Arbeitsrechtliche Abmahnung ist Verzicht auf Kündigung!
Die Abmahnung im Arbeitsrecht ist ein milderes Mittel als die Kündigung des Arbeitsverhältnisses und diese ist im Regelfall vor Ausspruch einer verhaltensbedingten Kündigung auszusprechen. In der arbeitsrechtlichen Praxis spielt die Abmahnung ein weitaus größere Rolle als zum Beispiel die Ermahnung, Rüge oder Beschwerde.
“Ich mahne Sie hiermit ab und kündige Sie gleichzeitig fristlos!”
Inhaltsverzeichnis
Abmahnung und gleichzeitige Kündigung
In diesem Beitrag geht es um die Abmahnung und die gleichzeitige Kündigung.
Beispiel: Der Arbeitnehmer kommt erneut eine halbe Stunde zu spät zur Arbeit. Der Arbeitgeber erklärt, dass er diesen dafür abmahnt und außerdem sofort die Kündigung ausspricht und überreicht dem Arbeitnehmer die fristlose Kündigung.
Ergebnis: Die Kündigung ist unwirksam!
Was ist eine Abmahnung?
Mit der Abmahnung beanstandet der Arbeitgeber ein pflichtwidriges Verhalten des Arbeitnehmers und weist diesen daraufhin, dass im Wiederholungsfall er mit einer Kündigung rechnen muss. Die Abmahnung muss hinreichend bestimmt sein. Weiter muss die Abmahnung das arbeitsvertragswidrige Verhalten des Arbeitnehmers genau beschreiben. Daran scheitern viele Abmahnungen. Ist nicht klar, ob eine Abmahnung vorliegt, so ist die Erklärung auszulegen. Zweifel gehen zu Lasten des Arbeitgebers. Obwohl es kein Schriftformgebot für die Abmahnung gibt (anders als bei einer Kündigung) sollte diese immer schriftlich erfolgen, schon allein aus Beweisgründen.
Was ist der Zweck der Abmahnung?
Die Abmahnung hat einen dreifachen Zweck zu erfüllen. Diese soll:
- auf eine Pflichtverletzung des Arbeitnehmer hinweisen (Hinweisfunktion)
- dieses Verhalten als vertragswidrig rügen (Rügefunktion)
- für den Wiederholungsfall auf eine Gefährdung des Arbeitsverhältnisses hinweisen (Warnfunktion).
Wie setzt sich die Abmahnung zusammen?
Im Normalfall setzt sich die Abmahnung so zusammen, dass im ersten Teil der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer mitteilt, was er falsch gemacht hat. Im zweiten Teil legt der Arbeitgeber dar, wie sich der Arbeitnehmer richtig verhalten hätte und im dritten Teil droht der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer im Wiederholungsfall eine Kündigung an.
rechtliche Ausführungen in der Abmahnung
Soweit eine Abmahnung rechtliche Ausführungen des Arbeitgebers enthält, müssen sie nicht nur im Ergebnis zutreffen, sondern vielmehr auch erkennen lassen, weshalb der Arbeitgeber ein bestimmtes Verhalten des Arbeitnehmers als pflichtwidrig ansieht. Von daher dürfen die rechtlichen Ausführungen nicht unklar oder widersprüchlich sein (LAG Düsseld. 24.7.2009 NZA-RR 2010, 52 ).
Wie oft muss der Arbeitgeber vor Ausspruch einer Kündigung abmahnen?
Es gibt keinen Grundsatz, wonach der Arbeitgeber eine bestimmte Anzahl von Abmahnungen vor eine Kündigung aussprechen muss. Bei schwersten Pflichtverletzung kann der Arbeitgeber ohne Abmahnung, sogar außerordentlich verhaltensbedingte kündigen. Ein solcher Fall wäre zum Beispiel der Diebstahl oder Unterschlagung von Firmeneigentum oder ein firmeninterner Betrug zu Lasten des Arbeitgebers. Ansonsten ist im Normalfall wenigstens einmal bei Pflichtverletzung des Arbeitnehmers abzumahnen. Bei sehr leichten Pflichtverletzungen, wie zum Beispiel der Verspätung um wenige Minuten, wird der Arbeitgeber in der Regel mehrfach abmahnen müssen.
Abmahnung und Kündigung schließen sich aus!
Wichtig ist auch, und dies wird oft übersehen, dass der Arbeitgeber mit der Abmahnung den Sachverhalt verbraucht. Er kann also wegen ein abgemahntes Verhalten nicht mehr kündigen. Die Abmahnung und die Kündigung schließen sich aus. Der Arbeitgeber muss sich also entscheiden, wenn er eine Pflichtverletzung des Arbeitnehmers feststellt, ob er deshalb abmahnt oder kündigt. Es geht nur eines von beiden. Trotzdem gibt es in der Praxis immer wieder Fälle, bei denen Arbeitgeber so etwas schreiben, wie
“Hiermit mahnen wir Sie wegen des obigen Pflichtverstoßes zum 3. mal ab und kündigen zugleich ihr Arbeitsverhältnis außerordentlich und fristlos.”
Eine solche Kündigung ist unwirksam, da wegen der gleiche Sache bereits abgemahnt wurde. Eine arbeitsrechtliche Abmahnung und gleichzeitige Kündigung ist nicht möglich.
Urteil des Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern
Das Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern (Urteil vom 16.03.2021 – 2 Sa 360/20) hatte sich nun mit einen Fall zu beschäftigen, bei dem der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer eine Abmahnung aussprach und später dann aufgrund des gleichen Sachverhalts das Arbeitsverhältnis kündigte. Das Gericht führte in seiner Urteilsbegründung aus, dass der Arbeitgeber grundsätzlich mit der Abmahnung eine Erklärung konkludent abgibt, dass er keine Kündigung aussprechen wird und auf den Ausspruch einer Kündigung mit der Abmahnung verzichtet.
Dem Urteil lag folgender Sachverhalt zugrunde:
Der Arbeitnehmer hat ein Dienstwagen und betankte den Dienstwagen auf Kosten des Arbeitgebers und darüberhinaus betankte er auch auf Kosten des Arbeitgebers ein eigenes Kfz. Der Arbeitgeber wies darauf hin, dass ein solches Verhalten Diebstahl sei und dem Arbeitsvertrag widerspreche und führte weiter mit Schreiben vom 30.01.2020 aus:
Wir sehen uns daher veranlasst, sie auf ihre vertraglichen Pflichten hinzuweisen.
Der Arbeitnehmer widersprach der Abmahnung. Mit Schreiben vom 19. Februar 2020 sprach dann der Arbeitgeber eine Änderungskündigung zum 31.10.2020 aus.
Der Arbeitnehmer wehrte sich mittels Klage gegen die Änderungskündigung. Das Arbeitsgericht gab der Klage statt und der Arbeitgeber ging in Berufung zum Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern.
Vor dem Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern verlor der Arbeitgeber. Die Berufung war unbegründet.
Urteilsbegründung des LAG MV:
Zur Urteilsbegründung führte das Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern folgendes aus:
Ein Arbeitgeber kann auf das Recht zum Ausspruch einer außerordentlichen oder ordentlichen Kündigung durch eine entsprechende Willenserklärung einseitig verzichten (BAG, Urteil vom 26.11.2009 – 2 AZR 751/08 -, Rn. 11 ff. m.w.N., juris). Ein solcher Verzicht ist ausdrücklich oder konkludent möglich. Regelmäßig liegt im Ausspruch einer Abmahnung der konkludente Verzicht auf das Recht zur Kündigung aus den in ihr gerügten Gründen. Der Arbeitgeber gibt mit einer Abmahnung zu erkennen, dass er das Arbeitsverhältnis noch nicht als so gestört ansieht, als dass er es nicht mehr fortsetzen könnte. Treten weitere Gründe zu den abgemahnten hinzu oder werden sie erst nach dem Ausspruch der Abmahnung bekannt, sind diese vom Kündigungsverzicht nicht erfasst. Der Arbeitgeber kann sie zur Begründung einer Kündigung heranziehen und dabei auf die schon abgemahnten Gründe unterstützend zurückgreifen (BAG, Urteil vom 26.11.2009 – 2 AZR 751/08 -, Rn. 15, juris).
a) Die Abmahnung vom 30.01.2020, dem Kläger am 06.02.2020 zugegangen, bezieht sich nach dem Beklagtenvorbringen auf den gesamten Komplex der Betankung eines anderen Fahrzeuges neben dem dem Kläger überlassenen Dienstwagen. Die Beklagte hat sich im Hinblick auf die langjährige Beschäftigungszeit des Klägers und dessen Position als Mitgesellschafter veranlasst gesehen, das ihrer Auffassung nach zu rügende klägerische Verhalten mit einer Abmahnung zu ahnden. Damit hat sich die Beklagte ausdrücklich und bewusst gegen den Ausspruch einer Kündigung bezügliches des Komplexes “Betankung eines anderen Fahrzeuges” entschieden. Indem die Beklagte wegen des ihr zum Zeitpunkt der Abmahnung bekannten Sachverhaltes die Abmahnung ausgesprochen hat, hat sie auf ein Kündigungsrecht verzichtet. Mit dem Sachverhalt der Betankung kann daher die streitbefangene Änderungskündigung vom 19.02.2020 nicht begründet werden.