Maskenbefreiungsattest verpflicht den Arbeitgeber nicht zur Versetzung / Home Office
Corona-Maske
Inhaltsverzeichnis
Corona und Arbeitsrecht – Maskenbefreiung
Corona beschäftigt weiter das Arbeitsleben und so gibt es diverse Entscheidungen der Arbeitsgerichte zu allem möglichen Aspekten und Auswirkungen der Pandemie. Über die Impfpflicht und mögliche Kündigungen in der Gesundheits- und Pflegebranche hatte ich ja schon berichtet, wie auch zur Frage der Strafbarkeit bei der Nutzung von gefälschten Impfausweisen.
Befreiung vom Tragen einer Corona-Schutz-Maske
Hier geht es um die Problematik einer ärztlichen Befreiung vom Tragen einer Corona-Schutzmaske am Arbeitsplatz. Diesbezüglich gab es ja bereits einen Fall eines Mitarbeiters im Rathaus, der sich ebenfalls auf eine Maskenbefreiung berufen hatte. Auf die Problematik, dass viele solcher Atteste sog. „Gefälligkeitsatteste“ sind und im Internet von irgendwelchen – weit entfernten – Ärzten und jegliche Untersuchung ausgestellt wurden, soll hier nicht eingegangen werden. Beim hiesigen Fall ließ das Gericht dies auch dahinstehen, da es nicht darauf ankam.
Maskenbefreiungsatteste sind oft unwirksam
Dazu noch kurz:
In der Regel sind Maskenbefreiungsatteste ungenügend in folgenden Fällen:
– Atteste ohne Begründung und Benennung der gesundheitlichen Einschränkung und der ärztlichen Diagnose
– Atteste, aus denen nicht hervorgeht, welche Gesichtsmasken nicht getragen werden dürfen
– nichtärztliche Bescheinigungen / Eigendiagnosen
– allgemeine Atteste, die allgemeine gesundheitliche Einschränkungen verweisen
Landesarbeitsgericht Hamburg und Attest über Befreiung von Corona-Maske
Eine weitere Entscheidung zu der Problematik des Maskenbefreiungsattestes wurde nun vom Landesarbeitsgericht Hamburg erlassen.
Hier ging es nicht darum, inwieweit ein Befreiungsattest im Bezug auf das Tragen einer Corona Schutzmaske ein Gefälligkeitsattest ist und damit keine Wirkung hat, sondern darum, ob der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer trotz eines solchen Attestes notfalls einen anderen Arbeitsplatz zuweisen oder diesen sogar im Home Office beschäftigen muss.
LAG Hamburg
Das Landesarbeitsgericht Hamburg (Urteil vom 13.10.2021 – 7 Sa 23/21) kam zum Ergebnis, dass dies nicht der Fall ist.
Selbst wenn der Arbeitnehmer ein wirksames ärztliches Befreiungsattest hat, muss der Arbeitgeber diesen keinen anderen Arbeitsplatz zuweisen im Home Office beschäftigen. Dies gilt zumindest dann, wenn der Arbeitgeber im Wege des Direktionsrechts insgesamt die Pflicht zum Tragen von Masken am Arbeitsplatz mit Kundenbezug angeordnet hat, um weitere Infektion mit Corona zu vermeiden. Hier geht das Interesse des Arbeitgebers an Infektionsschutz im Betrieb vor dem Interesse des Arbeitnehmers ohne Maske am Arbeitsplatz aufgrund medizinischer Gründe zu arbeiten.
der Fall des LAG Hamburg
Der Entscheidung lag folgender Fall zugrunde:
Der Arbeitnehmer arbeitete als Bankberater in einer Filiale der beklagten Arbeitgeberin. Sein Vorgesetzter hatte diesen im Oktober 2020 zum Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung am Arbeitsplatz aufgefordert. Daraufhin legte der Arbeitnehmer ein ärztliches Attest zur Maskenbefreiung vor mit der Begründung, dass das Tragen einer Schutzmaske aufgrund eines Psychotraumas aus der Kindheit im siebten Lebensjahr „kontraindiziert“ sei, insbesondere wegen drohender Retraumatisierungen.
Daraufhin beschäftigte die beklagte Arbeitgeberin den Kläger nicht mehr in der Filiale und setzte ihn auch nicht in einer anderen Filiale in der Nähe des Wohnorts des klagenden Arbeitnehmers ein. Der Arbeitnehmer hatte nämlich der Arbeitgeberin vorgeschlagen, dort in einem Einzelbüro beschäftigt zu werden von zu Hause aus im Home-Office zu arbeiten.
Klage des Arbeitnehmers auf Bezahlung
Da der Arbeitnehmer keinen Lohn bekam, klagte er gegen die Arbeitgeberin auf Zahlung von sog. Annahmeverzugslohn.
Vor dem Arbeitsgericht Hamburg (Az 15 Ca 566/20) bekam er Recht. Im Berufungsverfahren vor dem Landesarbeitsgericht Hamburg verlor der Arbeitnehmer jedoch.
Der Kläger habe seine Arbeitsleistung nicht an dem ihn zugewiesenen Arbeitsplatz in der Filiale B angeboten.
Dem Arbeitgeber obliege es nach § 106 Satz 1 GewO, den Inhalt der zu leistenden Arbeit näher zu bestimmen. Erst die so bestimmte Tätigkeit sei die i.S.v. § 294 BGB zu bewirkende Arbeitsleistung.
Die Beklagte habe durchgängig an der Zuweisung des Arbeitsortes in der Filiale B festgehalten. Die Anordnung zum Tragen der Mund-Nasen-Bedeckung beim Betreten der Filiale sei im Oktober 2020 – zur Hochzeit der SARS-CoV-2 Pandemie – grds. vom Direktionsrecht erfasst und im Einzelfall auch geeignet und angemessen gewesen, weil sie dem Infektionsschutz in beide Richtungen gedient habe. Die Anordnung sei auch verhältnismäßig gewesen. Das gelte selbst dann, wenn man – wie vom Kläger behauptet – annehme, dass er an dem von ihm behaupteten Psychotrauma leide, denn das Interesse der Beklagten, den Ausstoß von Aerosolen in ihren Filialen auf dem geringstmöglichen Niveau zu halten, gehe in der Abwägung dem Interesse des Klägers, beim Betreten der Filiale keine Mund-Nasen-Bedeckung zu tragen, vor.
An dieser Wertung ändere auch § 296 BGB nichts. Die danach vorzunehmende Mitwirkungshandlung des Arbeitgebers bestehe darin, dem Arbeitnehmer überhaupt eine Arbeitsmöglichkeit zu eröffnen, den Arbeitsablauf fortlaufend zu planen und die Arbeitsmittel bereitzustellen. Aus § 296 BGB folge keine Verpflichtung des Arbeitgebers, die von ihm zunächst wirksam konkretisierte Arbeitspflicht nach den Wünschen oder Belangen des Arbeitnehmers neu zu bestimmen.
Wenn es der Arbeitgeber schuldhaft unterlasse, dem Arbeitnehmer leidensgerechte und vertragsgemäße Arbeit zuzuweisen, könne dies allenfalls zu Schadensersatzansprüchen führen. Darüber hatte das LAG nicht zu befinden, weil solche Ansprüche nicht Streitgegenstand waren.
Anmerkung:
Der Fall zeigt, dass selbst ein wirksames Maskenattest oft nicht viel bewirkt und nur dazu führt, dass der Arbeitnehmer am Ende keinen Lohn erhält. Es gilt der Grundsatz ohne Arbeit kein Lohn und wenn sich der Arbeitnehmer hier auf eine Ausnahme von diesem Grundsatz (hier Annahmeverzug des Arbeitgebers) beruft, so muss er die Voraussetzungen hierfür nachweisen.
Rechtsanwalt Andreas Martin