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OLG Hamm: Auch gefährliche Notwehrhandlungen sind um Notwehrrecht umfasst!
Rechtsanwalt Andreas Martin
Das Notwehrrecht ist ein starkes Verteidigungsrecht. Der Verteidiger darf sich mit einem angemessenen Mittel gegen einen Angriff des Angreifers verteidigen. Es gibt bei der Notwehr keine Güterabwägung, da die sich verteidigende Person im Recht ist und angegriffen wurde. Diese muss sich nicht auf die Verteidigung mit unsicheren Mitteln verlassen.
Notwehr – rechtfertigt die Körperverletzung des Angegriffenen an den Angreifer
Die dem Angreifer zugefügte Körperverletzung oder im Extremfall sogar dessen Tötung können nach § 32 StGB gerechtfertigt sein. Wenn der Angegriffene mehrere Mittel für die Verteidigung zur Verfügung hat, dann muss er nicht unsichereMittel zurückgreifen, sondern kann das Mittel nutzen, was effektiv und endgültig den Angriff beseitigt. Wie stark das Notwehrrecht ist, wird oft unterschätzt.
Verteidiger – Bestand der Rechtsordnung
Der Verteidiger steht letztendlich für den Bestand der Rechtsordnung ein und es ist nach dem Notwehrrecht unter Umständen sogar zulässig um Sachwerte vor dem Angreifer zu schützen diesen zu töten. Für den Laien ist das unvorstellbar, juristisch ist dies aber durchaus der Fall.
Die Nothilfe ist auch ein Fall des Notwehrrechts, dass nämlich jemand einer anderen Person die angegriffen wird zur Seite steht und sich gegen den Angreifer wendet.
Entscheidung des Oberlandesgerichts Hamm zum Notwehrrecht
Urteil des OLG Hamm
Das Oberlandesgericht Hamm (15.7.2013 – 1 RVs 38/13) entschied, dass jemand, der sich gegen einen rechtswidrigen Angriff verteidigt (Faustschlag), auch zu zu drastischen Mitteln greifen darf, um sich zu verteidigen. Der Verteidiger schlug – nach dem er einen Faustschlag an den Kopf erhalten hatte – mit einem vollen Bierkrug den Angreifen an den Kopf, da er befürchtete, dass dieser nochmals mit der Faust zuschlagen würde.
Rechtfertigungsgrund liegt vor
Das OLG hielt dies für gerechtfertigt und sprach den “Verteidiger” vom Vorwurf der Körperverletzung gegenüber dem Angreifer frei. Rechtlich gesehen lag zwar eine Körperverletzung bzw. eine gefährliche Körperverletzung vor, allerdings gab es hierfür einen Rechtfertigungsgrund, nämlich die Verteidigung aufgrund eines rechtswidrigen Angriffs (Notwehr). Von daher kam es zum Freispruch.
Anmerkung:
Der Angegriffene muss also nicht das gleiche Mittel zur Verteidigung nutzen, dass der Angreifer zum Angriff nutzt. Wenn jemand körperlich mit der Faust angegriffen wird, dann muss er nicht mit der Faust zurückschlagen, sondern kann alle Mittel nutzen, um den Angriff abzuwehren. Er kann von daher sogar zum Messer greifen, um sich zu verteidigen. Notfalls besteht sogar die Möglichkeit eine Schusswaffe zur Verteidigung zu nutzen, um sich zu schützen.
Es gibt keine Verhältnismäßigkeitsprüfung allerdings muss von den gleich geeigneten Mitteln grundsätzlich das mildeste Mittel zunächst angewendet werden.
Von daher ist der Schlag mit dem Bierkrug, also die Benutzung eines Gegenstandes zur Verteidigung, unproblematisch zulässig. Auch wenn dies für den Angreifer hier schwerere Verletzungen zur Folge haben könnte als beim Schlag mit der Faust.
Das Notwehrrecht ist also ein Rechtfertigungsgrund für die eigene Körperverletzung gegenüber dem Angreifer.