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Kopftuchverbot für muslimische Lehrerin wirksam – Arbeitsgericht Berlin
In Berlin gibt es das Neutralitätsgesetz. Dieses Gesetz verpflichtet Behörden, insbesondere auch Schulen, dazu, dass sie neutral nach außen hin auftreten. Daraus leitet die Berliner Verwaltung ab, dass es auch Lehrern an diesen öffentlichen Schulen untersagt ist religiöse Symbole im Unterricht zu tragen. Zu diesen religiösen Symbolen gehört auch das muslimische Kopftuch.
Kurz muss man dazu sagen, dass es eine Vielzahl von Entscheidungen, teilweise widersprüchlich gibt, die sie mit dem Tragen des muslimischen Kopftuch ist in einer Behörde aber auch am Arbeitsplatz auseinandersetzen.
Entscheidung des EuGH in der Privatwirtschaft
Der Europäische Gerichtshof (EuGH, Urteil vom 14.03.2017 – C 157/15) hat entschieden, dass ein Arbeitgeber das Tragen eines Kopftuches dann verbieten kann, wenn er in seinem Unternehmen allgemein das Tragen jeglicher religiöser Zeichen untersagt, d.h. z.B. auch das Tragen eines (christlichen) Kreuzes an einer Halskette.
In diesem Fall ging es um eine Lehrerin an einer öffentlichen Schule in Berlin.
Entscheidung des Arbeitsgerichts Berlin
Das Arbeitsgericht Berlin (Urteil vom 14.4.2016 – 58 Ca 13376/15) wies die Entschädigungsklage nach dem AGG (Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz) einer muslimischen Lehrerin, die aus religiösen Gründen ein Kopftuch trug, ab. Diese wollte als Lehrerin für das Land Berlin arbeiten, wurde aber nicht eingestellt, da im Land Berlin der Staat sich religiös neutral verhalten müsse. Das Arbeitsgericht Berlin sah dies genauso und wies die Klage der muslimischen Lehrerin ab. Eine Diskriminierung aufgrund der Religion sah das Gericht nicht.
Entscheidung ist aber überholt
Nachtrag 2020:
Das Bundesarbeitsgericht hat einen ähnlichen Fall nun zu Gunsten der muslimischen Lehrerin entschieden. Das Berliner Neutralitätsgesetz ist teilweise verfassungswidrig.
DasBundesarbeitsgericht, Urteil vom 27. August 2020 – 8 AZR 62/19 führt dazu in seiner Pressemitteilung vom 27.08.2020 mit der Nr. 28/20 aus:
Die Klägerin kann von dem beklagten Land nach § 15 Abs. 2 AGG wegen eines Verstoßes gegen das Benachteiligungsverbot des AGG die Zahlung einer Entschädigung iHv. 5.159,88 Euro verlangen. Die Klägerin hat als erfolglose Bewerberin eine unmittelbare Benachteiligung iSv. § 3 Abs. 1 AGG erfahren. Der Umstand, dass ein Mitarbeiter der Zentralen Bewerbungsstelle die Klägerin im Anschluss an das Bewerbungsgespräch auf die Rechtslage nach dem sog. Berliner Neutralitätsgesetz angesprochen und die Klägerin daraufhin erklärt hat, sie werde das Kopftuch auch im Unterricht nicht ablegen, begründet die Vermutung, dass die Klägerin wegen der Religion benachteiligt wurde. Diese Vermutung hat das beklagte Land nicht widerlegt. Die Benachteiligung der Klägerin ist nicht nach § 8 Abs. 1 AGG gerechtfertigt. Das beklagte Land kann sich insoweit nicht mit Erfolg auf die in § 2 Berliner Neutralitätsgesetz getroffene Regelung berufen, wonach es Lehrkräften ua. untersagt ist, innerhalb des Dienstes auffallende religiös oder weltanschaulich geprägte Kleidungsstücke und damit auch ein sog. islamisches Kopftuch zu tragen. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, an die der Senat nach § 31 Abs. 1 BVerfGG gebunden ist, führt eine Regelung, die – wie § 2 Berliner Neutralitätsgesetz – das Tragen eines sog. islamischen Kopftuchs durch eine Lehrkraft im Dienst ohne Weiteres, dh. schon wegen der bloß abstrakten Eignung zur Begründung einer Gefahr für den Schulfrieden oder die staatliche Neutralität in einer öffentlichen bekenntnisoffenen Gemeinschaftsschule verbietet, zu einem unverhältnismäßigen Eingriff in die Religionsfreiheit nach Art. 4 GG, sofern das Tragen des Kopftuchs – wie hier im Fall der Klägerin – nachvollziehbar auf ein als verpflichtend verstandenes religiöses Gebot zurückzuführen ist. § 2 Berliner Neutralitätsgesetz ist in diesen Fällen daher verfassungskonform dahin auszulegen, dass das Verbot des Tragens eines sog. islamischen Kopftuchs nur im Fall einer konkreten Gefahr für den Schulfrieden oder die staatliche Neutralität gilt. Eine solche konkrete Gefahr für diese Schutzgüter hat das beklagte Land indes nicht dargetan. Aus den Vorgaben von Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie 2000/78/EG, die der nationale Gesetzgeber mit § 8 Abs. 1 AGG in das nationale Recht umgesetzt hat, und aus den in Art. 10 und Art. 24 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union getroffenen Regelungen ergibt sich für das vorliegende Verfahren nichts Abweichendes. Den Bestimmungen in §§ 2 bis 4 Berliner Neutralitätsgesetz fehlt es bereits an der unionsrechtlich erforderlichen Kohärenz. Mit den Ausnahmeregelungen in den §§ 3 und 4 Berliner Neutralitätsgesetz stellt der Berliner Gesetzgeber sein dem § 2 Berliner Neutralitätsgesetz zugrundeliegendes Regelungskonzept selbst in Frage. Die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts über die Höhe der der Klägerin zustehenden Entschädigung hielt im Ergebnis einer revisionsrechtlichen Kontrolle stand.
Rechtsanwalt Andreas Martin
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