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Was ist der Unterschied zwischen Fachanwalt für Arbeitsrecht und Anwalt für Arbeitsrecht?

Landesarbeitsgericht Berlin – keine sofortige Anordnung von Kurzarbeit laut Arbeitsvertrag
Kurzarbeitklauseln im Arbeitsvertrag werden streng überprüft
In Zeiten der Corona-Krise gibt es immer mehr Arbeitgeber -gerade auch in Berlin – , die gezwungen sind Kurzarbeit im Betrieb einzuführen. Diesbezüglich melden sich immer häufiger Arbeitnehmer um sich arbeitsrechtlich in meiner Kanzlei in Berlin-Marzahn beraten zu lassen. Viele Arbeitnehmer haben in Bezug auf die Kurzarbeit falsche Vorstellungen und meinen, dass der Arbeitgeber diese einfach so anordnen kann. Dies ist nicht richtig!
Der Arbeitgeber braucht im Normalfall (wenn kein Betriebsrat) die Zustimmung des Arbeitnehmers zur Anordnung der Kurzarbeit.
Wichtig ist dabei zu wissen, dass der Arbeitgeber im betriebsratslosen Betrieb nicht einfach die Kurzarbeit selbst anordnen kann, wenn der Arbeitnehmer nicht zustimmt.
Der Arbeitgeber kann aber sich diese Zustimmung schon vorher durch eine entsprechende Klausel im Arbeitsvertrag „geholt haben“.
Wann darf Kurzarbeit angeordnet werden?
Möglichkeiten der Anordnung von Kurzarbeit im Betrieb
Kurzarbeit kann durchgeführt werden, bei
– Vereinbarung mit Arbeitnehmer
– wirksame Anordnungsklausel im Arbeitsvertrag
– Betriebsvereinbarung
– Tarifvertrag
– Ermächtigung der Bundesagentur für Arbeit
Die Kurzarbeit ist nämlich mit einer Veränderung des Arbeitsvertrages verbunden und für jede Änderung des Arbeitsvertrages bedarf ist grundsätzlich die Zustimmung des Arbeitnehmers.
Anordnungsbefugnis von Kurzarbeit durch Klausel im Arbeitsvertrag
Kurzarbeitsklauseln in Arbeitsverträgen
In einigen Arbeitsverträgen findet man aber Klauseln, in denen der Arbeitnehmer im Enddefekt im Arbeitsvertrag bereits dem Arbeitgeber das Recht eingeräumt hat, einseitig Kurzarbeit anzuordnen. Dies ist aber recht selten, deshalb drängen jetzt viele Arbeitgeber auf Vereinbarungen über die Kurzarbeit.
Diese Anordnungsklauseln im Arbeitsvertrag sind aber von der Rechtsprechung streng zu kontrollieren, da sich um allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB) handelt.
In einem Fall hat der Arbeitgeber im Arbeitsvertrag vereinbart, dass er ohne Ankündigungsfrist, also sofort, Kurzarbeit anordnen dürfe.
Entscheidung des Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg
Urteil des LAG Berlin-Brandenburg
Dies lehnte das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg ab.
Im damaligen Arbeitsvertrag stand:
„Kurzarbeit kann, wenn sie vom Arbeitsamt anerkannt wird, für den Betrieb, eine Betriebsabteilung oder einzelne Arbeitnehmer nach deren Ankündigung eingeführt werden.“
Nach dem eindeutigen Wortlaut der Kurzarbeiterklausel durfte der Arbeitgeber ohne Ankündigungsfrist, also von heute auf morgen, sofort Kurzarbeit anordnen.
Das LAG Berlin-Brandenburg (Urteil vom 07.10.2010 – 2 Sa 1230/10) lehnte dies ab und führte dazu u.a. aus:
Die Regelung in Ziffer 5 des hier streitgegenständlichen Arbeitsvertrages stellt eine solche unangemessene Benachteiligung im Sinne von § 307 Abs. 2 BGB dar, weil sie eine Abweichung von der gesetzlichen Regelung der §§ 611 BGB einerseits und § 2 KSchG andererseits vornimmt, ohne dass dies nach den genannten Kriterien billigenswert wäre.
Die Einführung von Kurzarbeit bewirkt eine (zeitweise) Herabsetzung der arbeitsvertraglich geschuldeten und betriebsüblichen Arbeitszeit, mit der eine proportionale Verkürzung der (synallagmatisch) vertraglich geschuldeten Arbeitsvergütung einhergeht. Die volle Vergütungspflicht des Arbeitgebers wird für die Dauer der Kurzarbeitsperiode befristet zeitanteilig suspendiert.
Diese vergütungsrechtliche Folge der Einführung von Kurzarbeit stellt sich als Abweichung von § 611 BGB dar; zugleich liegt in ihr eine Abweichung von § 2 KSchG, der – für den Fall der Anwendbarkeit dieser Vorschrift – vorsieht, dass entsprechende Vertragsänderungen nur über den Weg einer Änderungskündigung möglich wären. Denn es ist anerkannt, dass der Arbeitgeber Kurzarbeit nicht alleine im Wege des Direktionsrechts anordnen könnte (BAG vom 16.12.2008 – 9 AZR 164/08 – NZA 2009, 689).
Die Klausel enthält keine Ankündigungsfrist für die Anordnung von Kurzarbeit. Bereits dieser Umstand führt für sich genommen zur Unwirksamkeit der Klausel. Denn nach dem Wortlaut der Klausel wäre es möglich, dass der Arbeitgeber von einem auf den anderen Tag Kurzarbeit anordnet und damit den dem Arbeitnehmer zu seiner Existenzsicherung dienenden Vergütungsanspruch ganz oder teilweise sofort zu Fall brächte. Dies mit den gesetzlichen Regelungen des § 611 BGB und des § 2 KSchG schlechterdings nicht vereinbar. Im Hinblick auf die existenzsichernde Funktion der Arbeitsvergütung ist in diesem speziellen Kontext auch nicht davon auszugehen, dass die ohnehin anzuwendende Regelung des § 106 GewO ein ausreichendes Korrektiv sei, so dass auf eine Ankündigungsfrist verzichtet werden könnte, wie es der 9. Senat des Bundesarbeitsgerichts für die Frage einer arbeitsvertraglichen Versetzungsklausel angenommen hat (BAG vom 13.04.2010 – 9 AZR 36/09 – BB 2010, 2432). Denn in jener Konstellation geht es (nur) um die Frage des Arbeitsortes, die Arbeitsvergütung steht demgegenüber nicht in Rede. Im Rahmen der Klauselkontrolle ist es daher im Bezugspunkt dieser Frage auch nicht möglich, die verwandte Formulierung – „nach deren Ankündigung“ so auszulegen, dass ein angemessener (?) Ankündigungszeitraum durch Auslegung zu ermitteln wäre.
Diese Entscheidung bezieht sich auf eine Anordnungsbefugnis zur Kurzarbeit durch den Arbeitgeber im Arbeitsvertrag! Oft kommt der Arbeitgeber erst jetzt in der Krise auf den Arbeitnehmer zu und dann ist auch eine kurzfristige Vereinbarung von Kurzarbeit eher möglich.
Hinweis
Die Ausführungen überzeugen hier. Die Anordnung der Kurzarbeit ist einschneidend für den Arbeitnehmer und greift gravierend in das Arbeitsverhältnis ein. Der Arbeitnehmer verliert (zumindest einen Teil) seines Lohnanspruchs und kann sich – wenn eine Ankündigungsfrist fehlt – nicht darauf einstellen. Für Änderungen des Arbeitsvertrag ohne Zustimmung des Arbeitnehmers gibt es die Änderungskündigung; hier kann der Arbeitgeber aber nur die neuen Änderungen nach Ablauf der Kündigungsfrist (also nicht sofort) durchsetzen.
Rechtsanwalt Andreas Martin – Fachanwalt für Arbeitsrecht – Berlin Marzahn-Hellersdorf
Versorgungsausgleich bei Scheidung und Saldierung

Kammergericht Entscheidung
Kammergericht Berlin: Kein Anspruch auf Zustimmung zu einer Saldierungsabrede im Versorgungsausgleich
Mit Beschluss vom 7. März 2016 (Az. 13 UF 178/15) hat das Kammergericht Berlin klargestellt, dass im Rahmen des Versorgungsausgleichs im Scheidungsverfahren kein Anspruch des ausgleichspflichtigen Ehegatten besteht, den ausgleichsberechtigten Ehegatten zur Zustimmung zu einer sogenannten Saldierungsabrede zu verpflichten.
Hintergrund: Versorgungsausgleich und Saldierungsmodell
Im Versorgungsausgleich werden bei einer Scheidung die von den Ehegatten während der Ehezeit erworbenen Anrechte auf Alters- und Invaliditätsversorgung ausgeglichen. In dem entschiedenen Fall hatte der ausgleichspflichtige Ehegatte – ein Beamter mit beamtenrechtlichem Versorgungsanspruch – beantragt, dass der andere Ehegatte einer „Saldierung“seiner Rentenanrechte zustimmen solle. Dabei sollte das in der gesetzlichen Rentenversicherung bestehende Anrecht des ausgleichsberechtigten Ehegatten zunächst mit dem Beamtenversorgungsanrecht intern verrechnet werden. Nur der verbleibende Differenzbetrag („Spitzenbetrag“) sollte sodann extern ausgeglichen werden, also durch Begründung eines Rentenanrechts zugunsten des Ausgleichsberechtigten.
Kammergericht: Keine Verpflichtung zur Zustimmung im gerichtlichen Versorgungsausgleichsverfahren
Das Kammergericht stellte jedoch klar, dass eine solche Zustimmung nicht erzwungen werden kann. Das Gesetz sieht eine einseitige Saldierung durch gerichtliche Anordnung nicht vor, und auch ein Anspruch auf Zustimmung des anderen Ehegatten besteht nicht. Eine solche Vereinbarung bedarf der freiwilligen Zustimmung beider Ehegatten und kann nicht einseitig durchgesetzt werden.
Die Entscheidung betont, dass das Versorgungsausgleichsverfahren streng gesetzlichen Vorgaben folgt. Ein abweichender Ausgleich durch eine Saldierungsabrede ist nur im Rahmen einer vereinbarten Abänderung oder individuellen Vereinbarung gem. § 6 VersAusglG möglich – nicht jedoch durch gerichtlichen Zwang.
Fazit der Entscheidung
Ein ausgleichspflichtiger Ehegatte kann den ausgleichsberechtigten Ehegatten im Rahmen des gerichtlichen Versorgungsausgleichsverfahrens nicht dazu zwingen, einer Saldierung von Versorgungsanrechten zuzustimmen. Eine derartige Regelung ist nur einvernehmlich und vertraglich möglich. Die gerichtliche Durchführung erfolgt gemäß den gesetzlichen Vorgaben, insbesondere unter Beachtung des Halbteilungsgrundsatzes und der formellen Trennung der Versorgungssysteme.
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Rechtsanwalt Andreas Martin
LAG Berlin-Brandenburg: Fristlose Kündigung wegen Facebook-Postings ohne Abmahnung unwirksam

Entscheidung – LAG Berlin-Brandenburg
Das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg hat mit Urteil vom 11. April 2014 (Az. 17 Sa 2200/13) entschieden, dass eine fristlose, verhaltensbedingte Kündigung einer Arbeitnehmerin, die Patientenfotos auf ihrer privaten Facebook-Seite veröffentlicht hatte, unwirksam ist.
Der Arbeitgeber hätte vor Ausspruch der Kündigung zunächst eine Abmahnung aussprechen müssen.
Kein schwerwiegender Pflichtverstoß, der eine sofortige Kündigung rechtfertigt
Fehlende Abmahnung als entscheidender Gesichtspunkt
Das Gericht stellte fest, dass die Arbeitnehmerin zwar eine Pflichtverletzung begangen habe, da das Fotografieren und anschließende Teilen von Bildern mit erkennbaren Patienten eine Verletzung des Persönlichkeitsrechts darstellen kann.
Allerdings sei die Pflichtverletzung nicht derart gravierend, dass sie ohne vorherige Abmahnung eine fristlose Kündigung rechtfertige. Der Arbeitgeber hätte die Mitarbeiterin zunächst auf ihr Fehlverhalten hinweisen und eine Verhaltensänderung fordern müssen.
Grundsatz der Verhältnismäßigkeit muss gewahrt bleiben
Das Landesarbeitsgericht betonte, dass eine fristlose Kündigung nur bei schwerwiegenden und offensichtlich unzumutbaren Pflichtverletzungen in Betracht kommt. Bei erstmaligem Fehlverhalten ist regelmäßig eine Abmahnung erforderlich, um dem Arbeitnehmer die Gelegenheit zur Verhaltenskorrektur zu geben. Die Kündigungsschutzklage des Arbeitnehmers hatte von daher Erfolg!
Im vorliegenden Fall lag kein derart gravierender Vorfall vor, der eine sofortige Beendigung des Arbeitsverhältnisses ohne jede Vorwarnung gerechtfertigt hätte.
Rechtsanwalt Marzahn – Andreas Martin
LAG Berlin-Brandenburg: Rechtsmissbrauch beim PKH Antrag

Prozesskostenhilfe
Die mißbräuchliche Antragstellung im Prozesskostenhilfe-Verfahren kommt selten vor.
Prozesskostenhilfe vor dem Arbeitsgericht
Die sogenannte Prozesskostenhilfe ist eine Möglichkeit des Arbeitnehmers einen Arbeitsgerichtsprozess zu finanzieren. Auch der Arbeitgeber kann Prozesskostenhilfe beantragen, wenn die Voraussetzung vorliegen. Eine Formular für die Prozesskostenhilfe-Erklärung finden Sie hier.
schlechte Einkommens- und Vermögensverhältnisse
Eine wesentliche Voraussetzung für die Gewährung von Prozesskostenhilfe vor dem Arbeitsgericht ist die, dass der Arbeitnehmer aufgrund seiner persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nicht in der Lage ist den Prozess aus eigenen finanziellen Mitteln zu bestreiten. Faktisch heißt dies, dass der Arbeitnehmer nicht ausreichend Einkommen oder Vermögen hat, um sich einen Rechtsanwalt zu leisten bzw. um die Gerichtskosten, die ohnehin vor dem Arbeitsgericht recht gering sind und auch nicht durch einen Vorschuss einzuzahlen sind, zu finanzieren.
Dass ein Gericht entscheidet, dass die Prozesskostenhilfe rechtsmissbräuchlich ist, ist sehr selten.
Mutwilligkeit bei Lohnklagen vor dem Arbeitsgericht Berlin
Was aber-gerade beim Arbeitsgericht Berlin-oft vorkommt ist, dass die Prozesskostenhilfe für den Arbeitnehmer wegen Mutwilligkeit abgewiesen wird. Dies ist zum Beispiel dann der Fall, wenn der Arbeitnehmer den Anspruch selbst ohne großen Aufwand gerichtlich verfolgen könnte. Dies wird dann angenommen, wenn zum Beispiel unstreitig abgerechneter Arbeitslohn durch den Arbeitnehmer gerichtlich geltend gemacht werden soll. Hier kann der Arbeitnehmer genauso gut über die rechts Antragsteller beim Arbeitsgericht Berlin den Anspruch gerichtlich verfolgen.
Prozesskostenhilfe muss man u.U. auch zurückzahlen
Auch wird oft missverstanden, dass Prozesskostenhilfe kein Geschenk des Staates an den Bürger ist. Prozesskostenhilfe ist nichts, was der Bürger umsonst erhält. Diese muss man eher als eine Art Darlehen verstehen. Der Arbeitnehmer ist nämlich verpflichtet, bis zu vier Jahre nach Abschluss des Rechtsstreits, dem Gericht, wenigstens einmal jährlich Auskunft über seinen neuen Einkommens und Vermögensverhältnisse zu erteilen. Wenn der Arbeitnehmer hier ein höheres Einkommen hat, kann er gegebenfalls die Prozesskostenhilfe auf einmal oder als Ratenzahlung zurückzahlen.
LAG Berlin-Brandenburg: Rechtsmissbrauch beim PKH Antrag
Das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg (Urteil vom 15. Mai 2015 , Az 21 Sa 782) hat entschieden, dass es rechtsmissbräuchlich ist, wenn nach Zurückweisung eines Prozesskostenhilfe-antrages der Antragsteller einfach einen neuen, identischen Prozesskostenhilfeantrag stellt ohne neue Tatsachen und Umstände vorzutragen und ohne auf die Gründe für die Ablehnung des ersten Antrages einzugehen.
Anmerkung:
Die Entscheidung des Landesarbeitsgerichtes Berlin Brandenburg ist nachvollziehbar. Andernfalls wäre es nicht so, dass der Arbeitnehmer einfach immer wieder den gleichen Antrag bei Gericht stellt ohne sich um die Voraussetzungen zu kümmern und damit die Gerichte mit unnützen Verfahren überzieht. Auch wenn der Rechtsmissbrauch von Seiten der Gerichte äußerst sparsam einzusetzen sein sollte, ist es hier so, dass nachvollziehbar ist, dass man nicht zweimal den gleichen unbegründeten Antrag einreicht.
Rechtsanwalt Andreas Martin
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Rechtsanwalt Andreas Martin
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