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Anfechtung eines Aufhebungsvertrag bei Drohung durch den Arbeitgeber
Rechtsanwalt Andreas Martin- Berlin Marzahn-Hellersdorf – Fachanwalt für Arbeitsrecht
Wenn ein Arbeitgeber den Arbeitnehmer entlassen will, dann wird oft zunächst der Weg versucht, das Arbeitsverhältnis durch einen Aufhebungsvertrag zu lösen. Der Hintergrund ist oft der, dass es viel schwieriger ist, gegen einen Aufhebungsvertrag vorzugehen, als gegen eine Kündigung. Für den Arbeitgeber ist also diese Beendigung des Arbeitsverhältnisses sicherer als der Weg über die Kündigung.
1. Aufhebungsvertrag vs. Kündigung
Der Hintergrund ist der, dass ein Aufhebungsvertrag ein Vertrag ist, der voraussetzt, dass sich die Vertragsparteien einig sind. Die eigene Willenserklärung anzufechten, zum Beispiel wegen widerrechtlicher Drohung oder arglistiger Täuschung, ist recht schwierig. Bei der Kündigung handelt es sich um eine Willenserklärung des Arbeitgebers und hierfür gibt es die Möglichkeit der Einreichung der Kündigungsschutzklage. Viele der Kündigungsschutzverfahren enden durch die Zahlung einer Abfindung im Gütertermin.
Nicht selten kommt es vor, dass Arbeitnehmer zum Abschluss eines Aufhebungsvertrags gedrängt werden.
Zeitdruck
Das bloße Drängen und den Arbeitnehmer unter Zeitdruck setzen, reichen im Normalfall aber nicht aus, um eine Anfechtungsberechtigung für den Arbeitnehmer zu schaffen. Der Arbeitgeber muss hier mehr tun, damit der Arbeitnehmer tatsächlich seine Willenserklärung zum Abschluss des Aufhebungsvertrages anfechten kann.
widerrechtliche Drohung mit Kündigung oder Täuschung
Dies setzt voraus, dass der Arbeitnehmer widerrechtlich bedroht wurde oder eine arglistige Täuschung vorliegt. In den meisten Fällen wird in der Praxis wohl die widerrechtliche Drohung häufiger vorkommen als die arglistige Täuschung. Der Arbeitgeber muss also den Arbeitnehmer mit einem empfindlichen Übel drohen. Dabei schaut die Rechtsprechung danach, inwieweit ein verständiger Arbeitgeber hier gegebenenfalls eine Drohung aussprechen dürfte. Nicht jede Drohung führt zur Anfechtbarkeit.
Drohung mit Kündigung nachvollziehbar?
Wenn ein verständiger Arbeitgeber in der speziellen Situation dem Arbeitnehmer mit einer fristlosen Kündigung drohen würde und diesen vor die Wahl stellt, entweder den Aufhebungsvertrag zu unterzeichnen oder eine fristlose Kündigung zu erhalten, so kann dies durchaus zulässig sein. Entscheidend ist dabei, wie ein verständiger Arbeitgeber in dieser Situation handeln würde und ob dieser ernsthaft eine fristlose Kündigung in Betracht ziehen durfte.
Auch wenn der Arbeitgeber die Wehrlosigkeit des Arbeitnehmers z.B. aufgrund einer Erkrankung und damit der eingeschränkten Verteidigungsmöglichkeiten ausnutzt, kann ein Grund für die Anfechtung bestehen. Dies wurde zum Beispiel für den Fall der Erkrankung einer Arbeitnehmerin und Hausbesuch durch den Arbeitgeber so gesehen.
Das Problem für den Arbeitnehmer ist oft das, dass dieser die Anfechtungsvoraussetzungen vor dem Arbeitsgericht darlegen und im Bestreitensfall nachweisen muss. Dies ist recht schwierig. Der Arbeitnehmer muss also darlegen und gegebenenfalls beweisen, dass er vom Arbeitgeber entweder widerrechtlich bedroht oder arglistig getäuscht wurde und aufgrund dieses rechtswidrigen Verhaltens den Aufhebungsvertrag unterzeichnet hat (Kausalität).
Von daher sollte man von vornherein sehr vorsichtig sein bei dem Abschluss eines Aufhebungsvertrages, da dieser oft auch zu einer Sperre beim Arbeitslosengeld I führt. Die Sperre kann man auch nicht durch “schlaue Formulierungen” im Aufhebungsvertrag umgehen, wie dass der Aufhebungsvertrag allein zur Vermeidung einer betriebsbedingten Kündigung erfolgte.
Am 30. Januar 2015 entschied das Arbeitsgericht Berlin (Aktenzeichen: 28 Ca 12971/14) über einen Fall, der die Anfechtung eines Aufhebungsvertrages wegen widerrechtlicher Drohung zum Gegenstand hatte.
Die Klägerin, die seit vielen Jahren in einem großen Unternehmen, das Apple-Produkte vertreibt, tätig war, geriet in eine betrügerische Geschäftsanbahnung. Ein angeblicher Kunde, „Herr Be.“, kontaktierte die Klägerin per E-Mail und gab vor, im Namen eines französischen Unternehmens große Mengen an iPads bestellen zu wollen. Trotz sorgfältiger interner Abstimmungen und Einhaltung der betrieblichen Vorgaben stellte sich der Kunde als Betrüger heraus, was zu einem erheblichen finanziellen Verlust für das Unternehmen führte.
Während eines Großteils der betrügerischen Bestellungen war die Klägerin im Urlaub. Bei ihrer Rückkehr entdeckte sie die ausstehenden Zahlungen und informierte ihren Vorgesetzten. Das Unternehmen reagierte mit einem Personalgespräch am 26. August 2014, in dem der Klägerin die Wahl zwischen einer fristlosen Kündigung mit Schadensersatzforderungen und einem Aufhebungsvertrag angeboten wurde.
In einemPersonalgespräch wurde der Klägerin von Seiten des Personalleiters und des Geschäftsführers nahegelegt, den Aufhebungsvertrag zu unterzeichnen. Dabei wurde ihr angedroht, dass sie im Falle einer Kündigung persönlich für den entstandenen Schaden haften und Schwierigkeiten haben würde, eine neue Anstellung zu finden. Diese Drohungen setzten die Klägerin massiv unter Druck.
Das Gericht stellte fest, dass die Drohungen der Arbeitgeberseite widerrechtlich waren. Es wurde klargestellt, dass die Ankündigung einer Kündigung und die damit verbundenen Drohungen im Zeugnis negative Aussagen zu machen und den vollen Schaden geltend zu machen, unzulässig waren. Ein verständiger Arbeitgeber hätte eine solche Kündigung nicht ernsthaft in Erwägung ziehen dürfen.
Nach Auffassung des Gerichts war die Klägerin zur Unterzeichnung des Aufhebungsvertrages genötigt worden. Die Kläger konnte ihre Willenserklärung und damit den Aufhebungsvertrag wirksam anfechten. Das Arbeitsverhältnis bestand über den 26. August 2014 hinaus fort, und das Unternehmen wurde verurteilt, die Klägerin weiterhin zu beschäftigen.
Häufige Fragen zum Thema “Kündigung” finden Sie hier.
Was ist eine Kündigung?
Eine Kündigung ist eine einseitige, empfangsbedürftige Willenserklärung. Sowohl der Arbeitgeber als auch der Arbeitnehmer können im Arbeitsverhältnis eine Kündigung aussprechen. Man unterscheidet hier zwischen einer ordentlichen und einer außerordentlichen Kündigung.
Muss man den Erhalt der Kündigung bestätigen?
Nein, der Arbeitnehmer muss dem Arbeitgeber nicht dafür unterschreiben, dass er die Kündigung erhalten hat. Dazu besteht keine Rechtspflicht.
Welche Kündigungsgründe sind nach dem KSchG erlaubt?
Besteht der allgemeiner Kündigungsschutz kann der Arbeitgeber nur aus folgenden Gründen ordentlich kündigen:
– aus betriebsbedingten Gründen
– aus personenbedingten Gründen
– aus verhaltensbedingten Gründen
Kann man direkt auf Abfindung klagen?
Nein, eine Klage auf Abfindung ist nur in ganz wenigen Fällen möglich. Der Normalfall ist, dass der Arbeitnehmer Kündigungsschutzklage einreicht und man sich dann gegebenenfalls im Gütetermins auf die Zahlung eine Abfindung einig.
Was war der Hintergrund des Falls?
Eine langjährige Mitarbeiterin wurde Opfer eines Betrugsfalls und unterschrieb unter Druck einen Aufhebungsvertrag. Der Arbeitgeber drohte mit fristloser Kündigung und Schadensersatzforderungen, falls sie nicht unterzeichnete.
Welche Rolle spielte der Arbeitgeber im Fall?
Der Arbeitgeber setzte die Mitarbeiterin unzulässigerweise unter Druck, indem er eine fristlose Kündigung und negative Zeugnisse in Aussicht stellte, falls sie den Aufhebungsvertrag nicht unterzeichnete.
Was entschied das Arbeitsgericht Berlin?
Das Gericht entschied, dass die Drohung des Arbeitgebers widerrechtlich war und erklärte den Aufhebungsvertrag für nichtig. Das Arbeitsverhältnis bestand weiter.
Warum war die Drohung des Arbeitgebers widerrechtlich?
Die Drohung war widerrechtlich, da ein vernünftiger Arbeitgeber in dieser Situation keine ernsthafte (fristlose) Kündigung in Erwägung ziehen durfte. Die zusätzlichen Drohungen verstärkten den Druck auf die Klägerin.
Welche gesetzlichen Grundlagen waren relevant?
Wichtige Normen waren § 123 Abs. 1 BGB (Anfechtbarkeit wegen Täuschung oder Drohung) und § 626 Abs. 1 BGB (fristlose Kündigung aus wichtigem Grund).
Was sollten Arbeitnehmer tun, wenn sie unter Druck gesetzt werden?
Arbeitnehmer sollten rechtlichen Rat einholen und sich nicht unter Druck setzen lassen, Verträge zu unterzeichnen. Im Zweifelsfall können solche Verträge angefochten werden.
Rechtsanwalt Andreas Martin
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