Kammergericht: Ehegattenunterhalt und Abänderbarkeit
Das Berliner Kammergericht (Beschluss 22.12.2015- 13 UF 143/15) hat entschieden, dass ein Unterhaltsschuldner, der eine Vereinbarung über Ehegattenunterhalt geschlossen hat, die – so vertraglich vereinbart – nicht abänderlich ist, nur bei Gefährdung seiner wirtschaftlichen Existenz den Unterhalt abändern darf. Der Ehemann bereute dies als er später Rentner war und weniger Rente als seine Frau – unter Berücksichtigung der Unterhaltszahlung – bekam. Das Kammergericht gab der Ehefrau Recht, nachdem ein Berliner Familiengericht die Vereinbarung abgeändert hatte.
Entscheidung des Kammergerichts zum Unterhaltsvergleich und dessen Abänderung
Der Leitsatz der Entscheidung dazu lautet:
Ein Unterhaltsschuldner, der die Abänderbarkeit einer Vereinbarung über nachehelichen Unterhalt vertraglich ausgeschlossen hat, kann sich zur Abwehr des Unterhaltsanspruchs nur dann auf den Grundsatz von Treu und Glauben berufen, wenn die Zahlung des vereinbarten Unterhaltsbetrags seine wirtschaftliche Existenz gefährden würde.
Das Kammergericht führt dazu aus:
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(aa) Dass der Abänderungsantrag unbegründet ist, ergibt sich bereits aus dem Umstand, dass die Beteiligten in der ursprünglichen Unterhaltsvereinbarung, der notariellen Urkunde vom 23. April 1992, ausdrücklich auf jegliche Abänderung ihrer Vereinbarung verzichtet haben; sie haben erklärt, auch im Falle geänderter Lebensverhältnisse, “egal aus welchem Rechtsgrund”, auf eine Abänderung verzichten zu wollen. Eine derartige Vereinbarung ist, wie der Senat bereits in der Ausgangsentscheidung vom 5. Februar 1999 dargelegt hat, uneingeschränkt wirksam. Denn es ist allgemein anerkannt, dass die Beteiligten die Abänderung gerichtlicher Vergleiche oder vollstreckbarer Urkunden durch Vereinbarung erschweren oder ganz ausschließen können (vgl. nur BGH – Großer Senat für Zivilsachen -, Beschluss vom 4. Oktober 1982 – GSZ 1/82, BGHZ 85, 64 = FamRZ 1983, 22 [bei juris Rz. 25]).
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Jedoch ist auch allgemein anerkannt, dass die Abrede der Unabänderlichkeit der Unterhaltsvereinbarung nicht grenzenlos gilt. Bereits das Reichsgericht hat hierzu in einer Entscheidung aus dem Jahr 1941 in einer Unterhaltssache in grundsätzlicher Weise ausgeführt (Urteil vom 25. Januar 1941 – IV 281/40, RGZ 166, 40 [49]):
- “Indessen untersteht auch ein solcher Vertrag dem allgemeinen, die ganze Rechtsordnung beherrschenden Grundsatz (§ 242 BGB), dass niemand sein Recht gegen Treu und Glauben geltend machen darf und ihm andernfalls der Einwand unzulässiger Rechtsausübung entgegengesetzt werden kann. An diesen Einwand sind allerdings in einem Falle, wo die Parteien durch die Vereinbarung einer unabänderlichen Rente die Berufung auf eine Änderung der Verhältnisse ausgeschlossen haben, strenge Anforderungen zu stellen. Er ist nach der Rechtsprechung des erkennenden Senats nur begründet, wenn die Weitererfüllung des Vertrages das eigene wirtschaftliche Dasein des Schuldners gefährden würde. Wenn dieser alle verfügbaren Mittel bereits zu seinem eigenen Unterhalt und dem seiner nächsten auf ihn angewiesenen Angehörigen benötigt, würde es allerdings Treu und Glauben zuwiderlaufen und zu einem untragbaren Ergebnis führen, wollte man ihn gleichwohl zur uneingeschränkten Weiterzahlung der übernommenen Rente für verpflichtet erklären und ihn lediglich auf die Inanspruchnahme der gesetzlichen Pfändungsbeschränkungen verweisen. Der Schuldner kann also auch bei einem vertraglichen Ausschluss des Einwands einer wesentlichen Veränderung der Verhältnisse so viel Schonung beanspruchen, dass ihm die eigene Lebensmöglichkeit erhalten bleibt.”
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Sowohl der Bundesgerichtshof (vgl. BGH, Beschluss vom 11. Februar 2015 – XII ZB 66/14, FamRZ 2015, 734 [bei juris Rz. 27]) als auch die Obergerichte (vgl. etwa OLG Saarbrücken, Urteil vom 2. Oktober 2003 – 6 UF 22/03, FuR 2004, 245 [bei juris Rz. 14]; OLG Karlsruhe, Urteil vom 4. September 1997 – 2 UF 170/96, FamRZ 1998, 1436 [bei juris Rz. 39]; OLG Bamberg, Urteil vom 22. April 1997 – 7 UF 225/96, FamRZ 1998, 830 [bei juris Rz. 20f.]; OLG Köln, Urteil vom 11. November 1988 – 25 UF 62/88, FamRZ 1989, 637 [bei juris LS]; OLG Zweibrücken, Urteil vom 24. September 1981 – 6 UF 7/81, FamRZ 1982, 302 [bei juris LS]) haben an dieser Auffassung, die auch von der Literatur geteilt wird (vgl. Göppinger/Wax-Hoffmann, Unterhaltsrecht [9. Aufl. 2008], Rn. 1462), festgehalten: Im Ergebnis kann sich ein Unterhaltspflichtiger, der die Abänderbarkeit einer Unterhaltsvereinbarung vertraglich ausgeschlossen hat, zur Abwehr des Unterhaltsanspruchs bzw. zu dessen Ermäßigung nur dann auf den Grundsatz von Treu und Glauben berufen, wenn andernfalls seine wirtschaftliche Existenz gefährdet wäre. An diesen Einwand sind strenge Anforderungen zu stellen (vgl. OLG Karlsruhe a.a.O. [bei juris Rz. 39]), denen der Vortrag des Antragstellers nicht genügt.
- (bb) Entgegen der Auffassung des Antragstellers (Schriftsatz vom 27. August 2015, dort S. 2; I/186) ist das Existenzminimum kein uneinheitlicher Begriff, der von Fall zu Fall anders zu verstehen ist, sondern eine feste, wissenschaftlich abgesicherte Größe. Sie ergibt sich aus den von der Bundesregierung im Zwei-Jahres-Turnus erstellten Existenzminimumberichten, in denen das Existenzminimum für Erwachsene und für Kinder nach statistischen Methoden zuverlässig ermittelt wird; der ermittelte Wert bildet u.a. die Grundlage für den steuerfrei zu belassenden Grundfreibetrag nach dem Einkommensteuerrecht (§ 32a Abs. 1 Nr. 1 EStG). Das Existenzminimum stellt weiter die Grundlage dar für die Berechnung des Mindestunterhalts nach § 1612a Abs. 1 Satz 2 BGB (in der ab dem 1. Januar 2016 geltenden Fassung), für die Festlegung der Pfändungsfreigrenzen nach § 850c ZPO – diese knüpfen mittelbar ebenfalls an das Existenzminimum an (§ 850c Abs. 2a Satz 1 ZPO) – oder für die Ermittlung des Sozialhilferegelsatzes (vgl. den aktuellen, 10. Existenzminimumbericht der Bundesregierung vom 30. Januar 2015, Bundestagsdrucksache 18/3893, S. 8 mit den sächlichen Existenzminima für Alleinstehende für die Jahre 2015 [8.472 €] und 2016 [8.652 €] sowie den 9. Existenzminimumbericht der Bundesregierung vom 7. November 2012, Bundestagsdrucksache 17/11425, S. 7 mit dem sächlichen Existenzminimum für Alleinstehende für die Jahre 2013 [8.124 €] und 2014 [8.352 €] sowie ergänzend Wendl/Dose-Klinkhammer, Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis [9. Aufl. 2015], § 2 Rn. 222f.). Danach beträgt das Existenzminimum – die Existenzminimumberichte weisen stets einen Jahreswert aus – in den hier interessierenden Zeitabschnitten, für die Jahre 2014 und 2015, monatlich 696 € (2014) bzw. 706 € (2015)
Anmerkung:
Der Fall des Kammergerichts betrifft hier ausdrücklich einen notariellen Unterhaltsvergleich über nachehelichen Unterhalt in dem die Eheleute ausdrücklich vereinbart haben, dass aus keinem Grund zukünftig der Vergleich ab änderbar ist. Man hat also ausdrücklich und einvernehmlich eine mögliche zukünftige Abänderung ausgeschlossen. Dies kommt in der Praxis oft vor, der hiesige Fall zeigt aber, dass dies durchaus gefährlich sein kann.
Wenn man nämlich die Abänderbarkeit für die Zukunft des Unterhaltsvergleiches ausschließt, dann kann man diesen tatsächlich nur noch in absoluten Ausnahmefällen abändern. Das Kammergericht verweist hier auf die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes, wonach eine Abänderung nur dann möglich ist, wenn die Existenz des diejenigen gefährdet ist, der die Abänderung hier begehrt.
Rechtsanwalt Andreas Martin – Scheidung Marzahn