Betriebsbedingte Gründe für eine Kündigung durch den Arbeitgeber
betriebsbedingte Gründe – Kündigung von A bis Z
Was sind betriebsbedingte Gründe?
Betriebsbedingte Gründe sind solche Umstände, die den Arbeitgeber dazu veranlassen, eine betriebsbedingte Kündigung auszusprechen. Sie liegen vor, wenn dringende betriebliche Erfordernisse bestehen, die einer Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers entgegenstehen. Die betriebsbedingte Kündigung ist in § 1 Abs. 2 Kündigungsschutzgesetz (KSchG) geregelt und setzt eine nachvollziehbare, belegbare und nicht vermeidbare unternehmerische Entscheidung voraus. Der rechtliche Begriff betriebsbedingt, ist enger gefasst als zum Beispiel der Begriff „betriebliche Gründe„. Mehr Stichworte und weitere Einträge zum Thema „Kündigung“ finden Sie in meinem Kündigungsrechtslexikon.
Voraussetzungen für eine betriebsbedingte Kündigung
Damit eine betriebsbedingte Kündigung rechtmäßig ist, müssen folgende Voraussetzungen erfüllt sein:
- Prüfungsschema: Betriebsbedingte Kündigung
- Vorliegen dringender betrieblicher Erfordernisse (§ 1 Abs. 2 S. 1 KSchG)
- Kündigungsbegründende Unternehmerentscheidung
- Außer- oder innerbetriebliche Ursachen der Unternehmerentscheidung
- Kausaler dauerhafter Wegfall von Beschäftigungsmöglichkeiten mit Ablauf der Kündigungsfrist (Prognoseprinzip)
- Fehlen milderer Mittel (Ultima-Ratio-Prinzip)
- Fehlende Weiterbeschäftigungsmöglichkeit (§ 1 Abs. 2 S. 2 und 3 KSchG)
- Dringlichkeit des betrieblichen Erfordernisses
- Sozialauswahl (§ 1 Abs. 3 und 4 KSchG)
- Sonderfall: Betriebsbedingte Kündigungen bei Betriebsänderungen (§ 1 Abs. 5 KSchG)
- Sonderfall: betriebsbedingte Änderungskündigung
Begriff und Bedeutung der Unternehmerentscheidung
Die Unternehmerentscheidung bildet die Grundlage für eine betriebsbedingte Kündigung und kann sowohl außerbetriebliche als auch innerbetriebliche Ursachen haben. Das Bundesarbeitsgericht (BAG) prüft lediglich, ob eine unternehmerische Entscheidung tatsächlich getroffen wurde und ob sie sich auf den Personalbestand auswirkt. Unternehmerische Freiheit findet ihre Grenzen in der Missbrauchskontrolle.
Inhalt der Unternehmerentscheidung
Die Entscheidung kann den Abbau von Arbeitsplätzen aufgrund von Umstrukturierungen, Produktionsverlagerungen oder Rationalisierungsmaßnahmen betreffen. Das BAG fordert ein schlüssiges unternehmerisches Konzept, um eine Personalreduzierung zu rechtfertigen.
Ultima-Ratio-Prinzip
Die Kündigung muss als letztes Mittel erfolgen. Vorher sind alle anderen Möglichkeiten, wie Versetzungen oder Änderungen der Arbeitszeit, zu prüfen. Kurzarbeit kann eine mildere Alternative zur Kündigung sein, sofern ein vorübergehender Arbeitsmangel besteht. Das BAG überprüft, ob der Arbeitgeber tatsächlich alle zumutbaren Alternativen in Betracht gezogen hat.
Dringlichkeit des betrieblichen Erfordernisses
Die betrieblichen Erfordernisse müssen nach dem Gesetzeswortlaut „dringend“ sein und eine Kündigung im Interesse des Betriebs unvermeidbar machen.
„Eine Kündigung ist nur dann i.S.d. § 1 II KSchG durch ‚dringende‘ betriebliche Erfordernisse ‚bedingt‘, wenn es dem Arbeitgeber nicht möglich ist, dem bei Ausspruch der Kündigung absehbaren Wegfall des bisherigen Beschäftigungsbedarfs durch andere Maßnahmen – technischer, organisatorischer oder wirtschaftlicher Art – als durch eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses zu entsprechen […] “ (BAG, Urteil vom 26.3.2015 – 2 AZR 417/14).
Das BAG verlangt ein nachvollziehbares Konzept, wenn durch eine Kündigung eine Leistungsverdichtung erfolgt. Eine betriebsbedingte Kündigung darf nicht allein der Gewinnmaximierung dienen, es muss ein schlüssiges unternehmerisches Konzept vorliegen. Die Gerichte überprüfen, ob das Kündigungsinteresse von Dauer ist und ob die Maßnahme tatsächlich notwendig ist.
Sozialauswahl nach § 1 Abs. 3 KSchG
Soll von mehreren Arbeitnehmern, die unter betrieblichen Gesichtspunkten gleichermaßen für eine Kündigung in Betracht kommen, nur einem oder einigen gekündigt werden, so muss die Auswahl der zu kündigenden Arbeitnehmer nach sozialen Gesichtspunkten erfolgen (§ 1 Abs. 3 S. 1 KSchG). Es soll derjenige gekündigt werden, der sozial am wenigsten schutzwürdig ist. Die Grundsätze der Sozialauswahl, nach denen die Schutzwürdigkeit der einzelnen Arbeitnehmer festgelegt wird, sind in der Vergangenheit mehrfach geändert worden. Die hier dargestellte Rechtslage gilt seit dem 1.1.2004. Die Prüfung, ob die vom Arbeitgeber vorgenommene Sozialauswahl fehlerfrei ist, vollzieht sich in folgenden Schritten:
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- Bestimmung des auswahlrelevanten Personenkreises (vergleichbare Arbeitnehmer des betroffenen Betriebs).
- Berücksichtigung der vier sozialen Kernkriterien: Dauer der Betriebszugehörigkeit, Lebensalter, Unterhaltspflichten, Schwerbehinderung (§ 1 Abs. 3 S. 1 KSchG).
- Prüfung von Ausnahmen: Bestimmte Arbeitnehmer können von der Sozialauswahl ausgenommen werden, wenn ihre Weiterbeschäftigung im berechtigten betrieblichen Interesse liegt, z. B. wegen besonderer Kenntnisse, Fähigkeiten oder zur Sicherung einer ausgewogenen Personalstruktur des Betriebs (§ 1 Abs. 3 S. 2 KSchG).
- Einhaltung von Auswahlrichtlinien: Falls eine Auswahlrichtlinie nach § 95 BetrVG besteht, ist zu prüfen, ob sie den Anforderungen des § 1 Abs. 4 KSchG entspricht und ob der Betriebsrat ggf. form- und fristgerecht widersprochen hat (§ 1 Abs. 2 S. 2 Nr. 1a KSchG).
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Was kann der Arbeitnehmer gegen eine Kündigung aus betriebsbedingten Gründen tun?
Der Arbeitnehmer kann eine Arbeitgeberkündigung gerichtlich überprüfen lassen. Dies ist oft der erste und sicherste Schritt in Richtung Abfindung oder Weiterbeschäftigung. Die Abfindungsformel ist hierbei eine grobe Orientierung.
Kündigungsschutzklage: Arbeitnehmer können innerhalb von drei Wochen nach Zugang der Kündigung eine Kündigungsschutzklage beim Arbeitsgericht einreichen.
Abfindungsverhandlungen: In der Praxis enden viele Kündigungsschutzprozesse mit einer Abfindungszahlung.
Prüfung durch einen Fachanwalt: Aufgrund der hohen Anforderungen an eine betriebsbedingte Kündigung lohnt es sich für Arbeitnehmer, die Kündigung rechtlich durch einen Fachanwalt für Arbeitsrecht prüfen zu lassen.
Rechtsanwalt Andreas Martin – Fachanwalt für Arbeitsrecht – Berlin-Marzahn