelegten Nachweises bestehen, hat die Leitung der jeweiligen Einrichtung oder des jeweiligen Unternehmens unverzüglich das Gesundheitsamt, in dessen Bezirk sich die jeweilige Einrichtung oder das jeweilige Unternehmen befindet, darüber zu benachrichtigen und dem Gesundheitsamt personenbezogene Daten zu übermitteln. Absatz 2 Satz 3 gilt entsprechend.
(5) Die in Absatz 1 Satz 1 genannten Personen haben dem Gesundheitsamt, in dessen Bezirk sich die jeweilige Einrichtung oder das jeweilige Unternehmen befindet, auf Anforderung einen Nachweis nach Absatz 2 Satz 1 vorzulegen. Bestehen Zweifel an der Echtheit oder inhaltlichen Richtigkeit des vorgelegten Nachweises, so kann das Gesundheitsamt eine ärztliche Untersuchung dazu anordnen, ob die betroffene Person auf Grund einer medizinischen Kontraindikation nicht gegen das Coronavirus SARS-CoV-2 geimpft werden kann. Das Gesundheitsamt kann einer Person, die trotz der Anforderung nach Satz 1 keinen Nachweis innerhalb einer angemessenen Frist vorlegt oder der Anordnung einer ärztlichen Untersuchung nach Satz 2 nicht Folge leistet, untersagen, dass sie die dem Betrieb einer in Absatz 1 Satz 1 genannten Einrichtung oder eines in Absatz 1 Satz 1 genannten Unternehmens dienenden Räume betritt oder in einer solchen Einrichtung oder einem solchen Unternehmen tätig wird. Widerspruch und Anfechtungsklage gegen eine vom Gesundheitsamt nach Satz 2 erlassene Anordnung oder ein von ihm nach Satz 3 erteiltes Verbot haben keine aufschiebende Wirkung.
(6) Die Absätze 1 bis 5 gelten nicht für die in den Einrichtungen oder von den Unternehmen behandelten, betreuten, gepflegten oder untergebrachten Personen.
(7) Durch die Absätze 1 bis 5 wird das Grundrecht der körperlichen Unversehrtheit (Artikel 2 Absatz 2 Satz 1 des Grundgesetzes) eingeschränkt.
allgemeine Impfpflicht in Deutschland
Ob die allgemeine Impfpflicht in der Bundesrepublik Deutschland eingeführt wird, ist noch offen. Nach den ersten Plänen soll diese ab einem Alter von 18 Jahren für jeden Bürger bestehen. Gegen eine solche allgemeine Verpflichtung zur Impfung bestehen aber verfassungsrechtliche Bedenken und darüber hinaus dürfte eine Durchsetzbarkeit mittels Zwangs/ Ordnungsgeld sehr schwierig sein.
weitere Urteile zum aktuellen Corona-Themen
1. Corona-Test und Arbeitslohn
Das Landesarbeitsgericht München (Urteil vom 26.10.2021, Az. 9 Sa 332/21) hat nun entschieden, dass es rechtmäßig ist, wenn ein Arbeitnehmer keinen aktuellen PCR-Test vor Arbeitsbeginn vorlegt, dass der Arbeitgeber diesen dann nicht beschäftigen und bezahlen muss. Eine Arbeitnehmerin / Musikerin verweigerte die Vorlage eines Corona-Tests und wurde daraufhin unbezahlt freigestellt. Diese klagte auf Beschäftigung und Lohnzahlung und verlor vor dem LAG München. Die Vorlagepflicht für den negativen PCR-Test ergab sich aber nicht aus § 28 b Infektionsschutzgesetzes, sondern aus einem Tarifvertrag.
2. kein Zuschlag für das Tragen der Maske
Das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg, Urteil vom 17.11.2021, Aktenzeichen 17 Sa 1067/21 hat entschieden, dass ein Gebäudereiniger keine tarifvertraglichen Erschwerniszuschlag für das Tragen einer Corona-Schutzmaske erhält. Beschäftigte der Reinigungsbranche, die bei der Durchführung der Arbeiten eine sogenannte OP-Maske tragen, haben keinen Anspruch auf einen tariflichen Erschwerniszuschlag, da die Atemschutzmaske kein Teil der persönlichen Schutzausrüstung des Arbeitnehmers ist.
3. Abmahnung vor Kündigung wegen Verweigerung von Corona-Test
Das Arbeitsgericht Hamburg (Urteil vom 24.11.2021 – 27 Sa 208/21) hat entschieden, dass wenn ein Arbeitnehmer in der Corona-Pandemie die Durchführung ihm durch den Arbeitgeber zur Verfügung gestellter Corona-Schnelltests verweigert, ist vor Ausspruch einer Kündigung eine Abmahnung erforderlich. Verweigert ein Arbeitnehmer wiederholt die Durchführung der Schnelltests, muss der Arbeitgeber ihn zunächst abmahnen, bevor er kündigt, so das Arbeitsgericht.
4. Kündigung eines Corona-Leugners
Das Arbeitsgericht Darmstadt (Urteil vom 9.11.2021 – 9 Ca 163/21) hat entschieden, dass es einen Kündigungsgrund darstellt, wenn ein Berufschullehrer gegenüber seinen Schülern die Corona-Pandemie als Verschwörung bezeichnet, deren Existenz leugnet, Infektionsschutzmaßnahmen mit der NS-Diktatur vergleicht und sich unter Berufung auf die Meinungsfreiheit weigert, Arbeitsschutzvorschriften einzuhalten.
5. Pfändbarkeit von Corona-Prämien
Nach einer Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Niedersachen vom 25.11.2021 (6 Sa 216/21) können Corona-Prämien, die einem Arbeitnehmer in der Gastronomie vom Arbeitgeber zusätzlich zum geschuldeten Arbeitslohn gezahlt wurden als unpfändbare Erschwerniszuschläge gem. § 850 a Nr. 3 ZPO qualifiziert werden.
6. Kein Anspruch des Arbeitnehmers auf Versetzung wegen Maskenbefreiungsattest
Das Landesarbeitsgericht Hamburg (Urteil vom 13.10.2021 – 7 Sa 23/21) hat entschieden, dass trotz Vorlage eines „Maskenbefreiungsattestes“ der Arbeitgeber im Wege des Direktionsrechts im Betrieb das Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung anzuordnen darf. Zur Begründung führte das LAG aus, dass das Interesse des Arbeitgebers, den Ausstoß von Aerosolen auf dem geringstmöglichen Niveau zu halten, dem Interesse des Arbeitnehmers aus gesundheitlichen Gründen keine Mund-Nasen-Bedeckung tragen, vorgehen kann. Auch folgt aus § 296 BGB keine Verpflichtung des Arbeitgebers, die Arbeitspflicht nach den Wünschen oder Belangen des Arbeitnehmers zu bestimmen.
7. Kündigung wegen fehlender Impfung/ Arbeitsgericht Berlin
Das Arbeitsgericht Berlin, Urteil vom 3.2.2022 – 17 Ca 11178/21 hat entschieden (Pressemitteilung Nr. 03/22 v. 3.3.2022), dass ein Arbeitgeber in einem Musicalaufführungsbetrieb ein „2G-Modell“ einführen und durchsetzen darf und damit einer Darstellerin, die über keine Corona-Schutzimpfung verfügt, noch vor Vertragsbeginn das Arbeitsverhältnis kündigen darf. Nach der Entscheidung stellt eine solche Kündigung insbesondere auch keine Maßregelung gem. § 612a BGB dar und der Kündigungsvorgang verstößt nach dem Arbeitsgericht Berlin auch nicht gegen das AGG.
8. Freistellung von umgeimpften Pflegern zulässig
Das Arbeitsgericht Gießen (Beschluss vom 12.4.2022 – 5 Ga 1/22) hat in zwei Verfahren im Wege einer einstweiligen Verfügung entschieden, dass ein Pflegeheim berechtigt ist, (langjährig tätige) umgeimpfte Mitarbeiter von der Arbeit freizustellen. Ob diese unbezahlt oder bezahlt freizustellen sind, wurde in diesem Verfahren aber nicht entschieden. Der Hintergrund ist, dass der Gesetzgeber es schlicht versäum hat, ein klares Beschäftigungsverbot auch für alle vor dem 16.3.2022 bereits in Pflege- und Gesundheitseinrichtungen Beschäftigten zu normieren.
10. Vorlage einer Kopie eines gefälschten Impfausweis kann Kündigung rechtfertigen
Allein die Vorlage einer Kopie eines gefälschten Impfausweises kann schon eine Kündigung durch den Arbeitgeber rechtfertigen, so das Arbeitsgericht Düsseldorf (Urteil vom 18.2.2022 – 11 Ca 5388/21).
11. kein anlasslose Anordnung eines Corona-Tests durch den Arbeitgeber zulässig
Das Arbeitsgericht Villingen-Schwenningen (Urteil vom. 22.10.2021 – 2 Ca 52/21) hat entschieden, dass der Arbeitgeber nicht ohne Anlass vom Arbeitnehmer einen Corona-Test verlangen darf. Gibt es aber einen Anlass (Kontakt mit einem an Corona erkrankten Mitarbeiter) darf ein Test im Rahmen des allgemeinen Weisungsrechts vom Arbeitgeber angeordnet werden.
12. Kündigung unwirksam wegen Vorlage von Corona-Testnachweisen aus dem Internet
Das Arbeitsgericht Bielefeld (Urteil vom 24.3.2022 – 1 Ca 2311/21) hat entschieden, dass bei der Vorlage eines Testzertifikats, bei dem ein negatives Testergebnis (Corona-Test) bescheinigt wird, obwohl der Aussteller des Testergebnisses die Durchführung des Corona-Schnelltests nicht beaufsichtig hat, dies nicht als Kündigungsgrund ausreicht. Der Arbeitgeber hätte hier vorher abmahnen müssen. Die ausgesprochene Kündigung war unwirksam. Zu unterscheiden ist der Fall von den obigen Fällen, bei denen ein gefälschtes Impfzertifikat von den Arbeitnehmern benutzt wurde.
13. kein Beschäftigungsverbot bei fehlender Impfung
Das Arbeitsgericht Bonn (Urteil vom vom 18.5.2022 – 2 Ca 2082/21) hat entschieden, dass ein bereits vor dem 15.3.2022 in einem Krankenhaus beschäftigter Auszubildender nach einer unwirksamen Kündigung seines Ausbildungsverhältnisses auch ohne Vorlage eines Impf- oder Genesenennachweises nach § 20a Abs. 2 Satz 1 IfSG Anspruch auf Annahmeverzug gegen seinen Arbeitgeber hat. Der Hintergrund ist, dass es nach § 20a Abs. 1 und Abs. 2 IfSG kein gesetzliches Beschäftigungsverbot (für vormals beschäftigte Arbeitnehmer) gibt, welches den Anspruch des Auszubildenden auf Annahmeverzugslohn nach § 297 BGB ausschließen würde.
14. kein Schmerzensgeld vom Arbeitgeber bei Corona-Infektion
Das Arbeitsgericht Siegburg (Urteil vom 30.3.2022 – 3 Ca 1848/21) hat entschieden, das eine mit Corona infizierte und erkrankte Krankenschwester keinen Anspruch auf Schadensersatz und Schmerzensgeld gegen ihren Arbeitgeber hat, wenn sie nicht nachweisen kann, dass der Arbeitgeber die Schuld an der Erkrankung trägt.
15. Anhusten mit Corona-Absicht als wichtiger Kündigungsgrund
Das Landesarbeitsgericht Düsseldorf (Urt. vom 27.04.2021, Az.: 3 Sa 646/20) hat entschieden, dass das vorsätzliche Anhusten eines Arbeitskollegen mit den Worten „Ich hoffe, Du bekommst Corona“ auch ohne vorherige Abmahnung zur außerordentlichen fristlosen Kündigung durch den Arbeitgeber berechtigt.
16. Bundesarbeitsgericht: Corona-Testpflicht für Arbeitnehmer ist rechtmäßig
Das Bundesarbeitsgericht (Urteil vom 1.6.2022 – 5 AZR 28/22) hat entschieden, dass der Arbeitgeber zur Umsetzung der ihn treffenden arbeitsschutzrechtlichen Verpflichtungen berechtigt ist, auf Grundlage eines betrieblichen Schutz- und Hygienekonzepts Corona-Tests einseitig anzuordnen. Damit positioniert sich auch das BAG für bestimmte Corona-Maßnahmen durch Arbeitgeber.
17. gefälschter Genesenennachweis und Kündigung – Arbeitsgericht Berlin
18. BAG: unentgeltliche Freistellung nach Urlaub unzulässig
Das Bundesarbeitsgericht (Urteil vom 10. August 2022 – 5 AZR 154/22) entschied zu Gunsten eines Arbeitnehmers, der nach seinem Türkeiurlaub (Hochrisikogebiet) vom Arbeitgeber in Quarantäne für 14 Tage ohne Entgelt geschickt wurde. Das BAG führte aus, dass der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer die Möglichkeit des Nachweises, dass keine Corona-Infektion bestand, hätte geben müssen.
19. LAG Berlin-Brandenburg: Teilnahme am betrieblichen Sommerfest einer Klinik nur mit 2G+ und negativen Test
Die von einer Klinik für ein betriebliches Sommerfest festgelegte Zugangsregelung, wonach für die Teilnahme am Betriebsfest eine gültige vollständige Impfung und/oder Genesung sowie ein tagesaktueller negativer Antigen-Schnelltest erforderlich ist, ist rechtmäßig. Dies entschied das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg (Urteil vom 1.7.2022 – 6 Ta 673/22).
20. LAG Hessen – Keine Pflicht, nicht geimpftes Pflegepersonal in Seniorenheim zu beschäftigen
Das Hessische Landesarbeitsgericht (Urteile vom 11.08.2022, Az. 5 SaGa 728/22 und 7 SaGa 729/22) hat in zwei Verfahren auf einstweiligen Rechtsschutz die Anträge von in der Pflege tätigen Klägern abgewiesen, die eine Weiterbeschäftigung ohne Impfung erreichen wollten. Nach dem LAG wirke der erforderliche Impfnachweis wie eine berufliche Tätigkeitsvoraussetzung.
21. Arbeitsgericht Siegburg – Täuschung über Corona-Impfstatus und fristlose Kündigung
Das Arbeitsgericht Siegburg (Urteil vom 23.06.2022 – 3 Ca 2171/21) hat entschieden, dass die Täuschung gegenüber dem Arbeitgeber über den Impfstatus des Arbeitnehmers durch Vorlage eines falschen Impfnachweises eine fristlose Kündigung rechtfertigen kann.
22. Arbeitsgericht Köln – kein Anspruch auf Beschäftigung und Annahmeverzugslohn
Das Arbeitsgericht Köln (Urteil vom 21.7.2022 – 8 Ca 1779/22) hat entschieden, dass eine nicht gegen SARS-CoV-2 geimpfte und aus diesem Grunde freigestellte Pflegekraft keinen Anspruch auf tatsächliche Beschäftigung sowie Zahlung von Annahmeverzugslohn hat. Nach dem Gericht steht dem Beschäftigungsanspruch der Arbeitnehmerin bereits § 20a Abs. 1 IfSG entgegen, aus dem sich seit dem 16.3.2022 ein unmittelbares gesetzliches Tätigkeitsverbot für nicht immunisierte Pflegekräfte ergibt. Einer gesonderten behördlichen Entscheidung des Gesundheitsamtes bedarf es hierfür nicht, so das Arbeitsgericht Köln.
23. Eilantrag gegen Praxisverbot abgewiesen – OVG Rheinland-Pfalz
Das Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz (Beschluss vom 2.9.2022 – 6 B 10723/22) hat einen Eilantrag einer in einer Zahnarztpraxis beschäftigten Mitarbeiterin abgewiesen. Diese war nicht gegen das Coronavirus geimpft. Sie klagte (deshalb haben hier die Verwaltungsgericht entschieden) nicht gegen den Arbeitgeber, sondern gegen den Landkreis, der das Betretungsverbot erlassen hatte. Die Klage blieb ohne Erfolg.
24. Tätigkeitsverbot ungeimpfter Pfleger nur durch das Gesundheitsamt
Das Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg (Urteil vom 3.2.2023 – 7 Sa 67/22) hat entschieden, dass Freistellung ungeimpfter Pflegekräfte nur nach Verhängung eines Tätigkeitsverbots durch das Gesundheitsamt möglich ist. Der Arbeitgeber kann nicht von sich aus eine Tätigkeitsverbot „aussprechen“ und dann unbezahlt freistellen.
Weiter hat das LAG Baden-Württemberg in Bezug auf Annahmeverzugslohnansprüche des Arbeitnehmers entschieden, dass die Leistungsfähigkeit und auch Leistungswilligkeit des Arbeitnehmers im Rahmen der §§ 293 ff. BGB sich auf die nach § 294 BGB zu bewirkende Beschäftigung beziehen muss. Ein fehlender Impfnachweis gemäß § 20a Abs. 1 IfSG steht dem nicht entgegen.
25. gefälschter Impfausweis und Vorlage beim Arbeitgeber
Nach dem Landesarbeitsgericht Düsseldorf (Urteil vom 7.2.2023 – 8 Sa 326/22) stellt die Vorlage eines gefälschten Impfausweises in der Absicht die Nachweispflicht des § 28b Abs. 1 IfSG zu umgehen, eine schwere Verletzung einer arbeitsvertraglichen Nebenpflicht des Arbeitnehmers dar, die geeignet ist, eine außerordentliche Kündigung zu rechtfertigen. Dies gilt auch dann, wenn der Arbeitnehmer bereits seit 19 Jahren beim Arbeitgeber beschäftigt ist.
26. Kündigung wegen verweigerter Impfung
Das Bundesarbeitsgericht (Urteil vom 30. März 2023 – 2 AZR 309/22 ) hat entschieden, dass die Kündigung einer Mitarbeiterin im Krankenhaus, die sich weigerte sich gegen Corona impfen zu lassen wirksam ist und nicht gegen das Maßregelungsverbot verstößt. Die Besonderheiten des Fall es sind aber, dass dieser vor der Impfpflicht in der Gesundheitsbranche spielt und darüber hinaus es sich um eine Kündigung in der Wartezeit (Probezeit) handelt.
27. Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall Nr. 1
Das Landesarbeitsgericht Hamm (Urteil vom 24.8.2023 – 15 Sa 1033/22) hat entschieden, dass ein an COVID-19 erkrankter Arbeitnehmer infolge Krankheit objektiv an seiner Arbeitsleistung verhindert ist, wenn er sich in Quarantäne begeben muss. Eine Ausnahme besteht dann, wenn der Arbeitgeber von ihm verlangen kann im Homeoffice zu arbeiten.
28. Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall Nr. 2
Das Landesarbeitsgericht Thüringen (Urteil vom 8.8.2023 – 1 Sa 41/23) hat entschieden, dass im Fall einer symptomlosen Infektion mit dem SARS-CoV-2-Virus keine krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit im Sinne von § 3 EFZG vorliegt. Daran ändert auch eine Quarantäneanordnung wegen einer Infektion mit dem SARS-CoV-2-Virus nichts.
29. BAG und Abmahnung
Das Bundesarbeitsgericht (BAG, Urt. v. 19.6.2024 – 5 AZR 192/23) hat entschieden, dass der Arbeitgeber grundsätzlich nicht berechtigt war, dem Arbeitnehmer wegen Nichtvorlage eines Nachweises i.S.d. § 20a Abs. 2 S. 1 Nr. 1 IfSG a.F. eine Abmahnung zu erteilen.
Anlass für diesen Artikel ist eine Entscheidung des Landesarbeitsgerichtes Berlin-Brandenburg, in dem der Arbeitgeber eine außerordentliche Kündigung gegenüber dem Arbeitnehmer ausgesprochen hat. Dabei ist zu beachten, dass § 626 BGB für den Arbeitgeber beim Ausspruch einer fristlose Kündigung eine Ausschlussfrist von zwei Wochen vorsieht. Diese 2-Wochen-Frist muss unbedingt vom Arbeitgeber beachtet werden, ansonsten ist dessen Kündigung nur allein deswegen unwirksam. Allerdings muss sich der Arbeitnehmer gegen diese Kündigung mittels Kündigungsschutzklage wehren, denn sonst wird auch eine „unwirksame“ Kündigung nach dem Ablauf von 3 Wochen nach Zustellung wirksam (§ 7 KSchG- sog. gesetzliche Wirksamkeitsfiktion).
Entscheidung des LAG Berlin-Brandenburg zur fristlosen Kündigung
Im vorliegenden Fall vor dem Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg hatte der Arbeitgeber aber den Fehler gemacht, dass er einfach pauschal vor Gericht behauptet hat, er habe die Frist schon beachtet. Dies ist nicht ausreichend.
Frist nach § 626 II BGB
Eine außerordentliche Kündigung, die meistens auch fristlos ausgesprochen wird, ist schwierig für den Arbeitgeber durchzusetzen. Oft wird von Arbeitgeberseite unterschätzt, wie hoch die Anforderungen an eine solche Kündigung sind. Selbst eine ordentliche Kündigung ist oft nicht einfach realisierbar, aber erst recht sind bei der außerordentlichen Kündigung die rechtlichen Hürden sehr hoch.
außerordentlicher Kündigungsgrund
Für eine außerordentliche Kündigung muss ein außerordentlicher Grund vorliegen. Die meisten außerordentlichen Kündigungen werden verhaltensbedingt ausgesprochen. Die Anforderungen an einen solchen außerordentlichen Kündigungsgrund sind sehr hoch.
Abmahnung vor einer verhaltensbedingten Kündigung
Von daher stellt sich dann schon die Frage, ob der Arbeitgeber nicht grundsätzlich vorher hätte abmahnen müssen. Die Abmahnung vor einer solchen Kündigung ist der Normalfall. Eine außerordentliche, verhaltensbedingte Kündigung ohne Abmahnung auszusprechen, ist nur in Ausnahmefällen möglich und zwar dann, wenn das Vertrauensverhältnis durch die Pflichtverletzung des Arbeitnehmers unwiederbringbar zerstört ist.
Kündigungsfälle, wie Diebstahl oder Unterschlagung
Solche Fälle können zum Beispiel Vermögensdelikte gegen den Arbeitgeber oder gegen Kunden oder Arbeitskollegen sein, wie zum Beispiel der Diebstahl oder die Unterschlagung von fremdem Eigentum. Auch kann ein Arbeitszeit- oder Spesenbetrug eine außerordentliche Kündigung rechtfertigen. Es kommt aber immer auf den Einzelfall an. Es gibt keine absoluten Kündigungsgründe.
Formale Hürde: Ausschlussfrist nach § 626 II BGB
Eine weitere (formelle) Voraussetzung für eine fristlose Kündigung ist aber die Beachtung der Ausschlussfrist nach § 626 Abs. 2 BGB.
Der Paragraf lautet wie folgt:
> § 626 Fristlose Kündigung aus wichtigem Grund
> (1) Das Dienstverhältnis kann von jedem Vertragsteil aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, auf Grund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Dienstverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zu der vereinbarten Beendigung des Dienstverhältnisses nicht zugemutet werden kann.
> (2) Die Kündigung kann nur innerhalb von zwei Wochen erfolgen. Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem der Kündigungsberechtigte von den für die Kündigung maßgebenden Tatsachen Kenntnis erlangt. Der Kündigende muss dem anderen Teil auf Verlangen den Kündigungsgrund unverzüglich schriftlich mitteilen.
Arbeitgeber muss Frist vor Kündigung beachten
Der Arbeitgeber kann also eine außerordentliche Kündigung nur innerhalb einer Frist von zwei Wochen aussprechen. Wartet er länger, ist die Kündigung nicht mehr möglich.
Diese Fristenregelung konkretisiert den Grundsatz, dass die Befugnis des Arbeitgebers zur außerordentlichen Kündigung ihrer Natur nach aus kollektiven und individual-rechtlichen Gründen zeitlich begrenzt ist. Bei einer so einschneidenden Maßnahme wie der außerordentlichen (fristlosen) Kündigung erfordert es die Ordnung des Betriebs, eine mögliche Beendigung des Arbeitsverhältnisses des Arbeitnehmers zeitnah vorzunehmen.
Auch hat der Arbeitnehmer ein berechtigtes Interesse kurzfristig zu erfahren, ob nun aufgrund der ihm vorgeworfenen Pflichtverletzung mit einer sofortigen Kündigung zu rechnen ist oder sein Arbeitsverhältnis fortbesteht.
Fristbeginn der 2-Wochen-Frist
Die Frist beginnt mit dem Tag, an dem der Arbeitgeber Kenntnis von den maßgeblichen Tatsachen in Bezug auf die Kündigung hat.
Dies ist dann der Fall, sobald der Arbeitgeber eine zuverlässige und möglichst vollständige Kenntnis vom Kündigungssachverhalt erlangt hat. Dies ist in der Regel nicht gleich bei der ersten Information der Fall, sondern wenn der Arbeitgeber entsprechende zuverlässige Informationen erlangt hat. Dies gilt schon allein deshalb, da er den Kündigungsgrund später darlegen und beweisen muss.
Es ist nicht ganz einfach in jedem Fall zu bestimmen, wann diese Frist zu laufen beginnt.
Vortrag vor dem Arbeitsgericht zur Fristwahrung
Von erheblicher Bedeutung ist aber, dass Arbeitgeber diese Frist zum einen zu beachten hat und zum anderen auch – im Bestreitensfall – vor dem Arbeitsgericht genau darlegen muss. Er muss dabei vortragen, wann er Kenntnis von welchen Tatsachen erlangt hat und damit wann der Fristbeginn tatsächlich vorgelegen hat. Dies wird oft nicht beachtet.
Nachfolgend kommen wir zu der Entscheidung des Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg.
Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg, Urteil vom 20.05.2021 – 10 Sa 1667/20
Im obigen Arbeitsgerichtsverfahren (Berufung) hatte die Arbeitgeberin außerordentlich das Arbeitsverhältnis zum Arbeitnehmer durch Kündigung beendet und im Verfahren vor dem Arbeitsgericht und später im Berufungsverfahren vor dem LAG nur pauschal dazu vorgetragen, wann sie Kenntnis von der Pflichtverletzung des Arbeitnehmers erlangt hatte.
Für das Arbeitsgericht und auch für das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg war dies nicht ausreichend.
Urteil des LAG
Dazu führt das LAG Berlin-Brandenburg aus:
Nach der ständigen Rechtsprechung des BAG ist der Kündigungsberechtigte für die Einhaltung der Ausschlussfrist des § 626 Abs. 2 BGB darlegungs- und beweispflichtig (vgl. etwa BAG vom 16. Juli 2015 – 2 AZR 85/15). Derjenige, der eine Kündigung aus wichtigem Grund ausspricht, muss anhand von Tatsachen zunächst darlegen, dass er von den für die Kündigung maßgebenden Tatsachen erst innerhalb der letzten zwei Wochen vor ihrem Ausspruch erfahren hat. Diese Darlegungspflicht ist nicht bereits erfüllt, wenn der Kündigende lediglich allgemein vorträgt, er kenne die Kündigungsgründe nicht länger als zwei Wochen vor Ausspruch der Kündigung. Er muss vielmehr die Umstände schildern, aus denen sich ergibt, wann und wodurch er von den maßgebenden Tatsachen erfahren hat. Um den Zeitpunkt, in dem der Wissensstand des Kündigungsberechtigten ausreicht, bestimmen zu können, und um es dem Gekündigten zu ermöglichen, die behauptete Schilderung zu überprüfen und gegebenenfalls qualifiziert zu bestreiten, muss grundsätzlich angegeben werden, wie es zu der Aufdeckung des Kündigungsgrundes gekommen sein soll (BAG vom 1. Februar 2007 – 2 AZR 333/06).
Die Beklagte hat relativ allgemein vorgetragen, dass Frau C erst Ende Februar 2020 zufällig den Qualitätsbericht von Herrn B in der Ablage gefunden habe. Dabei hat die Beklagte erst in der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht erklärt, dass es sich um übereinander gestapelte Ablagekästen für verschiedene Zwecke handele und der Qualitätsbericht in einen falschen Ablageordner gelegt worden sei. Damit hat die Beklagte zwar nicht dargelegt, was der konkrete Anlass „Ende Februar 2020“ (und nicht vorher) gewesen ist, dass Frau C das (falsche) Fach durchgesehen und den Qualitätsbericht gefunden hat, aber zumindest die zeitliche Zuordnung für die Kündigung am 2. März 2020 lag „Ende Februar 2020“ noch in der 2-Wochen-Frist des § 626 Abs. 2 BGB.
Die Beklagte hat aber versäumt darzulegen, was der Qualitätsbericht konkret beinhaltete und damit die Beklagte in den Stand versetzt haben soll, (erst) Ende Februar 2020 über eine Sanktionierung des Fehlverhaltens des Klägers am 12. Januar 2020 Erwägungen anzustellen. Soweit die Beklagte in der Berufung ausgeführt hat, dass in dem Bericht das enthalten gewesen sei, was schriftsätzlich vorgetragen worden sei, ersetzt das diesen Sachvortrag nicht. Gerade angesichts des – streitigen – Vortrags des Klägers, dass er für die Geltendmachung von Vergütungsansprüchen sanktioniert worden sei, hätte es einer genaueren Darlegung der Beklagten bedurft, wie es zu der Aufdeckung des Kündigungsgrundes gekommen sein soll.
….
Da der Beginn der 2-Wochen-Frist des § 626 Abs. 2 BGB nicht festgestellt werden konnte, konnte auch die Wirksamkeit der außerordentlichen Kündigung nicht festgestellt werden. Die Berufung der Beklagten war insoweit zurückzuweisen.
Anmerkung:
Es reicht also nicht aus, die Frist einzuhalten. Der Arbeitgeber muss auch genau vortragen, aufgrund welcher Umstände er wann/ wodurch Kenntnis von der Pflichtverletzung hatte. Ein solcher Vortrag muss ganz konkret erfolgen. Ein pauschaler Hinweis in der Klageerwiderung reicht dazu nicht aus. Wie so oft, zeigt sich auch hier, dass es recht schwierig ist als Arbeitgeber außerordentlich zu kündigen.
weitere Interessante Beiträge zur außerordentlichen Kündigung
Landesarbeitsgericht Berlin – keine sofortige Anordnung von Kurzarbeit laut Arbeitsvertrag
Kurzarbeitklauseln im Arbeitsvertrag werden streng überprüft
In Zeiten der Corona-Krise gibt es immer mehr Arbeitgeber -gerade auch in Berlin – , die gezwungen sind Kurzarbeit im Betrieb einzuführen. Diesbezüglich melden sich immer häufiger Arbeitnehmer um sich arbeitsrechtlich in meiner Kanzlei in Berlin-Marzahn beraten zu lassen. Viele Arbeitnehmer haben in Bezug auf die Kurzarbeit falsche Vorstellungen und meinen, dass der Arbeitgeber diese einfach so anordnen kann. Dies ist nicht richtig!
Hinweis
Der Arbeitgeber braucht im Normalfall (wenn kein Betriebsrat) die Zustimmung des Arbeitnehmers zur Anordnung der Kurzarbeit.
Wichtig ist dabei zu wissen, dass der Arbeitgeber im betriebsratslosen Betrieb nicht einfach die Kurzarbeit selbst anordnen kann, wenn der Arbeitnehmer nichtzustimmt.
Der Arbeitgeber kann aber sich diese Zustimmung schon vorher durch eine entsprechende Klausel im Arbeitsvertrag „geholt haben“.
Wann darf Kurzarbeit angeordnet werden?
Möglichkeiten der Anordnung von Kurzarbeit im Betrieb
Kurzarbeit kann durchgeführt werden, bei
– Vereinbarung mit Arbeitnehmer
– wirksame Anordnungsklausel im Arbeitsvertrag
– Betriebsvereinbarung
– Tarifvertrag
– Ermächtigung der Bundesagentur für Arbeit
Die Kurzarbeit ist nämlich mit einer Veränderung des Arbeitsvertrages verbunden und für jede Änderung des Arbeitsvertrages bedarf ist grundsätzlich die Zustimmung des Arbeitnehmers.
Anordnungsbefugnis von Kurzarbeit durch Klausel im Arbeitsvertrag
Kurzarbeitsklauseln in Arbeitsverträgen
In einigen Arbeitsverträgen findet man aber Klauseln, in denen der Arbeitnehmer im Enddefekt im Arbeitsvertrag bereits dem Arbeitgeber das Recht eingeräumt hat, einseitig Kurzarbeit anzuordnen. Dies ist aber recht selten, deshalb drängen jetzt viele Arbeitgeber auf Vereinbarungen über die Kurzarbeit.
Diese Anordnungsklauseln im Arbeitsvertrag sind aber von der Rechtsprechung streng zu kontrollieren, da sich um allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB) handelt.
In einem Fall hat der Arbeitgeber im Arbeitsvertrag vereinbart, dass er ohne Ankündigungsfrist, also sofort, Kurzarbeit anordnen dürfe.
Entscheidung des Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg
Urteil des LAG Berlin-Brandenburg
Dies lehnte das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg ab.
Im damaligen Arbeitsvertrag stand:
„Kurzarbeit kann, wenn sie vom Arbeitsamt anerkannt wird, für den Betrieb, eine Betriebsabteilung oder einzelne Arbeitnehmer nach deren Ankündigung eingeführt werden.“
Nach dem eindeutigen Wortlaut der Kurzarbeiterklausel durfte der Arbeitgeber ohne Ankündigungsfrist, also von heute auf morgen, sofort Kurzarbeit anordnen.
Das LAG Berlin-Brandenburg (Urteil vom 07.10.2010 – 2 Sa 1230/10) lehnte dies ab und führte dazu u.a. aus:
Die Regelung in Ziffer 5 des hier streitgegenständlichen Arbeitsvertrages stellt eine solche unangemessene Benachteiligung im Sinne von § 307 Abs. 2 BGB dar, weil sie eine Abweichung von der gesetzlichen Regelung der §§ 611 BGB einerseits und § 2 KSchG andererseits vornimmt, ohne dass dies nach den genannten Kriterien billigenswert wäre.
Die Einführung von Kurzarbeit bewirkt eine (zeitweise) Herabsetzung der arbeitsvertraglich geschuldeten und betriebsüblichen Arbeitszeit, mit der eine proportionale Verkürzung der (synallagmatisch) vertraglich geschuldeten Arbeitsvergütung einhergeht. Die volle Vergütungspflicht des Arbeitgebers wird für die Dauer der Kurzarbeitsperiode befristet zeitanteilig suspendiert.
Diese vergütungsrechtliche Folge der Einführung von Kurzarbeit stellt sich als Abweichung von § 611 BGB dar; zugleich liegt in ihr eine Abweichung von § 2 KSchG, der – für den Fall der Anwendbarkeit dieser Vorschrift – vorsieht, dass entsprechende Vertragsänderungen nur über den Weg einer Änderungskündigung möglich wären. Denn es ist anerkannt, dass der Arbeitgeber Kurzarbeit nicht alleine im Wege des Direktionsrechts anordnen könnte (BAG vom 16.12.2008 – 9 AZR 164/08 – NZA 2009, 689).
Die Klausel enthält keine Ankündigungsfrist für die Anordnung von Kurzarbeit. Bereits dieser Umstand führt für sich genommen zur Unwirksamkeit der Klausel. Denn nach dem Wortlaut der Klausel wäre es möglich, dass der Arbeitgeber von einem auf den anderen Tag Kurzarbeit anordnet und damit den dem Arbeitnehmer zu seiner Existenzsicherung dienenden Vergütungsanspruch ganz oder teilweise sofort zu Fall brächte. Dies mit den gesetzlichen Regelungen des § 611 BGB und des § 2 KSchG schlechterdings nicht vereinbar. Im Hinblick auf die existenzsichernde Funktion der Arbeitsvergütung ist in diesem speziellen Kontext auch nicht davon auszugehen, dass die ohnehin anzuwendende Regelung des § 106 GewO ein ausreichendes Korrektiv sei, so dass auf eine Ankündigungsfrist verzichtet werden könnte, wie es der 9. Senat des Bundesarbeitsgerichts für die Frage einer arbeitsvertraglichen Versetzungsklausel angenommen hat (BAG vom 13.04.2010 – 9 AZR 36/09 – BB 2010, 2432). Denn in jener Konstellation geht es (nur) um die Frage des Arbeitsortes, die Arbeitsvergütung steht demgegenüber nicht in Rede. Im Rahmen der Klauselkontrolle ist es daher im Bezugspunkt dieser Frage auch nicht möglich, die verwandte Formulierung – „nach deren Ankündigung“ so auszulegen, dass ein angemessener (?) Ankündigungszeitraum durch Auslegung zu ermitteln wäre.
Achtung
Diese Entscheidung bezieht sich auf eine Anordnungsbefugnis zur Kurzarbeit durch den Arbeitgeber im Arbeitsvertrag! Oft kommt der Arbeitgeber erst jetzt in der Krise auf den Arbeitnehmer zu und dann ist auch eine kurzfristige Vereinbarung von Kurzarbeit eher möglich.
Hinweis
Die Ausführungen überzeugen hier. Die Anordnung der Kurzarbeit ist einschneidend für den Arbeitnehmer und greift gravierend in das Arbeitsverhältnis ein. Der Arbeitnehmer verliert (zumindest einen Teil) seines Lohnanspruchs und kann sich – wenn eine Ankündigungsfrist fehlt – nicht darauf einstellen. Für Änderungen des Arbeitsvertrag ohne Zustimmung des Arbeitnehmers gibt es die Änderungskündigung; hier kann der Arbeitgeber aber nur die neuen Änderungen nach Ablauf der Kündigungsfrist (also nicht sofort) durchsetzen.