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Scheinbewerbungen auf fehlerhafte Stellenanzeigen – AGG-Klage
Diskriminierung gezielt gesucht für Entschädigung
Für einige Bewerber ist das allgemeine Gleichbehandlungsgesetz zu einer Einnahmequelle geworden. Es kommt durchaus gehäuft vor, dass diese Personen gezielt nach fehlerhaften Anzeigen in Zeitungen oder auf sozialen Plattformen suchen, um sich dann gezielt auf solche Anzeigen zu bewerben. Bei diesen Bewerbungen handelt sich sich um Scheinbewerbungen.
AGG-Entschädigung ist das Ziel der Scheinbewerber
Der Hintergrund für solche Bewerbung ist der, dass diese Bewerber gar kein Interesse an der eigentlichen Stelle haben, sondern darauf spekulieren, später wegen der Absage gegen die Firma zu klagen und sich auf eine Diskriminierung aufgrund ihres Geschlechtes zu berufen.
geschlechtsneutrale Stellenausschreibungen
Oft wissen Arbeitgeber immer noch nicht, dass man eine Stelle nicht für weibliche oder allein männliche Bewerber ausschreiben darf. Eine solche Ausschreibung ist per se fehlerhaft. Wenn sich dann auf eine für weibliche Arbeitnehmer ausgeschriebene Stelle, ein männlicher Arbeitnehmer bewirbt und eine Absage erhält, ist eine Benachteiligung aufgrund seines Geschlechtes naheliegend.
Benachteiligungsverbot nach dem AGG
Die gesetzliche Regelung, die hier hauptsächlich für Bewerbungsverfahren zu berücksichtigen ist, ist das AGG (allgemeine Gleichbehandlungsgesetz).
Die in § 1 AGG festgelegten Benachteiligungsverbote wegen des Geschlechts, der Rasse, des Alters, der Behinderung etc. sind nach § 6 Abs. 1 AGG von dem Arbeitgeber bereits bei der Durchführung des Vorstellungsgesprächs und auch schon bei der Vorauswahl der Bewerber zu berücksichtigen.
Der Bewerber muss noch nicht einmal für die Stelle objektiv geeignet sein (BAG, Urteil vom 14.11.2013 – 8 AZR 997/12).
Entschädigung wegen angeblicher Diskriminierung gewollt
Kommt es zu einer Verletzung des Benachteiligungsverbots beim Bewerbungsvorgang, so hat der Arbeitgeber dem Bewerber Schadensersatz bzw. Entschädigung zu leisten, wobei sich die Höhe nach der Qualifikation des Bewerbers, seinen Chancen auf dem Arbeitsmarkt sowie seinem Alter richtet.
Das AGG sieht hier also eine Entschädigung vor, die nicht unerheblich ist. Dies kann durchaus eine laufende Einnahmequelle für derartige Bewerber sein.
AGG-Hopping und Rechtsmissbrauch
Es gab früher einmal eine entsprechende Datenbank mit den Namen solcher Personen, die aber wegen des Verstoßes gegen das allgemeine Persönlichkeitsrecht, nicht mehr geführt und veröffentlicht werden darf. Derartige Bewerber nennt man auch “AGG-Hopper“.
Zur Vermeidung von unbegrenzten Schadensersatzansprüchen von Bewerbern, die nie vor hatten auf der Stelle zu arbeiten, wählt die Rechtsprechung nunmehr die Begrenzung über den sog. Rechtsmissbrauch.
Scheinbewerbungen mit dem alleinigen Ziel des Erhalts des Entschädigungsanspruchs sind nicht von dem Schutzzweck des AGG gedeckt. Sie stellen einen Rechtsmissbrauch, also einen Verstoß gegen das Gebot von Treu und Glauben, dar (EuGH, Urteil vom 28.07.2016 – C 423/15).
Es besteht bei diesen (mißbräuchlichen) Klagen kein Anspruch auf Entschädigung.
Entscheidung des LAG Berlin-Brandenburg
Das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg (Urteil vom 20.01.2023, 3 Sa 898/22) hatte nun in einem Berufungsverfahren über einen ähnlichen Fall zu entscheiden. Eine Firma schrieb eine Stelle als Sekretärin (nur weiblich) aus und es bewarb sich daraufhin ein Mann, der ausdrücklich betonte, dass er nicht weiblich sei und nachfragte, ob nur eine weibliche Person gesucht werde. Dies bejahte dann auch noch der Arbeitgeber, was zeigt, dass dieser tatsächlich wenig Ahnung von Stellenausschreibungen hatte.
Daraufhin klagte dann der Bewerber auf Entschädigung von wenigstens € 6.000,00 wegen angeblichen der Diskriminierung aufgrund seines Geschlechts nach dem AGG.
Mit diesem Fall hatte sich nun in der zweiten Instanz das LAG Berlin-Brandenburg auseinanderzusetzen und dieses entschied zugunsten des Arbeitgebers.
Begründet hat das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg dies damit, dass hier für den potentiellen Bewerber nicht die Arbeitsstelle im Vordergrund stand, sondern die Entschädigung. Dies machte das Gericht an dem Inhalt der Nachricht des Bewerbers fest. Dieser übersandte auch keine Bewerbungsunterlagen. Es lagen hier erhebliche Anhaltspunkte vor, dass tatsächlich keine ernsthafte Bewerbung, sondern eine Absage gewollt war und es stattdessen allein darum ging eine Entschädigung nach dem AGG zu erhalten. Daher war die entsprechende Klage rechtsmissbräuchlich.
Ein solches Verhalten kann sogar strafbar sein.
Begründung des Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg
Das Landesarbeitsgericht führte dazu aus:
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b) Aufgrund der hier vorliegenden Umstände ist davon auszugehen, dass das Entschädigungsverlangen des Klägers dem durchgreifenden Rechtsmissbrauchseinwand aus § 242 BGB ausgesetzt ist. Bei einer Würdigung aller Umstände im Zusammenhang mit seiner Bewerbung um die ausgeschriebene Stelle steht zur Überzeugung der Kammer fest, dass der Kläger mit dem Text seiner Bewerbung es geradezu auf eine Absage des Beklagten angelegt hat, mithin die Absage provoziert hat. In Ermangelung von gegenteiligen Anhaltspunkten kann hieraus aber nur der Schluss gezogen werden, dass es ihm nicht darum ging, die ausgeschriebene Stelle zu erhalten, sondern dass er mit seiner Bewerbung nur die Voraussetzungen für die Zahlung einer Entschädigung schaffen wollte. Damit liegt sowohl das für den Rechtsmissbrauchseinwand erforderliche objektive als auch das erforderliche subjektive Element vor. Eine Person, die mit ihrer Bewerbung nicht die betreffende Stelle erhalten, sondern nur die formale Position eines Bewerbers/einer Bewerberin im Sinn von § 6 Absatz 1 Satz 2 AGG erlangen will mit dem alleinigen Ziel, eine Entschädigung oder Schadensersatz nach § 15 Absatz 2 AGG geltend zu machen, handelt auch nach Unionsrecht rechtsmissbräuchlich (vergleiche EuGH 28. Juli 2016 – C-423/15 – [Kratzer] Randnummer 35 fortfolgende).
- aa) Die Stellenausschreibung wies Indizien dafür aus, dass die Stelle unter Verstoß gegen § 7 Absatz 1 AGG ausgeschrieben wurde. Der Kläger hat unmittelbar nach dem Satz: „Ich bewerbe mich hiermit auf ihrer Stelle.“ die Frage gestellt, ob ausschließlich eine Sekretärin, also eine Frau gesucht wird. Er selbst hat dann ausgeführt, dies sei so in der Stellenanzeige angegeben. Obwohl der Kläger bereits zu Beginn des Textes Ausführungen zu seinen Fähigkeiten und Erfahrungen getätigt hatte, erwähnt er seine abgeschlossene Ausbildung unter Verwendung der männlichen Form „Industriekaufmann“ erst im direkten Anschluss an seine Frage und seiner Erläuterung zu der gestellten Frage. Hierdurch lenkt er bereits an dieser Stelle das Augenmerk des Lesers darauf, dass es sich bei dem Bewerber um einen Mann handelt. In der Grußformel verwendet der Kläger das Wort Herr, wodurch er an dieser Stelle nochmals hervorhebt, dass der Bewerber männlichen Geschlechts ist und auch als solcher angesprochen werden möchte. Bereits diese Umstände zeigen, dass es dem Kläger gerade nicht darum ging, den Beklagten mit seiner Bewerbung davon zu überzeugen, dass er der bestgeeignete beziehungsweise jedenfalls ein geeigneter Bewerber war, sondern dass er beabsichtigte, dem Beklagten bereits nach dem ersten Lesen des Bewerbungstextes einen Grund für eine Absage zu geben, nämlich den Grund, dass der Kläger ein Mann sei und der Beklagte eine Frau für die Stelle suche. Hieraus folgt aber wiederum, dass der Kläger mit der zu erwartenden Absage letztlich nur die Grundlage dafür schaffen wollte, erfolgreich eine Entschädigung nach § 15 Absatz 2 AGG geltend machen zu können, weil alles darauf hindeutet, dass sein Geschlecht (zumindest mit-) ursächlich für die Absage war. Wenn die Bewerbung tatsächlich dazu hätte dienen sollen, für die Stelle ausgewählt zu werden, ist nämlich nicht ersichtlich, weshalb der Kläger diese Frage stellt und zudem noch in besonderer Weise betont, dass es sich bei dem Bewerber um eine männliche Person handelt. Die Frage konnte dem Kläger für ein Bewerbungsverfahren erkennbar keinen Vorteil bringen. Die Frage und die in diesem Zusammenhang besondere Betonung, dass sich ein Mann um diese Stelle bewirbt, hatte vielmehr ausschließlich den Zweck, den Beklagten dazu zu bewegen, die Bewerbung des Klägers mit der Begründung, er suche eine Frau, abzulehnen. Ein anderer objektiv nachvollziehbarer Grund für dieses Verhalten des Klägers ist nicht ersichtlich. Auch der Kläger hat in diesem Prozess keinen nachvollziehbaren Grund für die von ihm gestellte Frage dargelegt.
Rechtsanwalt Andreas Martin
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Rechtsanwalt Andreas Martin – Fachanwalt für Arbeitsrecht – Kanzlei Berlin Marzahn-Hellersdorf