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LAG Berlin-Brandenburg: Vergleichsmehrwert durch Arbeitszeugnis bei betriebsbedingter Kündigung
Arbeitsgerichtsbarkeit in Berlin
Kündigungsschutzverfahren vor dem Arbeitsgericht Berlin enden sehr auf durch einen gerichtlichen Vergleich. Meistens wird dieser bereits in der Güteverhandlung geschlossen.
In diesem gerichtlichen Vergleich wird meist geregelt, dass das Arbeitsverhältnis durch betriebsbedingte Kündigung oder durch eine Kündigung aus betrieblichen Gründen zu einem bestimmten Zeitpunkt beendet worden ist und dass der Arbeitgeber an den Arbeitnehmer eine Abfindung in einer bestimmten Höhe zahlt. Die Abfindung ist oft reine Verhandlungssache. Ein Anspruch auf Abfindung besteht – auch nach einer unrechtmäßigen Kündigung des Arbeitgebers – in der Regel nicht.
arbeitsgerichtlicher Vergleich und Arbeitszeugnis
Vergleich im Gütetermin – Arbeitszeugnis
Fast immer wird auch im arbeitsgerichtlichen Vergleich geregelt, dass der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer ein Arbeitszeugnis (Endzeugnis) erteilt. Dies sollte man in der Regel nicht vergessen, denn hier hat der Arbeitnehmer noch Einfluss auf den Zeugnisinhalt. Es besteht ansonsten die Gefahr, dass es später – also nach dem Vergleich im Kündigungsschutzverfahren – dann Streit über die Formulierungen im Zeugnis (Zeugnisnote) gibt.
Es macht aus Sicht des Arbeitnehmeranwalts Sinn, wenn man nicht nur das Zeugnis im Vergleich regelt, sondern auch dessen Note/ Inhalt. Entscheidend ist dabei die Leistungsbeurteilung und die Verhaltensbeurteilung. Da diese beiden inhaltlichen Punkte des Zeugnisses im Arbeitsleben von erheblicher Bedeutung sind, reicht es oft aus, dass man hier eine Note vereinbart. In der Regel ist dies die Note “gut”. Zu einem sehr guten Zeugnis rate ich oft Mandanten nicht, auch wenn dies der Arbeitgeber anbietet, da dies nicht “natürlich” aussieht.
Vergleichsmehrwert und Zeugnis
Vergleichsmehrwert beim Vergleich
Wird also im arbeitsgerichtlichen Vergleich im Kündigungsschutzverfahren der Inhalt eines Arbeitszeugnisses mit geregelt, dann stellt sich die Frage, ob ein sogenannter Vergleichsmehrwert entsteht. Wann diese entsteht ist oft umstritten. Der Vergleichsmehrwert führt dazu, dass sich die Anwaltsgebühren erhöhen. Rechtsschutzversicherer streiten von daher oft und gerne mit den Rechtsanwälten, ob sich die Anwaltsgebühren im Kündigungsschutzverfahren nun auch nach dem Vergleichsmehrwert zu richten haben.
betriebsbedingte Kündigung und Vergleichsmehrwert
Unproblematisch ist ein Vergleichsmehrwert bei einer verhaltensbedingten Kündigung, da ja das Verhalten des Arbeitnehmers hier Anlass für die Kündigung war und dann auch zu vermuten ist, dass das Arbeitszeugnis hier schlecht ausfällt.
Bei einer betriebsbedingte Kündigung ist das Verhalten und die Leistung des Arbeitnehmers aber oft nicht streitig. Hier sind – nach dem Arbeitgeber – betriebsbedingte Gründe die Ursache der Kündigung (ob dies tatsächlich so ist, kann hier dahinstehen).
Entscheidung des Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg
Das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg hat diesbezüglich entschieden, dass auch hier ein Vergleichsmehrwert durch die Regelung einer Zeugnisnote im arbeitsgerichtlichen Vergleich entsteht, wenn zuvor der Arbeitnehmer abgemahnt wurde und auch der Inhalt der Abmahnung im streitig ist.
Dazu führt das LAG (Beschluss vom 14.7.2020 26 Ta (Kost) 6045/20) aus:
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Die Festsetzung eines Vergleichsmehrwerts ist danach nicht bereits dann gerechtfertigt, wenn die Parteien während ihrer Vergleichsverhandlungen über die gerichtlich anhängigen Gegenstände weitere Ansprüche ansprechen und auch sie eine Regelung in dem Vergleich erfahren. Zwar wird eine Einigung der Parteien häufig nur zu erreichen sein, wenn derartige Vereinbarungen getroffen werden; denn die Parteien sind nicht selten nur dann zum Abschluss eines Vergleichs bereit, wenn weitere Fragen geregelt werden und ein diesbezüglicher zukünftiger Streit vermieden wird. Die Tätigkeit des Rechtsanwalts, die zum Abschluss eines Vergleichs führt, ist jedoch mit der Einigungsgebühr als solcher abgegolten. Für die Festsetzung eines Vergleichsmehrwerts und die damit verbundene Gebührenerhöhung muss darüber hinaus festgestellt werden, dass die geregelten Gegenstände vor Abschluss des Vergleichs streitig oder ungewiss waren. Hierzu genügen weder die Vergleichsverhandlungen als solche noch Regelungen, durch die Leistungspflichten erstmals begründet oder beseitigt werden, die Rechtsverhältnisse lediglich klarstellen oder auf sonstige Weise ausschließlich einen künftigen Streit der Parteien vermeiden. Auch genügt es für die Festsetzung eines Vergleichsmehrwertes nicht, dass eine der Parteien in den Vergleichsverhandlungen Forderungen aufstellt, um dann im Wege des Nachgebens einen Vergleich zu erreichen; für einen Vergleichsmehrwert muss vielmehr der potentielle Streitgegenstand eines künftigen Verfahrens eine Regelung erfahren (vgl. LAG Berlin-Brandenburg 8. März 2017 – 17 Ta (Kost) 6013/17, Rn. 3).
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2) Bei Berücksichtigung dieser Gesichtspunkte liegen die Voraussetzungen für den Ansatz eines Vergleichsmehrwerts im Hinblick auf Nr. 5 des Vergleichs (Zeugnis/Abmahnung) vor. Die Regelung unter Nr. 5 des Vergleichs erhöht den Vergleichsmehrwert um zwei Bruttoeinkommen.
- a) Streiten die Parteien über die Wirksamkeit einer verhaltensbedingten Kündigung, kann regelmäßig ohne nähere Begründung davon ausgegangen werden, dass auch das Führungs- und Leistungsverhalten des Arbeitnehmers streitig war; wird der Kündigungsrechtsstreit durch Abschluss eines Vergleichs beigelegt und dort eine Zeugnisregelung getroffen, führt dies deshalb ohne weiteres zur Festsetzung eines Vergleichsmehrwerts. Gleiches gilt bei einer personenbedingten Kündigung, wenn die Kündigungsgründe einen Bezug zu dem Führungs- und Leistungsverhalten aufweisen. Stand eine betriebsbedingte Kündigung im Streit oder fehlen Angaben über die Kündigungsgründe, bedarf es zur Festsetzung eines Vergleichsmehrwerts für eine Zeugnisregelung regelmäßig näherer Angaben, aus denen ein im Zeitpunkt des Vergleichs bestehender Streit bzw. eine Ungewissheit über den Zeugnisanspruch geschlossen werden kann (vgl. LAG Berlin-Brandenburg 22. Mai 2018 – 26 Ta (Kost) 6036/18; 8. März 2017 – 17 Ta (Kost) 6013/17, Rn. 4).
- b) Zu den Kündigungsgründen ergeben sich hier keine Anhaltspunkte aus der Akte. Im Rahmen des Vergleichs haben die Parteien sich darauf geeinigt, dass es sich um eine Kündigung aus dringenden betrieblichen Gründen handeln sollte. Hier sind aber entsprechende nähere Angaben, aus denen ein im Zeitpunkt des Vergleichs bestehender Streit bzw. eine Ungewissheit über den Zeugnisanspruch bestand, vorgetragen (vgl. zu einer solchen Konstellation auch LAG Berlin-Brandenburg 16. Juli 2019 – 26 Ta (Kost) 6040/19). Die Beklagte hatte dem Kläger unter dem 8. August 2019 eine Abmahnung ausgesprochen. Dies und der daraus resultierende vorgerichtliche Streit über die Entfernung der Abmahnung aus der Personalakte stellen besondere Gesichtspunkte dar, die einen Schluss auf einen Streit über das Führungs- und Leistungsverhalten zulassen und daher einen Vergleichsmehrwert in Bezug auf die Zeugnisregelung rechtfertigen. Die Parteien haben zudem konkrete Vereinbarungen zum Zeugnisinhalt mit Festlegung von Noten getroffen. Außerdem enthält die Vereinbarung die Angabe des Kündigungsgrundes (betriebsbedingte Kündigung) im Zeugnis.
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c) Vor dem Hintergrund des außergerichtlichen Streits über die Abmahnung vom 8. August 2019 enthält auch die Reglung unter Nr. 5 Abs. 2 des Vergleichs eine bei der Bestimmung des Vergleichsmehrwerts berücksichtigungsfähige Regelung. Die Vereinbarung, verbunden mit dem Verbot, aus der Abmahnung noch Rechte geltend zu machen, hatte auch durchaus noch einen Sinn, da das Arbeitsverhältnis erst mehr als vier Monate nach Abschluss des Vergleichs enden sollte. Es handelte sich erkennbar nicht um eine einfache Abwicklungsregelung.
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Anmerkung:
Auch für den Mandanten kann das Thema aktuell werden, wenn nämlich die Rechtschutzversicherung nicht zahlt, dann wird sich der Anwalt in der Regel an den Mandanten wenden.
Rechtsanwalt Andreas Martin – Fachanwalt für Arbeitsrecht (Anwalt in Berlin Marzahn-Hellersdorf)