außerordentliche Kündigung wegen Inhaftierung des Arbeitnehmers
Die außerordentliche Kündigung eines Arbeitnehmers wegen Inhaftierung bzw. Gefängnisaufenthalt ist ein recht seltener Fall, allerdings gibt es dazu bereits einige Gerichtsentscheidungen. Das Problem ist, dass der Arbeitnehmer – selbst verschuldet – seine Arbeitsleistung nicht mehr erbringen kann.
fristlose Kündigung bei Gefängnisaufenthalt des Arbeitnehmers
Dabei zu beachten, dass eine außerordentliche Kündigung nur in Ausnahmefällen in Betracht kommt. Es muss ein wichtiger Grund auf Seiten des Arbeitgebers vorliegen, weshalb es ihm unzumutbar ist zum Beispiel ordentlich zu kündigen und das Ende der ordentlichen Kündigungsfrist abzuwarten. Eine ordentliche Kündigung sollte aber immer hilfsweise erfolgen.
wichtiger Grund für die Kündigung
Die Anforderungen an einen solchen wichtigen Kündigungsgrund sind recht hoch. Darüberhinaus muss auch immer-bei der Prüfung einer fristlosen, außerordentlichen Kündigung-eine Interessenabwägung zwischen den Interessen des Arbeitgebers und denen des Arbeitnehmers vorgenommen werden.
Die Frage ist, ob eine Inhaftierung des Arbeitnehmers bzw. ein längerer Gefängnisaufenthalt es dem Arbeitgeber unzumutbar machen ordentlich das Arbeitsverhältnis zu beenden.
Hauptleistungspflicht / Arbeitsleistung wird unmöglich
Zu beachten ist dabei, dass eine Hauptleistungspflicht des Arbeitnehmers dann besteht die Arbeitsleistung zu erbringen. Ein inhaftierter Arbeitnehmer ist nicht in der Lage, es sei denn in den seltenen Fällen des täglichen Freiganges, die Arbeitsleistung zu erbringen. Dies ist auch bereits-zumindest bei der Verurteilung zu einer mehrmonatigen Haftstrafe-klar. Der Arbeitgeber weiß also, der Arbeitnehmer kann die Arbeitsleistung zukünftig nicht mehr erbringen.
Wenn der Arbeitnehmer dann auch noch schuldhaft den Gefängnisaufenthalt verursacht hat, wovon im Normalfall auszugehen ist, ist eine außerordentliche und fristlose Kündigung durchaus denkbar.
Entscheidung des BAG aus dem Jahr 1997
Bereits im Jahr 1997 (Urteil 20.11.1997, Az.: 2 AZR 805/96) gab es dazu eine Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts, in welchem das BAG klarstellte.
Das BAG führt dazu aus:
Nach § 626 Abs. 1 BGB kann das Arbeitsverhältnis aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, aufgrund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann. Die Prüfung, ob ein bestimmter Sachverhalt die Voraussetzungen eines wichtigen Grundes erfüllt, ist vorrangig Sache des Tatsachengerichts. Es handelt sich um die Anwendung eines unbestimmten Rechtsbegriffs. Diese kann vom Revisionsgericht nur darauf überprüft werden, ob das angefochtene Urteil den Rechtsbegriff selbst verkannt hat, ob es bei der Unterordnung des Sachverhalts unter die Rechtsnorm des § 626 BGB Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze verletzt hat und ob es alle vernünftigerweise in Betracht kommenden Umstände, die für oder gegen eine außerordentliche Kündigung sprechen, beachtet hat (ständige Rechtsprechung des Senats, z.B. Urteile vom 6. August 1987 – 2 AZR 226/87 – und vom 2. April 1987 – 2 AZR 418/86 – AP Nr. 97 und 96 zu § 626 BGB; Urteil vom 9. März 1995 – 2 AZR 497/94 – AP Nr. 123, aaO). Diesem eingeschränkten Überprüfungsmaßstab hält das Urteil, was zunächst die Beurteilung der außerordentlichen Kündigung angeht, stand.
Hiervon ausgehend ist in der einschlägigen Rechtsprechung zur haftbedingten Nichterfüllung der Arbeitspflicht durch den Arbeitnehmer als außerordentlicher Kündigungsgrund eine dreimonatige Freiheitsstrafe (Senatsurteil vom 15. November 1984 – 2 AZR 613/83 – AP Nr. 87, aaO) und die Verbüßung der ersten fünf Wochen einer langjährigen Freiheitsstrafe (bis zur Kündigung) an sich als außerordentlicher Kündigungsgrund anerkannt worden (Senatsurteil vom 9. März 1995 – 2 AZR 497/94 – AP Nr. 123, aaO). Allerdings hat das Bundesarbeitsgericht dabei stets betont, es sei auf die Umstände des einzelnen Falles abzustellen, wobei es entscheidend darauf, ankomme, in welchem Umfang dem Arbeitgeber die Hinnahme der haftbedingten Verhinderung des Arbeitnehmers zumutbar sei und wie sie sich im Betrieb konkret nachteilig ausgewirkt habe (Senatsurteile vom 10. Juni 1965 – 2 AZR 339/64 – BAGE 17, 186 = AP Nr. 17 zu § 519 ZPO; vom 15. November 1984, aaO, zu II 2 der Gründe und vom 9. März 1995, aaO, zu II 3 der Gründe).
Entscheidung des BAG aus dem Jahr 2015
Weiter gibt es eine Entscheidung. Des BAG (Urteil vom 22.10.2015 – 2 AZR 381/14).
Das Bundesarbeitsgericht (Urteil vom 22.10.2015 – 2 AZR 381/14) hat entschieden, dass eine langjährige Arbeitsverhinderung aufgrund einer Strafhaft einen wichtigen Grund im Sinne von § 626 BGB darstellen und damit ein außerordentlicher Kündigungsgrund ggfs. mit notwendiger Auslauffrist vorliegen kann.
Rechtsanwalt Andreas Martin – Anwalt Berlin Marzahn- Hellersdorf