krankheitsbedingte Kündigung sowie BEM und das Integrationsamt
Arbeitsrecht
Beim Arbeitsrecht –Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeitsrecht in Berlin – A. Martin – unterscheidet man zwischen Individualarbeitsrecht und kollektiven Arbeitsrecht. Für den Arbeitnehmer ist meist nur das Individualarbeitsrecht von Bedeutung. Insbesondere geht es oft bei arbeitsrechtlichen Streitigkeiten, um Regelungen aus dem Arbeitsvertrag mit dem Arbeitgeber.
Häufig kommen Lohnstreitigkeiten vor. Aber auch bei der Kündigung durch den Arbeitgeber sucht der Arbeitnehmerrat beim Rechtsanwalt, am besten beim Fachanwalt für Arbeitsrecht in Marzahn.
Gerade im Zusammenhang mit Kündigungsschutzklage stellt sich dann die Frage, inwieweit der Arbeitnehmer einen Anspruch auf Abfindung hat oder ob gegebenenfalls ein solcher Anspruch gut verhandelbar ist vor dem Arbeitsgericht Berlin.
Unwiderrufliche Freistellung des Arbeitnehmers – Kündigung, Aufhebungsvertrag und Urlaub
Eine unwiderrufliche Freistellung des Arbeitnehmers erfolgt oft nach einer Kündigung oder einem Aufhebungsvertrag durch den Arbeitgeber. Viele Arbeitnehmer sind verunsichert und wissen nicht so richtig, welche Konsequenzen eine solche Freistellung hat, welche Rechte und Pflichten bestehen und ob man sich dagegen gegebenenfalls wehren kann. Dies soll hier erläutert werden.
Unwiderrufliche Freistellung des Arbeitnehmers -was bedeutet das?
Die Hauptleistungspflicht des Arbeitnehmers im Arbeitsverhältnis besteht in der Erbringung der Arbeitsleistung. Bei einer Freistellung wird die Arbeitsleistung aufgehoben, sodass der Arbeitnehmer nicht mehr dazu verpflichtet ist zu arbeiten. Bei einer unwiderruflichen Freistellung des Arbeitnehmers wird darüber hinaus durch den Arbeitgeber klargestellt, dass der Arbeitgeber den Arbeitnehmer nicht mehr in dem Betrieb zu Erbringung der Arbeitsleistung rufen kann. Die Freistellung kann also – da unwiderruflich – nicht mehr einseitig durch den Arbeitgeber rückgängig gemacht werden.
Lohnzahlung und Freistellung
Oft kommt bei einer Freistellung die Frage, ob der Arbeitgeber verpflichtet ist den Lohn an den Arbeitnehmer zu zahlen. Dabei ist zu beachten, dass sowohl bei der unwiderruflichen als auch bei der widerruflichen Freistellung die Lohnzahlungspflicht grundsätzlich besteht.
unwiderrufliche Freistellung Lohnfortzahlung
Eine Freistellung des Arbeitnehmers ohne Fortzahlung der Vergütung ist nicht einseitig durch den Arbeitgeber möglich. Hier müsste der Arbeitnehmer zustimmen, was aber nur in absoluten Ausnahmefällen denkbar wäre.
Wie erfolgt die Freistellung?
In der Regel erfolgt die Freistellung durch eine Erklärung des Arbeitgebers oder durch eine Vereinbarung zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber. So wird sehr oft in Aufhebungsverträgen vereinbart, dass der Arbeitnehmer bis zum Ende des Arbeitsverhältnisses unter Fortzahlung der Vergütung und unter Anrechnung von Überstunden und Urlaub unwiderruflich freigestellt wird.
Freistellung nach Kündigung
Kommt es zu einer ordentlichen Kündigung durch den Arbeitgeber dann wird oft durch den Arbeitgeber erklärt, dass der Arbeitnehmer bis zum Ende des Arbeitsverhältnisses freigestellt wird. Eine solche einseitige Freistellung ist grundsätzlich zulässig, sofern die Kündigungsfrist des Arbeitnehmers nicht lang ist. Bei einer langen Kündigungsfrist ist dies allerdings problematisch (LAG Hamm, Urteil vom 21.12.2007 – 11 SaGa 51/07,), da dann unter Umständen das Interesse des Arbeitnehmers seine Arbeitsleistung zu erbringen höher liegen kann als das Interesse des Arbeitgebers den Arbeitnehmer freizustellen.
Beweisbarkeit
Gerade nach einer Freistellung bei einer ordentlichen Kündigung sollte der Arbeitnehmer darauf bestehen, dass er diese schriftlich erhält. Eine mündliche Freistellung ist nicht viel wert, da sich später gegebenenfalls die Situation ergibt, in der sich Arbeitnehmer und Arbeitgeber vor dem Arbeitsgericht streiten und der Arbeitgeber einfach behauptet, dass der Arbeitnehmer unentschuldigt gefehlt hat. In einem solchen Fall ist auch kein Lohn geschuldet. Von daher ist es sehr wichtig, dass der Arbeitnehmer die Freistellung tatsächlich auch nachweisen kann. Im Zweifel sollte er vor Ort, tatsächlich seine Arbeitskraft nochmals im Beisein eines Zeugen anbieten. Dies verhindert, dass der Arbeitgeber sich später auf ein unentschuldigtes Fehlen des Arbeitnehmers berufen kann.
außerordentliche Kündigung
Nach einer außerordentlichen (fristlosen) Kündigung kommt es in der Regel nicht zu einer einseitigen Freistellung, da der Arbeitgeber ja davon ausgeht, dass das Arbeitsverhältnis aus wichtigem Grund sofort durch die fristlose Kündigung beendet wurde.
Was ist der Zweck?
Der Zweck einer Freistellung, insbesondere wenn diese einseitig durch den Arbeitgeber erfolgt, ist der, dass der Arbeitnehmer nach einer Kündigung dem Betrieb des Arbeitgebers nicht mehr betreten soll, umso gegebenenfalls Geschäftsgeheimnisse zu schützen oder um zu verhindern, dass der Arbeitnehmer Unfrieden im Betrieb verursacht. Oft geht es auch darum, dass der Arbeitgeber-gerade bei einer Kündigung aus verhaltensbedingten Gründen-ein sogenanntes Statement nach außen hin manifestieren möchte, umso den anderen Arbeitnehmern zu zeigen, dass bei bestimmten Pflichtverletzung im Betrieb grundsätzlich konsequent durchgegriffen wird.
Wann darf der Arbeitgeber freistellen?
Eine einvernehmliche Freistellung ist immer möglich. Stimmt der Arbeitnehmer einer Freistellung nicht zu, kommt nur eine einseitige Freistellung durch den Arbeitgeber in Betracht. Diese ist dann möglich, wenn das Interesse des Arbeitgebers an der Freistellung gegenüber dem Interesse des Arbeitnehmers an der Erbringung seiner Arbeitsleistung überwiegt. Bei kurzen Kündigungsfristen nach einer Kündigung geht man in der Regel davon aus, dass der Arbeitgeber freistellen darf. Es sind aber auch Fälle denkbar, bei denen bei längerer Frist nach einer Kündigung eine Freistellung zulässig ist, wenn zum Beispiel zu befürchten ist, dass der Arbeitnehmer im Betrieb Unfrieden verursacht oder zum Beispiel dienstliche Geheimnisse weiterleitet bzw. interne Informationen zum Nachteil des Arbeitgebers erlangen könnte.
Hat der Arbeitnehmer einen Anspruch auf Freistellung?
Einen Freistellungsanspruch gibt es nur dann, wenn tatsächlich die Freistellung vorher zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber vereinbart wurde. Ansonsten besteht in der Regel kein Anspruch des Arbeitnehmers auf Freistellung, egal ob widerruflich oder unwiderruflich. Der Arbeitnehmer kann die Freistellung anregen, aber kann diese nicht rechtlich durchsetzen.
Freistellung auf Wunsch des Arbeitnehmers
Der Wunsch des Arbeitnehmers nach einer Freistellung ist durchaus nachvollziehbar, da die Motivation in Bezug auf eine Weiterarbeit beim Arbeitgeber gerade nach einer Kündigung oft nicht sehr hoch bei Arbeitnehmern ist. Dies ist verständlich. Allerdings muss der Arbeitgeber dem Wunsch des Arbeitnehmers auf Freistellung nicht nachkommen. Einseitig kann sich der Arbeitnehmer nicht von der Arbeit freistellen. Erscheint der nicht zur Arbeit, erhält er kein Lohn unter hinaus besteht die Möglichkeit, dass der Arbeitgeber-gegebenfalls nach einer Abmahnung-das Arbeitsverhältnis außerordentlich und fristlos kündigt.
Freistellungsvereinbarung – was ist das?
Eine Freistellungsvereinbarung findet man als Klausel oft in Aufhebungsverträgen. Dort ist dann geregelt, dass der Arbeitnehmer unter Fortzahlung der Vergütung bis zum Ende des Arbeitsverhältnisses von seiner Arbeitsleistung freigestellt ist und dass in diesem Zeitraum Urlaub, Überstunden und Mehrarbeit durch den Arbeitgeber gewährt werden.
Was ist bei Krankheit im Freistellungszeitraum?
Wenn der Arbeitgeber den Arbeitnehmer freistellt und im Freistellungszeitraum noch nicht verbrauchten Urlaub gewähren möchte, so ist dies grundsätzlich möglich, sofern eine entsprechende Erklärung genau auflistet, welcher Urlaub in welcher Reihenfolge gewährt werden soll. Dies ist dann vor allen nicht ganz so einfach, wenn noch Resturlaub aus dem Vorjahr besteht. Da sich aber Urlaub und Krankheit grundsätzlich ausschließen, kann der Urlaub tatsächlich dann nicht in der Freistellungsphase genommen werden, wenn der Arbeitnehmer erkrankt.
Freistellungsklauseln in Arbeitsverträgen
Nicht selten findet man in Arbeitsverträgen sogenannte Klauseln, wonach der Arbeitgeber grundsätzlich den Arbeitnehmer von der Arbeitsleistung freistellen darf. Solche Freistellungsklauseln sind oft unwirksam, dass es immer auf den Einzelfall ankommt. Der Arbeitgeber kann nicht pauschal von vornherein im Arbeitsvertrag eine Freistellung vereinbaren.
Unwiderrufliche Freistellung Nachteile
Nachteile kann eine unwiderrufliche Freistellung sowohl für den Arbeitnehmer als auch für den Arbeitgeber haben.
Für den Arbeitgeber ist die Freistellung nachteilig, da er keine Arbeitsleistung vom Arbeitnehmer erhält, trotzdem aber den vollen Lohn zahlen muss. Weiter besteht die Gefahr für den Arbeitgeber, dass der Arbeitnehmer in der Freistellungsphase erkrankt und dann der Resturlaub nicht gewährt wird. Für den Arbeitnehmer kann eine lange Freistellung auch problematisch sein, insbesondere dann, wenn sich es sich um einen Beruf handelt, bei dem der Arbeitnehmer immer “up to date” sein muss und ein langes Ausscheiden bzw. Untätigkeit dazu führt, dass der Arbeitnehmer später Schwierigkeiten hat, wenn er sich um einen neuen Job bewirbt. In schnelllebigen Branchen kann dies ein Problem sein.
Bleibt der Arbeitnehmer sozialversichert bei einer Freistellung?
Der Arbeitnehmer muss keine Angst haben, wenn eine Freistellung durch den Arbeitgeber erfolgt. Das sozialversicherungsrechtliche Beschäftigungsverhältnis bleibt bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses grundsätzlich bestehen (Urteile des Bundessozialgerichts vom 24.9.2008 (– B 12 KR 22/07 R – und – B 12 KR 27/07 R). Dies führt dazu, dass auch die Mitgliedschaft in der Krankenversicherung, Rentenversicherung, Pflegeversicherung und Arbeitslosenversicherung erhalten bleibt, auch wenn der Arbeitnehmer tatsächlich gar keine Arbeitsleistung mehr bringt.
Sperre beim Arbeitslosengeld I?
Manchmal versuchen Agenturen für Arbeit die bezahlte Freistellung als freiwillige Arbeitsaufgabe zu sehen, und versuchen eine Sperrzeit zu verhängen, dies dürfte aber fast immer unzulässig sein.
Was ist mit dem Resturlaub bei unwiderrufliche Freistellung?
Wie oben bereits ausgeführt, werden Arbeitnehmer oft unwiderruflich freigestellt, um Urlaub, Überstunden oder Arbeitszeitguthaben zu gewähren, die noch bestehen. Die Gewährung von Resturlaub ist grundsätzlich in einer Freistellungsphase zulässig, sofern die Freistellung tatsächlich unwiderruflich erfolgt. Bei einer widerrufliche Freistellung kann kein Urlaub, auch kein Resturlaub, gewährt werden, denn der Arbeitnehmer kann ja jederzeit vom Arbeitgeber wieder an den Arbeitsplatz zurückgerufen werden. Von daher kann Resturlaub nur bei einer unwiderruflichen Freistellung des Arbeitnehmers gewährt werden.
Welche Rechte und Pflichten bestehen bei einer unwiderruflichen Freistellung?
Stellt der Arbeitgeber den Arbeitnehmer unwiderruflich frei, ist dieser zur Lohnfortzahlung verpflichtet.
Lohnfortzahlung
Es ist der Lohn zu zahlen, als hätte der Arbeitnehmer seine Arbeitsleistung erbracht. Die Pflicht zu Erbringung der Arbeitsleistung erlischt durch die unwiderrufliche Freistellung des Arbeitnehmers.
Wettbewerbsverbot beachten!
Der Arbeitsvertrag besteht allerdings fort, sodass auch weiterhin ein arbeitsvertragliches Wettbewerbsverbot für den Arbeitnehmer besteht. Der Arbeitnehmer darf nicht bei der Konkurrenz arbeiten.
Zwischenverdienst
Wenn er aber woanders tätig ist und Zwischenverdienst erzielt, ist dieser grundsätzlich auf den Lohn anzurechnen.
Arbeitssuche aber möglich
Manchmal kommen Arbeitnehmer auf die Idee, gerade bei langen Freistellungsphasen, sich woanders zu bewerben. Dies ist zulässig, aber das Arbeitsverhältnis besteht bis zum Ende fort. Eine Arbeit bei der Konkurrenz ist nicht erlaubt, da im bestehenden Arbeitsverhältnis ein Wettbewerbsverbot besteht.
Kündigung droht
Wichtig ist auch, dass der Arbeitgeber zum Beispiel bei Pflichtverletzung des Arbeitnehmers, insbesondere bei Verletzung des Wettbewerbsverbots während der Freistellungsphase, das Arbeitsverhältnis unter Umständen sogar außerordentlich kündigen kann.
Schadenersatzansprüche
Auch Schadensersatzansprüche können weiterhin bei Pflichtverletzungen im Arbeitsverhältnis bestehen, auch wenn diese schwierig durchsetzbar sind. Freistellung heißt eben nicht, dass das Arbeitsverhältnis beendet ist, sondern dass das Arbeitsverhältnis grundsätzlich fortbesteht, aber der Arbeitnehmer eine Arbeitspflicht nicht erbringen muss.
Rechtsanwalt Andreas Martin – Fachanwalt für Arbeitsrecht
Abfindung beim Aufhebungsvertrag
Abfindung und Aufhebungsvertrag werden oft im Zusammenhang gesehen. Der Grund ist, dass ein Auflösungsvertrag nur mit Zustimmung des Arbeitnehmers geschlossen werden kann. Der Arbeitgeber muss von daher dem Arbeitnehmer die einvernehmliche Beendigung des Arbeitsverhältnisses schmackhaft machen, zumal hier fast immer eine Sperre beim Arbeitslosengeld droht. Von daher bietet sich für den Arbeitgeber an, dem Arbeitnehmer hier eine Abfindung als Entlassungsentschädigung anzubieten. Oft wird dann noch für den Fall der Weigerung eine Kündigung des Arbeitsvertrag angedroht. Dies muss aber nicht zwangsläufig so sein.
Hier stellen sich verschiedene Fragen, auf die oft sowohl Arbeitnehmer und Arbeitgeber keine sicheren Antworten haben, wie zum Beispiel, ob ein Anspruch auf eine Abfindung besteht und in welcher Höhe eine solche Abfindung im Aufhebungsvertrag gezahlt wird.
Muss beim Aufhebungsvertrag eine Abfindung gezahlt werden?
Nein, grundsätzlich besteht keine Pflicht des Arbeitgebers bei einem Aufhebungsvertrag eine Abfindung an den Arbeitnehmer zu zahlen. Es kann sich in wenigen Ausnahmefällen eine solche Verpflichtung ergeben, wenn der Arbeitgeber zuvor zum Beispiel dem Arbeitnehmer eine Abfindung zugesagt hat, was selten vorkommen dürfte. Der Arbeitgeber kann aber eine Abfindung zahlen und wird dies in der Regel machen, wenn er ein großes Interesse daran hat, dass der Arbeitnehmer den Aufhebungsvertrag schließt.
Wie hoch wäre eine solche Abfindung beim Abschluss eines Auflösungsvertrages?
Wie auch bei einer Klage nach der Kündigung ist es so, dass die Höhe der Abfindung reine Verhandlungssache ist. Diese ist individuell festzulegen. Hier spielen Interessen beider Seiten eine erhebliche Rolle, insbesondere, wie stark der Arbeitgeber tatsächlich die Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit dem Arbeitnehmer anstrebt und was er dazu bereit ist zu tun. In der Regel ist es so, dass der Arbeitgeber bei Arbeitnehmern, die schwer zu kündigen sind und die er aus dem Betrieb haben möchte, versucht, das Arbeitsverhältnis einvernehmlich durch Auflösungsvertrag aufzuheben. Hier wird der Arbeitgeber in der Regel auch notfalls eine Abfindung zahlen, da er ansonsten kaum eine Möglichkeit hat das Arbeitsverhältnis zu beenden.
Wo steht beim Aufhebungsvertrag die Abfindung?
Falls eine Abfindung im Aufhebungsvertrag vereinbart ist, findet man diese im Vertragstext. Dort kann dann zum Beispiel stehen:
“Der Arbeitgeber zahlt an den Arbeitnehmer für den Verlust des Arbeitsplatzes eine Abfindung in Höhe von XXXX € brutto. Die Abfindung ist mit Abschluss des Vertrages zur Zahlung fällig. Dieses bereits jetzt entstanden und vererblich.”
Wie kann der Arbeitnehmer bestmöglich eine Abfindung aushandeln?
Der Arbeitnehmer muss sich darüber im Klaren sein, wie seine Karten aussehen. Falls er nur schwer zu kündigen ist, dies ist insbesondere dann der Fall, wenn ein allgemeiner Kündigungsschutz (das Kündigungsschutzgesetz findet Anwendung) gilt und der Arbeitnehmer bereits lange Unternehmen beschäftigt ist oder beim Bestehen von Sonderkündigungsschutz. Falls dies der Fall ist, muss sich der Arbeitnehmer dessen auch bewusst sein. Man sollte also immer die eigene Verhandlungsposition kennen. Diese wird man in der Regel an den Chancen in einem möglichen Kündigungsschutzprozess festmachen. Als Einstieg kann hier die sogenannte Abfindungsformel herangezogen werden. Hier kann aber ohne Probleme nach oben abgewichen werden, da diese Abfindungsformel in der Regel keine Relevanz für die tatsächliche Höhe der Abfindung hat.
Wie hoch ist die Abfindung bei einem Aufhebungsvertrag und weshalb hat die Abfindungsformel keine Bedeutung?
Beim Arbeitsgericht Berlin ist die allgemeine Abfindungsformel ein halbes Bruttomonatsgehalt pro Arbeitsjahr. Der Grund, weshalb die Abfindungsformel der Arbeitsgerichte beim Aufhebungsvertrag keine Relevanz hat, ist, dass diese Formel nur für den Fall entwickelt wurde, dass das Arbeitsgericht von sich aus-beim Stellen eines erfolgreichen Auflösungsantrags-dem Arbeitnehmer eine Abfindung zuspricht. Die Abfindungsformel ist eher eine allgemeine Orientierung als ein verbindlicher Rechtssatz.
Weshalb werden beim Auflösungsvertrag und oft dennoch Abfindungen gezahlt?
Der Grund dafür ist der, dass der Arbeitgeber, wenn er dem Arbeitnehmer einen Aufhebungsvertrag anbietet, in der Regel ein Eigeninteresse an der Aufhebung/Beendigung des Arbeitsverhältnisses hat. Wenn der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer ohne Probleme das Arbeitsverhältnis kündigen kann, wird er in der Regel sofort kündigen, da die Kündigung eine einseitige Willenserklärung ist und eine Zustimmung des Arbeitnehmers nicht erforderlich ist. Den schwierigeren Weg über ein Aufhebungsvertrag wird von daher Arbeitgeber erst dann wählen, wenn er den Arbeitnehmer nicht ohne weiteres kündigen kann. Um zu erreichen, dass der Arbeitnehmer hier faktisch ebenfalls bereit ist sein Arbeitsverhältnis einvernehmlich zu beenden und gegebenenfalls sogar eine Sperre beim Arbeitslosengeld hinzunehmen, wird versucht dem Arbeitnehmer die Beendigung möglichst schmackhaft zu machen in dem der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer eine Abfindung anbietet. Dies kommt in der Praxis recht häufig vor. Ein Anspruch darauf besteht aber-wie oben ausgeführt-nicht.
Wie kann der Arbeitgeber erreichen, dass der Arbeitnehmer sein Arbeitsverhältnis einvernehmlich aufhebt?
Wie bereits ausgeführt wurde, machen oft Arbeitgeber den Arbeitnehmern den Auflösungsvertrag mittel Vergünstigungen”schmackhaft”. Dies muss aber nicht immer so sein. Wenn zum Beispiel eine Verfehlung des Arbeitnehmers vorliegt, die eigentlich zur Kündigung nicht ausreichen durfte, dann kommt es nicht selten vor, dass Arbeitgeber versuchen dies auszunutzen und dem Arbeitnehmer dann vor die Wahl stellen, ob dieser einen Aufhebungsvertrag schließt oder ob dann das Arbeitsverhältnis gekündigt wird. Auch hier sollte der Arbeitnehmer sich anwaltlich beraten lassen und standhaft bleiben. Das Bundesarbeitsgericht hat allerdings bereits entschieden, dass es zulässig ist, wenn der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer hier recht wenig Bedenkzeit beim Abschluss des Aufhebungsvertrages einräumt. Nur wenn er dessen verminderte Widerstandskraft bewusst ausnutzt, weil zum Beispiel der Arbeitnehmer erkrankt ist, kann ein solcher Vertrag anfechtbar sein. Dies sollte auf jeden Fall ein Rechtsanwalt überprüfen, falls der Arbeitnehmer tatsächlich einen solchen Vertrag geschlossen hat.
Was passiert in der Regel, wenn der Arbeitnehmer den Aufhebungsvertrag nicht abschließen möchte?
Oft drohen Arbeitgeber dann damit, dass sie das Arbeitsverhältnis mittels Kündigung beenden werden. Dies geschieht dann auch recht oft tatsächlich, allerdings sehe ich darin selten keinen Nachteil für den Arbeitnehmer. Ganz im Gegenteil. Der Arbeitnehmer fährt oft besser, wenn er den Abschluss eines Aufhebungsvertrages ablehnt. Der Arbeitnehmer muss dann aber gegen die Kündigung mittels Kündigungsschutzklage vorgehen, ansonsten ist er “aus dem Spiel” und wird keine Abfindung mehr erhalten.
Nach der Klageerhebung gibt es einen Gütetermin und fast immer wird dort arbeitgeberseitig eine Entschädigung für den Verlust des Arbeitsplatzes angeboten und wenigstens der Abfindungsbetrag gezahlt, der im Aufhebungsvertrag angeboten wurde, meistens aber mehr.
Der Unterschied zwischen dem gerichtlichen Vergleich und dem Auflösungsvertrag besteht darin, dass beim gerichtlichen Vergleich dem Arbeitnehmer in der Regel keine Sperre beim Arbeitslosengeld I droht. Zudem hat der Arbeitnehmer durch den Gerichtsvergleich einen vollstreckbaren Titel und hat mehr Einfluss auf den Inhalt der Abfindungsvereinbarung. In der Regel ist von daher dieser Weg oft besser.
Kündigung oder Aufhebungsvertrag, was ist besser?
Die Frage, ob eine Kündigung des Arbeitgebers oder ein Aufhebungsvertrag besser ist, wird oft gestellt. Die Arbeitgeberkündigung ist oft für den Arbeitnehmer günstiger, da er die Möglichkeit hat dann für den Arbeitgeber ein entsprechendes Prozessrisiko durch Erhebung der Kündigungsschutzklage zu schaffen und der Arbeitgeber hat dann eine recht hohe Hürde zu nehmen, um vor dem Arbeitsgericht die Kündigung auch rechtfertigen zu können. Oft wird der Arbeitgeber dann abwägen, ob es nicht besser es einen wirtschaftlichen Weg zu bestreiten und dem Arbeitnehmer eine Abfindung anzubieten, um das Kündigungsschutzverfahren zu beenden. Macht er dies nicht, läuft er Gefahr, dass er eventuell Lohn nachzahlen muss (Annahmeverzugslohn), wenn er den Kündigungsschutzprozess verliert. Von daher kommt es häufiger vor, dass im Kündigungsschutzverfahren der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer-meistens im Gütetermin -einen Vergleich anbietet und damit auch die Zahlung eine Abfindung.
Ist die Eigenkündigung eine Alternative?
Die Eigenkündigung des Arbeitnehmers ist oft schlechter als der Aufhebungsvertrag, weil der Arbeitnehmer nach einer Eigenkündigung in der Regel keine Abfindung erhält.Die Möglichkeit eine Abfindung dann noch zu erstreiten, sind sehr gering.
Welche Kriterien spielen bei der Höhe einer Abfindung eine Rolle?
Die Kriterien die beim Aufhebungsvertrag im Bezug auf die Höhe einer möglichen Abfindung erheblich sind, sind die gleichen, wie auch im Kündigungsschutzverfahren. Hier spielen insbesondere folgende Faktoren eine Rolle:
– Dauer des Arbeitsverhältnisses
– Chancen des Arbeitnehmers auf dem Arbeitsmarkt
– Sozialdaten des Arbeitnehmers
– Sonderkündigungsschutz des Arbeitnehmers
– allgemeiner Kündigungsschutz
– -Prozessrisiko für den Arbeitgeber insgesamt
– Höhe des Monatslohn des Arbeitnehmers
– Stellung des Arbeitnehmers im Betrieb
– -Vertrauensverhältnis zwischen Arbeitnehmern Arbeitgeber
Je schwieriger es für den Arbeitgeber ist dem Arbeitnehmer das Arbeitsverhältnis zu kündigen und umso mehr der Arbeitgeber letztendlich die Lösung vom Arbeitnehmer anstrebt, umso besser sind die Chancen eine Abfindung in erheblicher Höhe auszuhandeln.
Kann man die Höhe einer Abfindung vorhersagen?
Nein, dies geht jedenfalls in den meisten Fällen nicht.
Hier sollte man beachten, dass jegliche Vorhersage der konkreten Abfindungshöhe-auch durch einen Rechtsanwalt-unseriös ist, sofern nicht ausnahmsweise ein Abfindungsanspruch besteht. Niemand kann vorhersagen, in welcher Höhe der Arbeitgeber tatsächlich eine Abfindung zahlen wird. Auch die Abfindungsformel kann hier häufig dazu führen, dass Arbeitnehmer sich erheblich über ihre Möglichkeiten täuschen. Die Beratung durch einen Anwalt ist von daher unumgänglich.
Welche Gefahren gehen beim Abschluss eines Auflösungsantrag für den Arbeitnehmer aus?
Beim Arbeitnehmer besteht immer das Risiko, dass der Aufhebungsvertrag eine Vielzahl von negativen Regelungen enthält, was in der Praxis oft so ist. Oft gibt es auch eine große Erledigungsklausel/ Ausgleichsklausel mit entsprechenden Ausschüssen am Ende des Vertrages, die dazu führt, dass alle Ansprüche, die dort nicht im Aufhebungsvertrag geregelt sind, verfallen. Dies allein ist schon bedenklich. Der Arbeitnehmer muss sich darüber im Klaren sein, dass der Vertrag über die Aufhebung und Abwicklung des Arbeitsverhältnisses vom Arbeitgeber gestellt wird und in der Regel eine Vielzahl von allein für den Arbeitgeber günstigen Regelung enthält, auch wenn dies für den Arbeitnehmer oft gar nicht ersichtlich ist.
Darüberhinaus droht dem Arbeitnehmer auch fast immer eine Sperre beim Arbeitslosengeld I, auf jeden Fall dann, wenn die Kündigungsfrist nicht eingehalten wurde.
Aber selbst wenn die Kündigungsfrist im Vertrag eingehalten wurde, wird er in der Regel-wegen der Aufgabe seines Arbeitsplatzes-der Arbeitnehmer eine Sperre beim Arbeitslosengeld eins erhalten. Arbeitgeber versuchen dies aufgrund dazu spielt und tun so, als wenn es diese Sperre grundsätzlich nicht gibt, wenn zum Beispiel eine Abfindung gezahlt wird. Dies ist grundsätzlich nicht so. Es gibt zwei der Entscheidung des Bundessozialgerichts, wonach in bestimmten Fällen eine Sperre nicht verhangen werden darf, allerdings würde ich mich als Arbeitnehmer nicht darauf verlassen, dass all diese Voraussetzungen hier erfüllt sind, zumal diese auch recht schwierig zu prüfen sind.
Muss eine Abfindung versteuert werden?
Ja auch eine Abfindung ist zu versteuern. Das Einkommenssteuergesetz (EStG) sieht hier eine steuerliche Besserstellung des Arbeitnehmers vor, die sog. “Fünftelregelung” (§ 34 Abs. 1 Satz 2 EStG).
Auch ist zu beachten, dass auf dem Abfindungsbetrag keine Sozialversicherungsabgaben abzuführen sind. Dies ist eine Besonderheit und macht es von daher attraktiv auch entsprechende Ansprüche in einem Paket als Abfindung zu vereinbaren.
Rechtsanwalt Andreas Martin – Fachanwalt für Arbeitsrecht Berlin – Marzahn – Hellersdorf
fristlose Kündigung wegen Kritik an Corona-Maßnahmen
Corona-Kündigungen beschäftigen immer mehr die Arbeitsgerichte. Zum einen geht es um Kündigungen wegen nicht vorgenommener Impfung in der Pflege – und Gesundheitsbranche (Imppflicht) und zum anderen auch im Arbeitgeberkündigungen aus Anlass von Äußerungen im Zusammenhang mit Corona. Eine aktuelle Entscheidung des Arbeitsgericht Berlin beschäftigt sich mit dem Thema der Meinungsäußerung zu den Corona-Maßnahmen.
Meinungsfreiheit und Grenzen bei Corona-Kritik
Die Corona-Maßnahmen des Bundes und der Länder wurden immer stark kritisiert. Kritik ist hier grundsätzlich auch angebracht und in einer Demokratie sinnvoll und diese auch auch durch die Meinungsfreiheit geschützt. Hier gibt es aber auch rechtliche Grenzen, die – nicht nur – für Arbeitnehmer zu beachten sind. Dort, wo Äußerungen eine strafrechtliche Relevanz haben, stößt die Meinungsfreiheit auf ihre Grenzen. Das Strafrecht ist aber nicht die alleinige Grenze der Meinungsfreiheit.
Kündigung – immer Interessenabwägung
Die Abgrenzung ist nicht immer ganz einfach. Auch spielen bei der Frage der Wirksamkeit der Kündigung viele weitere Faktoren eine Rolle.
So ist vor allen erheblich, wie lange der Arbeitnehmer bereits beschäftigt ist, wie sein Verhalten nach der Äußerung war, also ,ob er sich entschuldigt hat oder nicht. Weiter spielt auch eine Rolle, im welchen Zusammenhang die Äußerung getroffen wurde, zum Beispiel auf Arbeit oder in der Freizeit. Auch ist erheblich, ob es sich um einen normalen Arbeitnehmer in der Privatwirtschaft handelt oder um eine Person, die zum Beispiel in einem besonderen Gewaltverhältnis tätig (öffentlicher Dienst/ Beamte) ist.
Meinungsäußerung zu Corona
Auch das Arbeitsgericht Berlin hatte sich nun mit einem solchen Fall zu beschäftigen.
der Fall des Arbeitsgerichts Berlin
Was war passiert?
Ein Berliner Lehrer hatte ein YouTube-Video unter dem Titel „Sie machen Tempo! Und Ich denke…“ veröffentlicht. Am Anfang seines Videos wird für etwa 3 Sekunden ein Bild eingeblendet, auf dem das Tor eines Konzentrationslagers abgebildet ist, wobei der Originalschriftzug des Tores „ARBEIT MACHT FREI“ wurde durch den Text „IMPFUNG MACHT FREI“ ersetzt wurde.
Weiter folgte dann ebenfalls eine etwa 3 Sekunden lange Einblendung eines Tweets des bayrischen Ministerpräsidenten Markus Söder, der eine Ausweitung der Impfangebote ankündigt und in dem er die Aussage „Impfen ist der Weg zur Freiheit“ trifft.
Die Einblendungen zu Beginn des Videos des Lehrers wurden weder durch Text noch durch mündliche Erklärungen näher erläutert.
fristlose Kündigung durch das Land Berlin
Das Land Berlin hatte daraufhin den Lehrer unter anderem wegen der Veröffentlichung dieses Videos fristlos, hilfsweise fristgemäß gekündigt.
Der Lehrer erhob daraufhin eine Kündigungsschutzklage gegen die Kündigungen und führte dazu aus, dass kein Grund für die Kündigung des Arbeitsverhältnisses vorliegt und Er habe mit dem privaten Video ausschließlich scharfe Kritik an der Äußerung des bayrischen Ministerpräsidenten üben und deutlich machen wollen, dass diese der menschen- und rechtsverachtenden Polemik des Nationalsozialismus nahekomme. Weiter meinte der Lehrer, dass das Video durch das Grundrecht auf Meinungsäußerung und Kunstfreiheit gedeckt sei.
Das Bundesland Berlin meinte, dass der Lehrer in dem Video das staatliche Werben um eine Impfbereitschaft in der Pandemie mit der Unrechtsherrschaft und dem System der Konzentrationslager gleichsetzen würde. Damit würde er die Unrechtstaten der Nationalsozialisten verharmlosen.
Darüber hinaus habe der Lehrer seine Schüler aufgefordert, seinen außerdienstlichen Aktivitäten im Internet zu folgen und sich in anderen Videos auch als Lehrer des Landes Berlin vorgestellt.
Urteil – Arbeitsgericht Berlin
Das Arbeitsgericht Berlin (Urteil vom 12. September 2022, Az. 22 Ca 223/22) wies die Kündigungsschutzklage des Lehrers ab und führte dazu in seiner Pressemitteilung Nr. 23/22 vom 14.09.2022 aus:
Eine Auslegung des Inhalts des Videos ergebe nicht nur eine Kritik an der Äußerung des bayrischen Ministerpräsidenten, sondern auch an der allgemeinen, auch vom Land Berlin und der Schulsenatorin, getragenen Impfpolitik. Dabei überschreite der Lehrer durch den Vergleich des Bildes mit dem Text „IMPFUNG MACHT FREI“ mit der Impfpolitik das Maß der zulässigen Kritik. Die Kritik des Lehrers sei nicht mehr durch die Grundrechte der Meinungsfreiheit oder Kunstfreiheit gedeckt, sondern stelle eine unzulässige Verharmlosung des Holocausts dar. Eine Weiterbeschäftigung des Lehrers sei aus diesem Grund unzumutbar.
Update 2023:
Der Fall wurde nun vom Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg (LAG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 15.6.2023 – 10 Sa 1143/22, Pressemitteilung v. 15.6.2023) zu Gunsten des Lehrers entschieden. Nach dem LAG ist die Kündigung unwirksam. Das Arbeitsverhältnis wurde gegen Zahlung von € 72.000 brutto aufgelöst.
Anmerkung:
Der Lehrer hat hier seine Meinung kundgetan, aber maßlos übertrieben. Ob dies eine fristlose Kündigung rechtfertigt, darüber kann man streiten. Eine ordentliche Kündigung dürfte aber auch vor dem LAG Berlin-Brandenburg bestand haben. Auch die Meinungsfreiheit hat ihre Grenzen und so auch die Kritik an bestimmen Maßnahmen der Politik.
Rechtsanwalt Andreas Martin – Fachanwalt für Arbeitsrecht
Arbeitszeit und Erfassung
Arbeitszeit der Arbeitnehmer ist die Zeit vom Beginn bis zum Ende der Arbeit ohne die Ruhepausen. Geregelt ist dies im Arbeitszeitgesetz (§ 2 Abs. 1 ArbZG). Hierzu gilt es viele Fragen, insbesondere, ob der Arbeitgeber zur Arbeitszeiterfassung verpflichtet ist und was alles zur Arbeitszeit gehört.
aktuelle Entscheidung des BAG zur Pflicht zur Arbeitszeiterfassung
Das Bundesarbeitsgericht (Beschluss vom 13. September 2022, Az. 1 ABR 22/21) hat nun eine allgemeine Verpflichtung des Arbeitgebers zur Erfassung der betrieblichen Arbeitszeit angenommen, welche sich aus dem Arbeitsschutzgesetz (§ 3 Abs. 2 Nr. 1 ArbSchG) ergibt. Diese Entscheidung des BAG ist bahnbrechend und ist auch für viele Arbeitsrechtler überraschend.
Gesetzliche Grundlagen zur Arbeitszeit und Arbeitszeiterfassung
Die rechtlichen Grundlagen zur Arbeitszeit findet man im Arbeitszeitgesetz. Die Grundlage für die Erfassung der Arbeitszeit ist – nach dem 1. Senat des BAG – das Arbeitsschutzgesetz.
Beginn und Ende der Arbeitszeit
Der Beginn und das Ende der Arbeit richten sich nach der jeweiligen Vereinbarung im Arbeitsvertrag oder in einem Tarifvertrag. Der Arbeitgeber muss aber im Arbeitsvertrag den Beginn und das Ende der täglichen Arbeitszeit oder auch Schichtarbeitszeiten nicht regeln. Er kann dies auch im Wege seines Direktionsrechts festlegen und auch ändern.
Verteilung
Wie oben ausgeführt, kann der Arbeitgeber die Verteilung bzw. zeitliche Lage der Arbeitszeit (Beginn, Ende, Pausenzeiten, Schichtarbeit) aufgrund seines Direktionsrechts einseitig bestimmen. Es gelten hierbei die Grundsätzen des billigen Ermessens gemäß § 315 BGB.
In folgenden Fällen hat der Arbeitnehmer einen Anspruch auf eine bestimmte Lage seiner Arbeitszeit:
– bei Bestehen einer gesetzlichen Regelung
– bei Bestehen einer tarifvertraglichen Regelung
– bei Bestehen einer arbeitsvertraglichen Regelung
– bei Bestehen einer mündlichen Zusage über die Lage
regelmäßige Arbeitszeit
Die regelmäßige Arbeitszeit hat der Arbeitgeber (im Arbeitsvertrag) anzugeben. Der Arbeitnehmer muss wissen, zu welcher Arbeitsleistung er verpflichtet ist. Diese steht im direkten Zusammenhang zur Vergütung. Es macht einen Unterschied, ob man für € 1.000 brutto im Monat an 15 h oder 30 h arbeiten muss. Auch fängt z.B. bei einer 40-Stunden-Wochen die erste Überstunde bei der 41. Wochenstunde an.
fehlender Regelung im Arbeitsvertrag
Fehlt eine Regelung im Arbeitsvertrag über die regelmäßige Arbeitszeit dann gilt zunächst die betriebsübliche Arbeitszeit.
Arbeitszeitkonto
Arbeitgeber können im Arbeitsvertrag das Führen eines Arbeitszeitkontos vereinbaren. Dies kommt in der Praxis nicht ganz so oft vor. Eine Ausnahme ist hier die Zeitarbeit. Der Arbeitgeber kann nicht einseitig ein entsprechendes Arbeitszeitkonto im Betrieb einführen. Eine entsprechende Vereinbarung im Arbeitsvertrag muss konkret und zulässig sein. Hieran scheitert es in der Praxis nicht selten.
Überschreitung der Arbeitszeit
Nicht jede Überschreitung der Arbeitszeit führt zu Überstunden. Man muss unterscheiden zwischen Mehrarbeit und Überstunden.
Eine Mehrarbeit liegt vor, wenn vereinbarte tägliche Arbeitszeit überschritten wird, aber der Arbeitnehmer noch unter oder gleich der regelmäßigen Arbeitszeit im Arbeitsvertrag arbeitet.
Überstunden liegen dann vor, wenn der Arbeitnehmer die regelmäßigen Arbeitszeit im Arbeitsvertrag – welche meist eine Wochenarbeitszeit ist – überschreitet.
Dies hört sich kompliziert an, ist es aber nicht.
Beispiele für Überstunden und Mehrarbeit
Anhand von zwei Beispielen soll dies kurz erläutert werden:
Beispiel für Mehrarbeit: Der Arbeitnehmer hat laut Arbeitsvertrag eine regelmäßige Arbeitszeit von 40 Stunden pro Woche. Im Normalfall arbeitet der 8 Stunden am Tag und an 5 Tagen die Woche. Am Montag und Dienstag arbeitet er jeweils 10 Stunden und überschreitet von daher die tägliche Arbeitszeit um jeweils 2 Stunden.Dafür hat Arbeitnehmer aber den halben Freitag frei. Es liegen keine Überstunden vor, da da der Arbeitnehmer in der Woche nicht mehr als 40 Stunden gearbeitet hat. Maßstab ist die wöchentliche Arbeitszeit.
Beispiel für Überstunden: Wie das obige Beispiel, allerdings überschreitet der Arbeitnehmer an jedem Tag die tägliche Arbeitszeit um 1 Stunde. Bei der 5-Tage-Woche arbeitet er also 45 Stunden die Woche. Es liegen fünf Überstunden vor, da die regelmäßige Arbeitszeit 40 Stunden pro Woche beträgt und er an 45 Stunden gearbeitet hat. Entscheidend also immer die regelmäßige Arbeitszeit, die meist pro Woche vereinbart wird.
Überschreitung der regelmäßigen Arbeitszeit beim Teilzeitbeschäftigten
Nach dem Bundesarbeitsgericht (Urteil vom 25.04.2007 – 5 AZR 504/06) führte das dauerhafte Überschreiten der regelmäßigen Arbeitszeit beim Teilzeitbeschäftigten nicht ohne weiteres dazu, dass dann die tatsächliche (höhere) Arbeitszeit dann als vereinbarte Arbeitszeitregelung auch für die Zukunft gilt. Es müssen zusätzliche Umstände hinzutreten, zum Beispiel eine Erklärung des Arbeitgebers, um eine höhere Arbeitszeit dann auch für die Zukunft als Rechtsanspruch zu begründen. Der Hintergrund ist der, dass die Überschreitung der regelmäßigen Arbeitszeit eine tatsächliche Handlung ist, aber keine Vertragsänderung. Um eine solche Vertragsänderung – also Erhöhung der Arbeitszeit anzunehmen – müssen zusätzliche Umstände vorliegen.
Was ist Teilzeit?
Teilzeit besteht in einem Arbeitsverhältnis, in dem der Arbeitnehmer wöchentlich weniger als die vollzeitbeschäftigten Arbeitnehmer des Betriebes arbeitet.
Grundsätzlich verringert sich mit der reduzierten Arbeitszeit auch die Vergütung des Arbeitnehmers.
Was sind besondere Formen der Teilzeit?
Besondere Formen eines Teilzeitarbeitsverhältnisses sind im Teilzeit- und Befristungsgesetz geregelt. Dies ist die in § 12 TzBfG geregelte “Arbeit auf Abruf” und die in § 13 TzBfG geregelte “Arbeitsplatzteilung”.
Was ist Brückenteilzeit?
Arbeitnehmer können einen Anspruch auf die zeitlich begrenzte Verringerung der Arbeitszeit haben. Geregelt sind die Voraussetzungen in § 9a TzBfG i.V.m. § 8 TzBfG. Umgangssprachlich wird diese Form der zeitliche begrenzten Teilzeitarbeit als “Brückenteilzeit” bezeichnet. Der Anspruch auf Brückenteil kann erst geltend gemacht werden, wenn das Arbeitsverhältnis länger als sechs Monate bestanden hat.
Muss der Arbeitgeber die Arbeitszeiterfassung?
Ja, nach der aktuellen Scheidung des Bundesarbeitsgerichts (Beschluss vom 13. September 2022, Az. 1 ABR 22/21) ist der Arbeitgeber verpflichtet die Arbeitszeiten seiner Arbeitnehmer grundsätzlich zu erfassen und aufzuzeichnen. Dabei spielt es keine Rolle, in welcher Branche das Unternehmen tätig ist, ob ein Betriebsrat existiert und wie viele Arbeitnehmer dort tätig sind. Jeder Arbeitgeber in der Bundesrepublik ist verpflichtet eine Arbeitszeiterfassung einzuführen.
Aufgrund welcher rechtlichen Bestimmung ist der Arbeitgeber zur Erfassung der Arbeitszeit verpflichtet?
Der Erste Senat des Bundesarbeitsgerichts leitet diese Verpflichtung zur Arbeitszeiterfassung aus dem Arbeitsschutzgesetz her. Genau aus der Norm des § 3 Abs. 2 Nr. 1 ArbSchG. Das BAG führt dazu aus:
Bei unionsrechtskonformer Auslegung von § 3 Abs. 2 Nr. 1 ArbSchG ist der Arbeitgeber gesetzlich verpflichtet, die Arbeitszeiten der Arbeitnehmer zu erfassen.
Sonderformen der Arbeitszeit
Es gibt einige Sonderformen bzw. Sonderfälle, bei denen nicht ganz klar ist, ob eine vergütungspflichtige Arbeitszeit vorliegt oder nicht.
Arbeitsbereitschaft
Arbeitsbereitschaft ist nach der Definition des BAG die “wache Achtsamkeit im Zustand der Entspannung”. Die Arbeitsbereitschaft kann sowohl an der Arbeitsstätte, aber auch in der eigenen Wohnung ausgeübt werden. Der Arbeitnehmer muss jederzeit damit rechnen, eine bestimmte Tätigkeit erbringen zu müssen. Die Arbeitsbereitschaft muss nicht immer vergütungspflichtige Arbeitszeit sein. Der Umfang der Beanspruchung – zur Bestimmung, ob es sich um Arbeitszeit handelt oder nicht – ist im Einzelfall anhand einer umfassenden Gesamtwürdigung festzustellen. Je mehr Vorgaben und Einschränkungen existieren (z.B. kein Verlassen der Wohnung/ Einhaltung einer bestimmten Reaktionszeit oder Zeit, um den Arbeitsplatz zu erreichen), um so mehr spricht dafür, dass die Zeit, wie Arbeitszeit zu vergüten ist.
Bereitschaftsdienst
Bereitschaftsdienst ist in der Regel strenger und mit mehr Vorgaben verbunden, wie die Arbeitsbereitschaft. Der Arbeitnehmer muss sich nicht nur bereithalten, sondern sich an einer vom Arbeitgeber festgelegten Stelle aufhalten und jederzeit bereit zu sein, seine volle Arbeitstätigkeit unverzüglich aufnehmen zu können. Bereitschaftsdienst ist eine vergütungspflichtige Arbeitsleistung und muss von daher bezahlt werden. Der Bereitschaftsdienst muss aber nicht wie Vollarbeit vergütet werden, sondern eine geringere Vergütung ist möglich.
Rufbereitschaft
Die Rufbereitschaft verpflichtet den Arbeitnehmer, sich an einem selbst gewählten, dem Arbeitgeber bekannt zu gebenden Ort auf Abruf bereitzuhalten, um im Bedarfsfall die Arbeit aufnehmen zu können oder sich sonst mithilfe technischer Vorkehrungen außerhalb der Arbeitszeit verfügbar zu halten. Der Arbeitnehmer kann seinen Aufenthaltsort frei bestimmen. Die Rufbereitschaft beginnt in dem Zeitpunkt, von dem an der Arbeitnehmer verpflichtet ist, auf Abruf Arbeit aufzunehmen, und endet in dem Zeitpunkt, in dem diese Verpflichtung endet. Da sie nicht mit der “normalen” Arbeitsleistung identisch ist, besteht bei der Rufbereitschaft in der Regel kein Anspruch auf Bezahlung als Arbeitsleistung. Eine eingeschränkte Vergütungspflicht ergibt sich aber häufig aus Tarifverträgen. Auch kommt es hier immer auf den Einzelfall an. Auch hier gilt, je mehr Vorgaben und Einschränkungen existieren, um so stärker nähert man sich der Schwelle zur Vergütungspflicht.
Bezeichnung unerheblich
Auch ist die Bezeichnung der Arbeitszeit als “Rufbereitschaft”/ “Bereitschaftsdienst” etc, unerheblich, es kommt immer darauf an, welche Vorgaben vorliegen. Es bringt dem Arbeitgeber also nicht, wenn er den Arbeitnehmer zum Bereitschaftsdienst verpflichtet und dies “Rufbereitschaft” nennt.
Änderung des Arbeitsvertrags
Die regelmäßige Arbeitszeit kann im Arbeitsvertrag geändert werden. Dies geht durch einen Zusatz oder sogar durch eine komplette Neugestaltung des Arbeitsvertrags. Die gesetzlichen Vorgaben (Arbeitszeitgesetz) müssen dabei beachtet werden. Der Arbeitnehmer muss einer Änderung (Vertragsänderung) seines Arbeitsvertrags nicht zustimmen.
Rechtsanwalt Andreas Martin – Fachanwalt für Arbeitsrecht
betriebsbedingte Kündigungen am BER
An vielen Flughäfen in der Bundespolitik Deutschland, insbesondere auch am Flughafen in Berlin, sind die Auswirkungen der Corona-Krise immer noch spürbar. Zum einen fehlt geeignetes Personal und zum anderen scheint auch die Organisation des Flugbetriebes nicht optimal zu laufen. Ein Grund dafür, weshalb viele Flüge verspätet sind, könnte auch der sein, dass viele Fluggesellschaften während der Hochzeit der Corona-Krise Personal entlassen haben und nun keine geeignetes Personal mehr finden.
2 Kündigungswellen durch Easyjet
Das Arbeitsgericht Cottbus und das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg (Berufungsinstanz) hatte nun über betriebsbedingte Kündigungen der Fluggesellschaft Easyjet zu entscheiden und zwar, ob diese rechtmäßig erfolgt sind. Die Fluggesellschaft hatte nämlich diverse Arbeitnehmer in zwei Kündigungswellen entlassen.
Das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg hat nun entschieden, dass die Kündigung der ersten Kündigungswelle wirksam sind und die der zweiten Kündigungswelle aber nicht.
Sachverhalt nach dem LAG Berlin-Brandenburg (verkürzt)
Die Fluggesellschaft Easyjet hatte in Folge einer Reduzierung der am Flughafen Berlin-Brandenburg stationierten Flugzeuge mehrere betriebsbedingte Kündigungen ausgesprochen.
Die Fluggesellschaft wollte im November 2020 zunächst 418 Arbeitsplätze abzubauen (1. Kündigungswelle) und dann im Juni 2021 ggfs. weitere 320 Arbeitsplätzen (2. Kündigungswelle). Die Kündigungen erfolgen aus betriebsbedingten Gründen aufgrund der Reduzierung der Flugzeuge am Standort Berlin (BER).
Bei der Fluggesellschaft war in der Zeit von April 2020 bis Juni 2021 Kurzarbeit angeordnet worden.
Gegen diese Kündigungen klagten einige Arbeitnehmer (beider Kündigungswellen) der Fluggesellschaft. Die Kündigungsschutzklage sind zunächst vom Arbeitsgericht Cottbus (1. Instanz) und dann in der Berufungsinstanz vom LAG Berlin-Brandenburg entschieden worden.
Entscheidung der 5. Kammer des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg
Die 5. Kammer des LAG Berlin-Brandenburg (Urteil vom 12.05.2022, Aktenzeichen 5 Sa 1584/21) hatte über die Kündigungen der ersten Welle zu entscheiden und hielt diese aus betriebsbedingten Gründen für gerechtfertigt und führte dazu in der Pressemitteilung Nr. 18/22 vom 10.08.2022 aus:
“Es sei aufgrund der unternehmerischen Entscheidung zur Reduzierung der am BER stationierten bzw. der als „Flugzeugkontingent“ dem BER zugeordneten Anzahl von Flugzeugen von 34 auf 18 von einem voraussichtlich dauerhaften Wegfall des Beschäftigungsbedarfes auszugehen. Die Beklagte habe schlüssig dargelegt, mit welcher Anzahl von Beschäftigten sie den verbleibenden Bestand an Flugzeugen vom BER aus betreiben wolle. Zwar sei die angeordnete Kurzarbeit ein Indiz für einen nur vorübergehenden Arbeitsmangel, Anlass der Kündigung sei jedoch nicht der vorübergehende Arbeitsmangel, sondern die ab Juni 2020 geplante und ab Dezember 2020 umgesetzte Reduzierung des Flugzeugkontingents.”
Entscheidung der 7. Kammer des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg
Die 7. Kammer des LAG Berlin-Brandenburg (Urteil vom 17.06.2022, Aktenzeichen 9 Sa 1637/21) hatte über die Kündigungen der zweiten Welle zu entscheiden und hielt diese für nicht wirksam und führte dazu in der Pressemitteilung Nr. 18/22 vom 10.08.2022 aus:
“Nach Vortrag der Fluggesellschaft habe mit der unternehmerischen Entscheidung im Oktober 2020 nur der Abbau von 418 Positionen festgestanden. Entsprechend hätten sich die zunächst nicht gekündigten Beschäftigten auch weiterhin in Kurzarbeit befunden. Da Kurzarbeit und der Bezug von Kurzarbeitergeld einen vorübergehenden Arbeitsmangel voraussetze, spreche dies für die Annahme eines nur vorübergehenden Arbeitsmangels hinsichtlich des verbleibenden Personals. Eine behauptete weitere, nicht schriftlich abgefasste unternehmerische Entscheidung bleibe vage, ein dauerhafter Wegfall von Arbeitsplätzen lasse sich auf dieser Grundlage nicht feststellen. Zudem könne allein die Reduzierung der Zahl der dem BER zugeordneten Flugzeuge die Kündigung auch deshalb nicht rechtfertigen, weil es um einen Abbau von mehr Arbeitsplätzen gehe, als dies rechnerisch der Reduzierung der Flugzeuge entspreche. Die damit vorliegende Entscheidung, künftig mit weniger Personal arbeiten zu wollen, sei vom Kündigungsentschluss nicht zu unterscheiden und müsse nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts hinsichtlich ihrer organisatorischen Durchführbarkeit und zeitlichen Nachhaltigkeit näher erläutert werden.”
Anmerkung:
Auch hier sieht man mal wieder, das betriebsbedingte Kündigungen hinsichtlich ihrer Wirksamkeit schwer abzuschätzen sind. Der Arbeitgeber muss hier ausreichend vor Gericht vortragen (wenn der Sachverhalt dies hergibt), ansonsten besteht die Gefahr, dass die Kündigungen unwirksam sind. Zu beachten ist aber, dass dies nur die Kündigungen der 2. Welle betrifft (Stand jetzt – vielleicht geht es ja noch zum BAG) und nur die Arbeitnehmer, die auch geklagt haben. Von daher sollte in der Regel der Arbeitnehmer – notfalls ohne Anwalt – gegen jede Kündigung des Arbeitgebers klagen, wenn nur “leistete Zweifel” an dessen Rechtmäßigkeit bestehen.
Rechtsanwalt Andreas Martin
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Das Bundesarbeitsgericht (Urteil vom 10. August 2022 – 5 AZR 154/22) hatte sich am heutigen Tag (10.08.2022) erneut mit einem Fall, der die Corona-Pandemie betrifft, zu beschäftigen. Hierbei ging es um sogenannten Annahmeverzugslohn aufgrund einer Quarantäneanordnung des Arbeitgebers. Das BAG gab dem Arbeitnehmer Recht, der zu Unrecht nach eine Reise aus der Türkei für 14 Tage ohne Lohnzahlung vom Arbeitgeber nach Hause geschickt wurde.
Was ist Annahmeverzugslohn?
Einen solchen Anspruch auf Lohnzahlung wegen Annahmeverzug hat der Arbeitnehmer dann, wenn der Arbeitgeber mit der Annahme der Arbeitsleistung des Arbeitnehmers sich im Verzug befindet. Annahmeverzug ist ein Fall des Lohnanspruchs ohne Arbeit.
Über welchen Sachverhalt hatte das BAG zu entscheiden?
Der Fall des Bundesarbeitsgerichts (Urteil vom 10. August 2022 – 5 AZR 154/22) wurde zuvor vom Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg (Urteil vom 2. März 2022 – 4 Sa 644/21) entschieden. Das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg hat die Revision in der Sache zum Bundesarbeitsgericht zugelassen. Beide Gerichte entschieden zu Gunsten des “freigestellten” Arbeitnehmers.
Fall der Entscheidung
Folgender Fall lag dem zu Grunde:
Der Berliner Arbeitgeber erteilte einem Arbeitnehmer, der aus einem SARS-CoV-2-Risikogebiet (Türkei) zurückkehrt, ein 14-tägiges Betretungsverbot für das Betriebsgelände. Dabei zahlte dieser auch keinen Lohn an den Arbeitnehmer. Der Arbeitnehmer hatte bei der Rückreise nach Deutschland einen negativen PCR-Test gemacht und zudem hatte dieser auch ein ärztlichen Attests über Symptomfreiheit. Dies alles interessierte den Arbeitgeber nicht, der die Quarantäne anordnete und keinen Lohn zahlte. Der Arbeitgeber berief sich dabei auf die SARS-CoV-2-Eindämmungsmaßnahmenverordnung des Landes Berlin vom 16. Juni 2020. Diese sah nach Einreise aus einem Risikogebiet (hier Türkei) grundsätzlich eine Quarantänepflicht für einen Zeitraum von 14 Tagen vor. Allerdings sollte jedoch die Quarantänepflicht nicht für Personen gelten, die über ein ärztliches Attest nebst aktuellem Laborbefund verfügen, der ein negatives Ergebnis eines PCR-Tests ausweist, der höchstens 48 Stunden vor Einreise vorgenommen wurde, und die keine Symptome einer COVID-19-Erkrankung aufweisen. Dies traf aber für den Arbeitnehmer zu.
Der Arbeitnehmer klagte daraufhin seinen Lohn in Höhe von € 1.512,47 brutto beim Arbeitsgericht Berlin ein und gewann sowohl vor dem LAG Berlin-Brandenburg als nun auch für dem Bundesarbeitsgericht.
Entscheidung des BAG
Das Bundesarbeitsgericht führte in seiner Pressemitteilung vom 10.08.2022 zur Nummer 29/22 folgendes aus:
Das Landesarbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Die hiergegen gerichtete Revision der Beklagten hatte vor dem Fünften Senat des Bundesarbeitsgerichts keinen Erfolg. Das Berufungsgericht hat richtig erkannt, dass sich die Beklagte mit der Annahme der vom Kläger angebotenen Arbeitsleistung in Annahmeverzug befand. Das von ihr erteilte Betretungsverbot des Betriebs führte nicht zur Leistungsunfähigkeit des Klägers (§ 297 BGB), weil die Ursache der Nichterbringung der Arbeitsleistung von der Beklagten selbst gesetzt wurde. Dass ihr die Annahme der Arbeitsleistung des Klägers aufgrund der konkreten betrieblichen Umstände unzumutbar war, hat sie nicht dargelegt. Die Weisung, dem Betrieb für die Dauer von 14 Tagen ohne Fortzahlung des Arbeitsentgelts fernzubleiben, war außerdem unbillig (§ 106 GewO) und daher unwirksam. Die Beklagte hat dem Kläger nicht die Möglichkeit eröffnet, durch einen weiteren PCR-Test eine Infektion weitgehend auszuschließen. Hierdurch hätte sie den nach § 618 Abs. 1 BGB erforderlichen und angemessenen Schutz der Gesundheit der Arbeitnehmer erreichen und einen ordnungsgemäßen Betriebsablauf sicherstellen können.
Anmerkung:
Der Fall zeigt, dass nicht jede Maßnahme des Arbeitgebers im Zusammenhang mit Corona wirksam ist. Eine Quarantäneanordnung kann unter Umständen zulässig sein. Diese war es aber nicht im Fall des Klägers. Wer als Arbeitgeber ohne Augenmaß irgendwelchen Verordnungen folgt, kann durchaus das Nachsehen haben. Nach dem BAG hätte der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer nochmals die Möglichkeit geben müssen, einen weiteren PCR-Test durchzuführen. Damit wäre eine Infektionsgefahr durch den Arbeitnehmer hier minimiert worden. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass eine Freistellung ohne Entgeltfortzahlung nur für absolute Ausnahmefälle vorgesehen ist. Diese kann der Arbeitgeber nicht einfach so anordnen.
Rechtsanwalt Andreas Martin – Fachanwalt für Arbeitsrecht
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Corona-Kündigung wegen gefälschtem Genesenennachweis
Mittlerweile gibt es nun diverse Entscheidungen zur Frage, ob Kündigungen von Seiten der Arbeitgeber bei Vorlage von gefälschten Impfausweisen oder Corona- Attesten rechtmäßig sind. Die Arbeitsgericht nehmen hier überwiegend an, dass ein schwerer Vertrauensverlust vorliegt, der zur Kündigung und sogar zur außerordentlichen (fristlosen) Kündigung berechtigt, wenn der Arbeitnehmer gefälschte Unterlagen im Zusammenhang mit Corona vorlegt und sich damit den Zugang zum Arbeitsplatz / Kundenverkehr “erschleicht”.
fristlose Kündigungen wegen Fälschungen im Zusammenhang mit Corona
Die Gericht bewerten den Schutz der Kunden und Arbeitskollegen hier sehr hoch und halten regelmäßig entsprechende Kündigungen hier für rechtmäßig. In meinen Artikel über die Impflicht in der Gesundheitsbranche habe ich diverse Entscheidungen zu sog. “Corona-Kündigungen” aufgeführt. Fast alle Entscheidungen gehen für pro Arbeitgeber aus.
Entscheidung des Arbeitsgerichts Berlin zur Fälschung eines Genesenennachweises
Das Arbeitsgericht Berlin hatte sich nun damit zu beschäftigen, ob die Kündigung eines Arbeitnehmers, der einen gefälschten Genesenennachweis beim Arbeitgeber eingereicht hat, rechtmäßig ist. Dies ist nicht die erste Beschäftigung des Berliner Arbeitsgericht mit Corona-Kündigungen.
Sachverhalt der Entscheidung
Ein Justizbeschäftigter bei einem Gericht legte einen gefälschten Genesenennachweis vor, obwohl bei ihm keine Corona-Erkrankung festgestellt worden war. Mit dieser Fälschung erhielt er so Zutritt zum Gericht ohne Vorlage eines aktuellen Tests oder Impfnachweises.
Der Arbeitgeber – das Land Berlin – überprüfte den Genesenennachweis später und es wurde festgestellt, dass es sich bei dem Genesenennachweis um eine Fälschung handelt. Der Arbeitgeber hörte den Arbeitnehmer an und erklärte nach der Anhörung die fristlose Kündigung aus außerordentlichem Grund des Arbeitsverhältnisses.
Kündigungsschutzklage des Arbeitnehmers zum Arbeitsgericht Berlin
Der Arbeitnehmer erhob daraufhin Kündigungsschutzklage zum Arbeitsgericht Berlin und verlor das Kündigungsschutzverfahren.
Entscheidung des Arbeitsgerichts
Das Arbeitsgericht Berlin (Urteil vom 26.04.2022, Aktenzeichen 58 Ca 12302/21) führte dazu in seiner Pressemitteilung Nr. 12/22 vom 30.05.2022 folgendes aus:
Die Vorlage eines gefälschten Genesenennachweises anstelle eines erforderlichen tagesaktuellen Corona-Tests oder Impfnachweises kann eine fristlose Kündigung rechtfertigen. Das hat das Arbeitsgericht Berlin entschieden und eine Kündigungsschutzklage abgewiesen.
Nach § 28b Absatz 1 Infektionsschutzgesetz in der vom 24.11.2021 bis 19.03.2022 gültigen Fassung durften Beschäftigte Arbeitsstätten, in denen physische Kontakte untereinander oder zu Dritten nicht ausgeschlossen werden können, nur nach Vorlage eines Impfnachweises, eines Genesenennachweises oder eines tagesaktuellen Tests im Sinne der COVID-19-Schutzmaßnahmen-Ausnahmeverordnung betreten.Diese Kündigung ist nach der Entscheidung des Arbeitsgerichts wirksam, der erforderliche wichtige Grund für eine außerordentliche Kündigung liege vor. Der Arbeitgeber habe einen Zutritt nur bei Vorliegen der Voraussetzungen gemäß § 28b Absatz 1 Infektionsschutzgesetz gewähren dürfen. Den hier geregelten Nachweispflichten komme auch im Hinblick auf den angestrebten Gesundheitsschutz für alle Menschen im Gericht eine erhebliche Bedeutung zu. Deshalb sei die Verwendung eines gefälschten Genesenennachweises zur Umgehung dieser geltenden Nachweispflichten eine erhebliche Verletzung arbeitsvertraglicher Rücksichtnahmepflichten. Eine vorherige Abmahnung dieses Sachverhaltes sei nicht erforderlich. Es sei für den Kläger als Justizbeschäftigten ohne weiteres erkennbar gewesen, dass ein solches Verhalten nicht hingenommen werde. Auch im Hinblick auf die Dauer des Arbeitsverhältnisses von drei Jahren überwiege das arbeitgeberseitige Interesse an einer sofortigen Beendigung.
Gegen das Urteil kann Berufung beim Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg eingelegt werden.
Anmerkung:
Auch dieses Urteil zeigt mal wieder, dass man als Arbeitnehmer nicht leichtfertig gefälschte Nachweise im Zusammenhang mit Corona verwenden sollte. Oft werden solche Fälschungen (Maskenatteste, Impfnachweise, Genesenennachweise) aus dem Internet bezogen von Personen “die ganz besonders schlau” sein wollen und an irgendwelche kruden Verschwörungstheorien glauben. Hier ist Vorsicht geboten; gerade wegen der Vielzahl der Entscheidungen der Arbeitsgerichte, die die Verwendung solcher Fälschungen auf Arbeit als Kündigungsgrund ansehen.
Update im März 2023
Das LAG Düsseldorf (Urteil vom 7.2.2023 – 8 Sa 326/22) hat nun entschieden, dass die Vorlage eines gefälschten Impfnachweises des Arbeitnehmers beim Arbeitgeber auch bei 19-jähriger Firmenzugehörigkeit einen wichtigen Grund nach. § 626 Abs. 1 BGB darstellt. Nach dem Landesarbeitsgericht stellt die Vorlage eines gefälschten Impfausweises in der Absicht die Nachweispflicht des § 28b Abs. 1 IfSG zu umgehen, eine Verletzung einer arbeitsvertraglichen Nebenpflicht dar, die so schwerwiegend ist, dass sie geeignet ist, eine fristlose Kündigung zu rechtfertigen.
Rechtsanwalt Andreas Martin – Anwalt in Berlin Marzahn
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Kontakt
Rechtsanwalt Andreas Martin
Marzahner Promenade 22
12679 Berlin
Tel.: 030 74 92 1655
Fax: 030 74 92 3818
E-mail: [email protected]
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Tram: 16, 27, M 6 (Marzahner Promenade)
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Anfahrt mit dem Kfz:
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