Auskunft zum Pflichtteil – muss man Belege vorlegen?
Die Durchsetzung des Pflichtteils ist oft im Erbrecht Grund für umfangreiche Streitigkeiten. Dabei ist die mathematische Berechnung des Anspruchs oft nicht schwierig. Problematisch ist im Erbfall aber oft, dass das Nachlassvermögen im Einzelnen nicht bekannt ist und erst ermittelt werden muss.
Pflichtteil – was ist das?
Der Pflichtteilsanspruch entsteht dann, wenn ein Erbe – zum Beispiel durch Testament – enterbt wird. Dann ist es nicht so, wie man landläufig meint, dass man gar nichts bekommt, sondern die pflichtteilsberechtigten Personen haben dann einen Anspruch auf den Pflichtteil. Der Pflichtteil ist ein Anspruch in Geld. Der Pflichtteil ist der Höhe nach die Hälfte des gesetzlichen Erbteils.
Der Pflichtteilsberechtigte, der enterbt wurde, erbt also nicht, sondern hat einen Geldanspruch in Höhe der Hälfte seines gesetzlichen Erbteils gegenüber dem Erben.
Berliner Testamt und Enterbung der Kinder
In der Praxis kommt dies recht häufig vor. So setzten sich beim Berliner Testamente die Eheleute zu gegenseitigen Erben ein und enterben damit die Kinder. Damit können die Eheleute aber nicht verhindern, dass ein Kind nach dem ersten Erbfall seinen Pflichtteil geltend macht. Sie können aber regeln, dass dieses Kind dann auch nach dem zweiten Erbfall nur den Pflichtteil bekommt.
Den Anspruch auf den Pflichtteil muss der Pflichtteilsberechtigte innerhalb von drei Jahren geltend machen. Ansonsten verjährt der Pflichtteilsanspruch.
Auskunftsanspruch des Pflichtteilsberechtigten
Der Pflichtteilsberechtigte wird, da dieser im Normalfall keine Einsicht in die Vermögensverhältnisse des Erblassers hat, zunächst seinen Auskunftsanspruch gegenüber dem Erben geltend machen. Er wird diesen also auffordern Auskunft zu erteilen und ein entsprechendes Nachlassverzeichnis vorzulegen. Dazu ist der Erbe grundsätzlich verpflichtet, aber auch der sogenannte Erbschaftsbesitzer.
außergerichtliches Schreiben vom Anwalt
Die außergerichtlichen Geltendmachung des Auskunfts– oder auch Wertermittlungsanspruchs durch einen Rechtsanwalt gegenüber dem Erben gemäß § 2314 Abs. 1 Satz 1 BGB ist von daher fast immer der erste Schritt bei der Durchsetzung des Pflichtteilsrechts. Ohne diese Auskunft kann kaum ein Pflichtteilsberechtigter seinen Anspruch beziffern. Diese Auskunft soll von daher dem Pflichtteilsberechtigten das Wissen zur Verfügung stellen, welches er zur Geltendmachung seines Pflichtteilsanspruchs benötigt, damit er selbst den Wert ermitteln und den Anspruch beziffern kann. Der Erbe ist zur Auskunft verpflichtet!
Nachlassverzeichnis muss erstellt werden
Der Erbe hat nach dem Gesetz ein Verzeichnis nach § 260 BGB zu erstellen. Die Rechtsprechung verlangt hier ein geordnetes und übersichtliches Gesamtverzeichnis, welches die Aktiv- und Passivwerte darstellt, so dass der Pflichtteilsberechtigte in die Lage versetzt wird, seinen Pflichtteilsanspruch beziffern zu können.
Es besteht ein Auskunfts- und Wertermittlungsanspruch nach dem Gesetz. Die Auskunft muss schriftlich erfolgen.
Die Auskunftspflicht erstreckt sich auch auf Nachlassforderungen sowie auf Gegenstände, die dem Erbschaftsbesitzer als Voraus oder als Vorausvermächtnis hinterlassen sind.
Auf keinen Fall ist die Auskunftspflicht erteilt, wenn einfach nur Belege übersandt werden (zum Beleganspruch siehe unten). Der Erbe muss sich “hinsetzen” und die erforderlich Zeit nehmen, um ein übersichtliches und vollständiges Verzeichnis zu erstellen. Manchmal kommt auch als Antwort nur, “Es ist nichts da!”. Auch dies ist keinesfalls ausreichend.
kein Beleganspruch
Viele Pflichtteilsberechtigte glauben aber, dass diese auch einen Beleganspruch haben, also einen Anspruch auf Vorlage von Belegen hinsichtlich der Erteilten Auskunft. Ansonsten könnte ja jeder irgendeinen Kontostand des Erblassers zum Zeitpunkt des Todes (Stichtag) behaupten. Wie selbstverständlich von daher angenommen, dass der Erbe auch z.B. sämtliche Kontobelege vorlegen muss. Teilweise werden sogar solche Kontobelege für einen Zeitraum von 10 Jahren bis zum Erbfall gefordert. All dies gibt das Gesetz aber nicht her.
Eine allgemeine Verpflichtung des Erben, das Bestandsverzeichnis mit Belegen zu versehen, ergibt sich aus dem Gesetz nicht. Auch wenn es keine Regelung im Gesetz gibt, so ist es nicht in der Rechtsprechung und Literatung umstritten, ob eine solche Belegvorlagepflicht besteht. Die herrschende (überwiegende) Meinung (so z.B. das Oberlandesgericht Düsseldorf – Urteil vom 06.07.2018, Az.: 7 U 9/17) ist aber, dass es keine Pflicht zur Vorlage von Belegen gibt. Diese kann sich aber ergeben, wenn nachvollziehbare Zweifel an der Auskunft aufkommen.
Kontoauszüge müssen zunächst nicht vorgelegt werden
Danach muss der Erbe muss also noch nicht einmal Kontoauszüge des Kontos des Erblassers zum Todestag dem Verzeichnis beifügen. Dies hört sich seltsam an; entspricht aber der Rechtslage. Einen solchen Anspruch hat der Gesetzgeber nicht normiert.
Ein Anspruch auf Belegvorlage kann sich aber im Einzelfall als Nebenanspruch zum Wertermittlungsanspruch ergeben.
Handhabung in der Praxis
Auch wenn es keine allgemeine Verpflichtung zur Vorlage von Belegen bei Auskunft des Erben gibt, wird der auf Auskunft in Anspruch genommene Erbe in der Regel das Nachlassverzeichnis mit nachvollziehbaren Belegen versehen, um langwidrige Streitigkeiten zu vermeiden.
Rechtsanwalt Andreas Martin – Anwalt in Berlin Marzahn-Hellersdorf