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Verkehrsunfallflucht – was muss man tun?
Eine der häufigsten Straftaten im Straßenverkehr – zumindest im Raum Berlin – ist das sogenannte unerlaubte Entfernen vom Unfallort. Der juristische Laie spricht hier von der Verkehrsunfallflucht oder Fahrerflucht. Diese Strafnorm ist in § 142 des Strafgesetzbuches regelt. Dort sind die Pflichten der Unfallbeteiligten nach einem Unfall im Straßenverkehr beschrieben. Schutzzweck der Strafnorm ist, Feststellungen zur Klärung der durch einen Unfall entstandenen zivilrechtlichen Ansprüche zu sichern, dies heißt die Durchsetzung berechtigter oder die Abwehr unberechtigter Ansprüche zu ermöglichen. Bei der Unfallflucht handelt es sich daher um ein abstraktes Vermögensgefährdungsdelikt. Geschützt wird in dieser strafrechtlichen Regelung das private Feststellungs- und Beweissicherungsinteresse der Unfallbeteiligten und Geschädigten. Das öffentliche Interesse ist kein Schutzgut der Norm.
Dies ist im Strafrecht recht selten der Fall.
§ 142 des Strafgesetzbuches lautet:
Verkehrsunfallflucht-muss man immer die Polizei rufen? – Wie lautet die gesetzliche Regelung?
Dort steht:
§ 142 Unerlaubtes Entfernen vom Unfallort
(1) Ein Unfallbeteiligter, der sich nach einem Unfall im Straßenverkehr vom Unfallort entfernt, bevor er
1.
zugunsten der anderen Unfallbeteiligten und der Geschädigten die Feststellung seiner Person, seines Fahrzeugs und der Art seiner Beteiligung durch seine Anwesenheit und durch die Angabe, daß er an dem Unfall beteiligt ist, ermöglicht hat oder
2.
eine nach den Umständen angemessene Zeit gewartet hat, ohne daß jemand bereit war, die Feststellungen zu treffen,
wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.
(2) Nach Absatz 1 wird auch ein Unfallbeteiligter bestraft, der sich
1.
nach Ablauf der Wartefrist (Absatz 1 Nr. 2) oder
2.
berechtigt oder entschuldigt
vom Unfallort entfernt hat und die Feststellungen nicht unverzüglich nachträglich ermöglicht.
(3) Der Verpflichtung, die Feststellungen nachträglich zu ermöglichen, genügt der Unfallbeteiligte, wenn er den Berechtigten (Absatz 1 Nr. 1) oder einer nahe gelegenen Polizeidienststelle mitteilt, daß er an dem Unfall beteiligt gewesen ist, und wenn er seine Anschrift, seinen Aufenthalt sowie das Kennzeichen und den Standort seines Fahrzeugs angibt und dieses zu unverzüglichen Feststellungen für eine ihm zumutbare Zeit zur Verfügung hält. Dies gilt nicht, wenn er durch sein Verhalten die Feststellungen absichtlich vereitelt.
(4) Das Gericht mildert in den Fällen der Absätze 1 und 2 die Strafe (§ 49 Abs. 1) oder kann von Strafe nach diesen Vorschriften absehen, wenn der Unfallbeteiligte innerhalb von vierundzwanzig Stunden nach einem Unfall außerhalb des fließenden Verkehrs, der ausschließlich nicht bedeutenden Sachschaden zur Folge hat, freiwillig die Feststellungen nachträglich ermöglicht (Absatz 3).
(5) Unfallbeteiligter ist jeder, dessen Verhalten nach den Umständen zur Verursachung des Unfalls beigetragen haben kann.
Die Norm ist sehr umfangreich und für den Laien schwierig zu verstehen. Der Gesetzgeber hat hier wieder mal gezeigt, dass einen einfachen Straftatbestand auch kompliziert ausdrücken kann. Sinn und Zweck der Vorschrift ist der, dass der Geschädigte Verkehrsunfallteilnehmer die Möglichkeit erhalten soll, seine zivilrechtlichen Schadensersatzansprüche gegen Unfallverursacher durchzusetzen.
Wichtig ist, dass die erste Pflicht des Unfallverursachers nicht darin besteht die Polizei zu rufen, sondern am Unfallort zu warten.
Es besteht zunächst als eine Wartepflicht und keine Verpflichtung die Polizei zu rufen. Warten muss der Unfallverursacher auf den Unfallgegner oder einer “feststellungsbereiten Person” um diesen seine Daten zu geben.
Die Norm ist schwer verständlich:
Die Grundpflicht ist in Abs. 1 Nr. 1 geregelt:
- Verbleiben am Unfallort und durch die Angabe, an dem Unfall beteiligt zu sein, Ermittlungen an Ort und Stelle zu ermöglichen.
Wenn der Unfallbeteiligter dieser Pflicht korrekt nachgekommen ist, ist er straffrei.
Wie lange man warten muss, ist im Strafgesetzbuch (StGB) nicht geregelt. Dies hängt von den Umständen des Einzelfalles ab, insbesondere wo sich der Unfall ereignet hat, zu welcher Uhrzeit und welche Witterungsbedingungen herrschen und wie hoch der Schaden ist (Kriterien: Zumutbarkeit und Erforderlichkeit (BGH DAR 55, 116; OLG Hamm NJW 77, 207).
Eine Wartezeit von 15 bis 20 Minuten sollte wenigstens eingehalten werden. Bei hohen Schaden oder verletzten Personen wäre die Wartezeit sogar noch erheblich länger anzusetzen (1 Stunde).
Die Wartepflichtnicht entfällt nicht durch das Hinterlassen eines Zettels oder einer Visitenkarte an der Windschutzscheibe des anderen Pkw.
Sobald der Vernehmungsbogen der Polizei an den Beschuldigten übersandt wird, sollte dieser sich einen Strafverteidiger für seine Vertretung im Strafverfahren suchen, der zunächst Akteneinsicht beantragen wird