Was ist der Unterschied zwischen Fahrerflucht und Unfallflucht?
Rechtsanwalt Andreas Martin- Berlin Marzahn-Hellersdorf
Von Fahrerflucht oder Unfallflucht beziehungsweise Verkehrsunfallflucht hat jeder schon mal etwas gehört. Um es kurz zu machen. Fahrerflucht und Unfallflucht sind das Gleiche. Es gibt keinen Unterschied zwischen diesen beiden Begriffen. Beide Begriffe (so auch die Verkehrsunfallflucht) meinen die gleiche Sache, nämlich das unerlaubte Entfernen vom Unfallort (§ 142 StGB), auch wenn Fahrerflucht und Unfallflucht keine exakten juristischen Begriffe, sondern ungenaue Umgangssprache sind.
unerlaubtes Entfernen vom Unfallort – ist Fahrerflucht und Unfallflucht
Wie oben bereits ausgeführt, ist der richtige Begriff für die Unfallflucht/ Fahrerflucht das sog. unerlaubte Entfernen vom Unfallort. Geregelt ist dies in § 142 StGB.
In der Vorschrift ist folgendes geregelt:
§ 142 Unerlaubtes Entfernen vom Unfallort
(1) Ein Unfallbeteiligter, der sich nach einem Unfall im Straßenverkehr vom Unfallort entfernt, bevor er
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zugunsten der anderen Unfallbeteiligten und der Geschädigten die Feststellung seiner Person, seines Fahrzeugs und der Art seiner Beteiligung durch seine Anwesenheit und durch die Angabe, daß er an dem Unfall beteiligt ist, ermöglicht hat oder- 2.
eine nach den Umständen angemessene Zeit gewartet hat, ohne daß jemand bereit war, die Feststellungen zu treffen,wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.
(2) Nach Absatz 1 wird auch ein Unfallbeteiligter bestraft, der sich
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nach Ablauf der Wartefrist (Absatz 1 Nr. 2) oder- 2.
berechtigt oder entschuldigtvom Unfallort entfernt hat und die Feststellungen nicht unverzüglich nachträglich ermöglicht.
(3) Der Verpflichtung, die Feststellungen nachträglich zu ermöglichen, genügt der Unfallbeteiligte, wenn er den Berechtigten (Absatz 1 Nr. 1) oder einer nahe gelegenen Polizeidienststelle mitteilt, daß er an dem Unfall beteiligt gewesen ist, und wenn er seine Anschrift, seinen Aufenthalt sowie das Kennzeichen und den Standort seines Fahrzeugs angibt und dieses zu unverzüglichen Feststellungen für eine ihm zumutbare Zeit zur Verfügung hält. Dies gilt nicht, wenn er durch sein Verhalten die Feststellungen absichtlich vereitelt.(4) Das Gericht mildert in den Fällen der Absätze 1 und 2 die Strafe (§ 49 Abs. 1) oder kann von Strafe nach diesen Vorschriften absehen, wenn der Unfallbeteiligte innerhalb von vierundzwanzig Stunden nach einem Unfall außerhalb des fließenden Verkehrs, der ausschließlich nicht bedeutenden Sachschaden zur Folge hat, freiwillig die Feststellungen nachträglich ermöglicht (Absatz 3).(5) Unfallbeteiligter ist jeder, dessen Verhalten nach den Umständen zur Verursachung des Unfalls beigetragen haben kann.
Strafe bei Fahrerflucht (beim unerlaubten Entfernen vom Unfallort)
Geldstrafe oder Freiheitsstrafe und Führerscheinentzug
Das unerlaubte Entfernen vom Unfallort ist kein Kavaliersdelikt. Hier kann man mit Geldstrafe oder sogar Freiheitsstrafe bis zu 3 Jahren bestraft werden. Die Freiheitsstrafe wird bei einfacher Fahrerflucht aber selten ausgesprochen. Jemand, der nicht einschlägig vorbestraft ist, muss also nicht mit einer Freiheitsstrafe rechnen. Der Normalfall ist eine Geldstrafe zwischen 30 Tagessätze (1 Nettomonatsgehalt) und 60 Tagessätzen (2 Nettomonatsgehälter).
Die Strafe, die aber am meisten schmerzt ist oft der Entzug der Fahrerlaubnis nebst Sperre für die Wiedererteilung. Dann ist der Führerschein für einen gewissen Zeitraum weg. Dies ist für Berufskraftfahrer existenzbedrohend und für den Normalbürger äußerst unangenehm.
Dies ist nicht der Ausnahmefall, sondern der Normalfall. Wenn man in Berlin in einem Strafverfahren wegen Verkehrsunfallflucht bestraft wird, ist der Führerschein in der Regel für 12 Monate weg.
Danach kann er Führerschein wieder beantragt werden und wird neu erteilt.
Nachfolgend beantworte ich kurz häufige Fragen zum unerlaubten Entfernen vom Unfallort:
Was passiert bei der Fahrerflucht?
Bei der Fahrerflucht passiert ein unerlaubtes Verlassen eines Unfallortes durch einen der Unfallbeteiligten, meistens durch den Unfallverursacher.
Dies kann bei einem Parkplatzunfall genauso wie bei einem Unfall im laufenden/fließenden Straßenverkehr geschehen oder auch nur beim umfahren eines Verkehrsschildes.
Die Hauptpflicht besteht nicht darin die Polizei zu rufen, sondern den anderen Unfallgegner entsprechend so zu informieren, dass dieser seine zivilrechtlichen Schadensersatzansprüche durchsetzen kann.
Ist Unfallflucht etwas anderes als Fahrerflucht?
Nein, zwischen Unfallflucht und Fahrerflucht gibt es keinen Unterschied. Beide Begriffe meinen – wenn auch umgangssprachlich – das unerlaubte Entfernen vom Unfallort nach § 142 Strafgesetzbuch.
Muss man bei einem Verkehrsunfall immer die Polizei rufen?
Dies ist ein häufiges Missverständnis beziehungsweise ein häufiger Irrtum. Die Verkehrsunfallflucht bestraft nicht, weil man die Polizei nicht gerufen hat, sondern weil man nicht am Unfallort auf den Unfallgegner gewartet hat.
Wie muss man sich richtig an der Unfallstelle verhalten?
Man verhält sich richtig, wenn man vor Ort an der Unfallstelle auf den Fahrer des beschädigten Fahrzeugs wartet. Wenn auch nach einer angemessenen Wartezeit (mindestens 15 min) der Unfallgegner nicht erscheint, soll man vor Ort eine Notiz mit den Kontaktdaten hinterlassen und sofort die Polizei anrufen und über den Unfall informieren.
Wie lange muss man am Unfallort warten?
Die Dauer der Wartefrist ist schwer bestimmbar. Diese richtet sich immer nach den Umständen des Einzelfalles.
Folgende Kriterien haben einen Einfluss auf die Dauer der Wartezeit:
- Art des Verkehrsunfalls
- Schwere des Unfalls,
- Höhe des Schadens,
- nur Sach- oder auch Personenschaden,
- Eindeutigkeit der Haftungslage,
- Lage des Unfallorts,
- Tageszeit,
- Witterung,
- Verkehrsdichte.
Selbst bei kleinen Schäden muss man in der Regel wenigstens 15 min warten. In der Regel ist eine halbe Stunde Wartezeit zumutbar.
Kann man den Führerscheinentzug nebst Sperrfrist durch Erhöhung der Geldstrafe vermeiden?
Dies geht nicht. Im Bußgeldverfahren gibt es eine solche Möglichkeit, an welche aber weitere Voraussetzungen (kein Urlaub, kein Fahrer beschäftigen möglich, Arbeitsplatzverlust droht sonst) geknüpft sind und die selbst dort nicht einfach umzusetzen ist. Im Strafverfahren gibt es dies nicht. In der Regel ist der Führerschein weg. Es besteht keine Wahlmöglichkeit gegen Erhöhung der Geldstrafe den Führerschein zu behalten.
ist der Zusammenstoß eines Einkaufswagens mit einem Fahrzeug bereits ein Unfall im Straßenverkehr?
Auch ein Fußgänger kann sich gemäß § 142 StGB strafbar machen, wenn sein Einkaufswagen auf einem öffentlich zugänglichen Parkplatz ein Fahrzeug beschädigt (OLG Koblenz, MDR 1993, 366; OLG Stuttgart, VRS 47, 15;). Von daher ist beim Einkauf bzw. beim Verlassen des Supermarkts Vorsicht geboten.
Wie hoch ist die Strafe bei Fahrerflucht?
Wie hoch die Strafe bei Fahrerflucht bzw. bei der Verkehrsunfallflucht ist, hängt immer vom Einzelfall ab.
Grundsätzlich kann man sagen, dass der Ersttäter, der strafrechtlich vorher noch nicht in Erscheinung getreten ist, in der Regel eine Geldstrafe hält zwischen 30 und 50 Tagessätzen. 30 Tagessätze entsprechen einen Netto Monatsverdienst.
Darüber hinaus wird in der Regel, mit Ausnahme von sehr kleinen Schäden, ein Entzug des Führerscheines von wenigstens sechs Monaten, meistens um die zwölf Monate verhangen.
Macht man sich strafbar, wenn man den Unfallort verlässt und sich dann 40 min später bei der Polizei meldet?
Bei der Verkehrsunfallflucht besteht zunächst-und primär-eine Wartepflicht am Unfallort. Wer den Unfallort ohne, dass die Feststellung seiner Personalien erfolgt, verlässt, begeht im Normalfall eine Verkehrsunfallflucht.
In einem Fall des Landgerichts Aurich fuhr ein Beschuldigte mit seinem Fahrzeug gegen eine Schrankenanlage. Er verließ dann den Unfallort ohne dass seine Personalien vor Ort festgestellt wurden und meldete sich dann ungefähr 40 Minuten später bei der Polizei.
Das Landgericht Aurich (LG Aurich, Beschl. v. 6.7.2012 – 12 Qs 81/12) bestätigte hier, dass keine Verkehrsunfallflucht vorliegt und sah hier gerade so von einer Bestrafung ab.
Das Landgericht führte dazu aus:
Zwar vermag eine dem Beschuldigten durch § 142 StGB nicht auferlegte, aktive Tätigkeit von seiner Wartepflicht zu befreien, sofern dem Feststellungsinteresse des Geschädigten Rechnung getragen wird (OLG Bremen, Urt. v. 2.11.1971 – Ss 76/71, VRs 43, 29 (31)), was insb. der Fall ist, wenn dieser die Polizei verständigt (OLG Bremen, a.a.O.; OLG Frankfurt, Urt. v. 15.3.1967 – 3 Ss 1052/66, NJW 1967, 2072 (2073); Cramer/Sternberg-Lieben, in: Schönke/Schröder, StGB, § 142 Rn 40, Hentschel, Straßenverkehrsrecht, Rn 40 zu § 142 StGB m.w.N.). Dem Unfallverursacher ist es aber hierbei nur gestattet, sich zum Zwecke der Benachrichtigung der Polizei vorübergehend von der Unfallstelle zu entfernen und alsdann an die Unfallstelle zurückzukehren bzw. dass er unverzüglich bei Benachrichtigung der Polizei alle Angaben zu den in § 142 StGB vorgesehenen Feststellungen macht (OLG Bremen, a.a.O.).
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